Aktuelles 2021 Unzulaessie Verwendung eines Prominentenbildes als Blickfang fuer ein Gewinnspiel (Urlaubslotto)

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20.02.2021: Unzulässige Verwendung eines Prominentenbildes als Blickfang für ein Gewinnspiel („Urlaubslotto“)


BGH, Urteil v. 21.01.2021 – I ZR 207/19


Mit dem genannten Urteil hat der I. Zivilsenat des BGH entschieden, dass die Nutzung des Bildnisses und des Namens eines prominenten Schauspielers zur Bebilderung des Urlaubslottos einer Sonntagszeitung einen rechtswidrigen Eingriff in den vermögensrechtlichen Bestandteil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dargestellt hat.


Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: B verlegt u.a. eine Sonntagszeitschrift. In einer Ausgabe erschien unter der Überschrift „Gewinnen Sie Bares und eine Traumreise“ ein Artikel zur Aktion „Urlaubslotto“. Hierfür wurde ein Großteil einer Zeitungsseite genutzt. Unterhalb der Überschrift befand sich ein Foto, auf dem S, ein Schauspieler, der über einen Zeitraum von fünf Jahren in der ZDF-Serie „Das Traumschiff“ den Kapitän spielte, als Kapitän mit zwei anderen Schauspielern der Serie in ihren jeweiligen Rollen abgebildet war. Das Foto nahm etwa ein Drittel des Artikels ein und wurde durch eine Bildunterschrift ergänzt, in der auch der bürgerliche Name des S genannt war. Unterhalb des Fotos wurde das „Urlaubslotto“ erläutert. Als Hauptgewinn wurde eine 13-tägige Kreuzfahrt genannt, die im unteren Teil des Artikels unter der Überschrift „So können Sie auf dem Luxusschiff in See stechen“ näher ausgeführt wurde.

 

Wegen der Nutzung seines Bildnisses und seines Namens nahm S die B u.a. auf Unterlassung in Anspruch.


I. Problemstellung

Der BGH prüft den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf der Grundlage des § 1004 I S. 2, II BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG. Da jedoch das Recht am Bild als Teilbereich des Persönlichkeitsrechts auch der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) unterfällt, ist fraglich, ob der Sachverhalt nicht am Maßstab der Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta (GRC) hätte geprüft werden müssen. Denn das Unionsrecht genießt Anwendungsvorrang (EuGH Slg. 1964, 1251 ff.; vgl. auch EuGH Slg. 1970, 1125 ff. – Internationale Handelsgesellschaft, aufgegriffen in EuGH NJW 2013, 1215 ff. – Melloni; zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts und dessen Begründung siehe R. Schmidt, Grundrechte, 25. Aufl. 2020, Rn. 9).


Daher muss (zunächst) der Prüfungsmaßstab geklärt werden. Denn sollte der Sachverhalt europarechtlich determiniert sein, könnte wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts der Sachverhalt am Maßstab des Unionsrechts (d.h. der Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 GRC) zu prüfen sein. Da der vorliegende Sachverhalt gerade Datenschutzaspekte beinhaltet, ist ein Unionsrechtsbezug evident, was die Notwendigkeit der Feststellung des Prüfungsmaßstabs erklärt. 


  • Unionsrechtlich vollständig determinierte Regelungen des deutschen Rechts werden am Maßstab der Unionsgrundrechte geprüft, soweit die Grundrechte des Grundgesetzes durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden. Zu den unionsrechtlich vollständig determinierenden Regelungen wird man etwa die betreffenden Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zählen müssen (dann wären Prüfungsmaßstab von nationalen Maßnahmen die betreffenden Bestimmungen der DSGVO und letztlich Art. 7 und 8 GRC), aber auch das Verfahren der Überstellung im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl (BVerfG 1.12.2020 – 2 BvR 1845/18, 2 BvR 2100/18 mit Verweis auf BVerfGE 140, 317, 343; 147, 364, 382). Auf Richtlinienebene sind vollharmonisierende Regelungen des zivilistischen Verbraucherschutzrechts zu nennen, etwa die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, die – im Übrigen nicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt – eine Vollharmonisierung auf EU-Ebene insbesondere im Fernabsatzrecht erreichen möchte (siehe Erwägungsgründe 2, 4, 5, 7 und 9 sowie Art. 4 der RL). Eine weitgehende Vollharmonisierung besteht auch hinsichtlich der Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771), deren Zweck es ist, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des (digitalen) Binnen­markts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen (siehe Art. 1 der RL i.V.m. ihren Erwägungsgründen 1 und 3), und hinsichtlich der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770), die gemeinsame Vorschriften für bestimmte Anforderungen an Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen festlegt und in ihren Kernbereichen (wie die Warenkaufrichtlinie) eine weit reichende Vollharmonisierung vorsieht; abweichende nationale Be­stimmungen sind auf diesen Gebieten ausgeschlossen (siehe Art. 4 der RL i.V.m. Erwägungsgrund 11; lediglich einzelne Materien wie die Verjährungsregelung sind einer abweichenden Regelung zugänglich, siehe Erwägungsgrund 58). Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit nationaler Regelungen werden danach also grundsätzlich am Maßstab der Unionsgrundrechte zu entscheiden sein.


  • Geht es um unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht, ist dieses am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient. Als Anwendungsfelder seien diejenigen Vorschriften der DSGVO genannt, die den Mitgliedstaaten Spielräume lassen, wie z.B. Art. 85 II DSGVO („Medienprivileg“) oder Art. 88 DSGVO in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz. Auch die „Richtlinie zur Datenverarbeitung bei Polizei und Justiz“ (Richtlinie (EU) 2016/680) determiniert nicht vollständig das nationale Recht, da sie lediglich Mindeststandards setzt, den Mitgliedstaaten Spielräume lässt und Abweichungsbefug­nisse enthält. Des Weiteren ist § 6a ATDG zu nennen, der ebenfalls kein (zwingendes) Unionsrecht umsetzt, da die Richtlinie 2002/58/EG („ePrivacy“-Richtlinie), die Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Richtlinie im Bereich von Justiz und Inneres) und die Richtlinie (EU) 2017/541 (Terrorismusbekämpfungs-Richtlinie) nur Grundsätze und Mindeststandards festlegen (BVerfG 10.11.2020 – 1 BvR 3214/15 Rn. 65 ff. – Antiterrordateigesetz II). In diesen Fällen sind die Grundrechte des Grund­gesetzes nicht in ihrer Anwendung gesperrt und das BVerfG prüft innerstaatliches Recht, das der Durchführung von Unionsrecht dient, am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes (BVerfG NVwZ 2020, 53 ff. – „Recht auf Vergessenwerden I“; BVerfG 10.11.2020 – 1 BvR 3214/15 Rn. 65 – Antiterrordateigesetz II; siehe auch BVerfG NJW 2020, 2699, 2703 – Bestandsdatenauskunft II) und BVerfG 1.12.2020 – 2 BvR 916/11 Rn. 187 – elektronische Aufenthaltsüberwachung, wobei das BVerfG nicht die Richtlinie (EU) 2016/680 erwähnt), freilich in richtlinienkonformer Auslegung, was bedeutet, dass die Unionsgrundrechte zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten sind.


  • Rein nationale Akte (die man gemäß dem zuvor Gesagten als „unionsrechtlich nicht determiniertes innerstaatliches Recht“ bezeichnen muss) sind von der vorstehenden Problematik nicht berührt. Für diese gelten von vornherein ausschließlich die Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab (klarstellend BVerfG 10.11.2020 – 1 BvR 3214/15 Rn. 66 – Antiterrordateigesetz II).


Anwendungsgebiete werden nicht nur Umweltschutzbestimmungen bieten, sondern auch Datenschutz- und Verbraucherschutzbestimmungen, ist die EU bekanntermaßen ja sehr aktiv auf diesen Gebieten. Virulent wird dies bei den bereits erwähnten Richtlinien (EU) 2019/771 (Warenkaufrichtlinie – WKRL) und (EU) 2019/770 (Digitale-Inhalte-Richt­linie – DIRL). Beide sehen eine weit reichende Vollharmonisierung vor; abweichende nationale Bestimmungen sind auf diesen Gebieten ausgeschlossen (siehe Art. 1 WKRL i.V.m. ihren Erwägungsgründen 1 und 3 und Art. 4 DIRL i.V.m. deren Erwägungsgrund 11). Auch das Verfahren der Überstellung im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl ist vollständig unionsrechtlich determiniert (BVerfG 1.12.2020 – 2 BvR 1845/18, 2 BvR 2100/18 mit Verweis auf BVerfGE 140, 317, 343; 147, 364, 382). Nationale Umsetzungsakte werden also unionsrechtlich vollständig determiniertes Recht darstellen mit der Folge, dass Streitigkeiten über deren Rechtmäßigkeit am Maßstab der Unionsgrundrechte zu entscheiden sein werden.


Die vorstehende Problematik kann auch in das (vorliegend relevante) Zivilrecht ausstrahlen. Denn wie bei R. Schmidt, Grundrechte, 25. Aufl. 2020, Rn. 105 ff. ausführlich dargelegt, gelten die Grundrechte als Impulsgeber einer objektiven Wertordnung auch mittelbar zwischen Privaten (sog. mittelbare Drittwirkung bzw. horizontale Wirkung der Grundrechte): Der Gewährleistungsgehalt der Grundrechte wirkt über das Medium der Vorschriften, die das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen. Das gilt insbesondere für die Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Begriffe wie z.B. das „berechtigte Interesse“ in § 23 II KUG. Diese Vorschrift dient dem Ausgleich zwischen dem Bildnisschutz als spezielles Persönlichkeitsrecht und widerstreitenden Verbreitungsinteressen bspw. der Presse. Der Kon­flikt ist dann über die Figur der praktischen Konkordanz (Begriff nach Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff. – dazu R. Schmidt, Grundrechte, 25. Aufl. 2020, Rn. 193/384 f.) zu lösen: Die widerstreitenden Grundrechte sind bei der Auslegung bzw. Bestimmung der „berechtigten Interessen“ miteinander und gegeneinander abzuwägen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob es sich bei den miteinander und gegeneinander abzuwägenden Grundrechten um solche des Grundgesetzes oder der EU-Grundrechtecharta handelt. Denn wie aufgezeigt, unterfällt der Bildnisschutz (auch) dem Datenschutz und damit (auch) der DSGVO, die im Grundsatz vollvereinheitlichtes Unionsrecht darstellt und den Prüfungsmaßstab der Unionsgrundrechte eröffnet; die Grundrechte des Grundgesetzes träten zurück. Lediglich, wenn es um unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht geht, ist dieses am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient. Rein nationale Akte sind von der vorstehenden Problematik nicht berührt. Für diese gelten von vornherein ausschließlich die Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab. Im Rahmen der den Zivilrechtsstreit entscheidenden Norm (wie etwa § 1004 II BGB, § 23 II KUG), bei deren Auslegung und Bestimmung die Grundrechte heranzuziehen sind, ist also (vorab) zu prüfen, ob die Unionsgrundrechte oder die Grundrechte des Grundgesetzes den Prüfungsmaßstab bilden. Sollten die Regelungen der DSGVO und damit die Unionsgrundrechte den Prüfungsmaßstab bilden, wären §§ 22, 23 KUG und die Grundrechte des Grundgesetzes nicht anwendbar.

II. Prüfung des Falls

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch könnte sich aus § 1004 I S. 2 BGB ergeben. Jedoch regelt § 1004 BGB den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch unmittelbar nur bei Beeinträchtigungen des Eigentums. Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (etwa durch unerlaubte Veröffentlichung von Bildnissen oder Benutzung des Namens) sind vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. Andererseits besteht ein Bedürfnis, auch dem in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Beeinträchtigten einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den Verletzer zuzubilligen. Die Gesetzeslücke ist zudem planwidrig, da bei Inkrafttreten des § 1004 BGB im Jahre 1900 der Gesetzgeber den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vor Augen hatte. Daher ist § 1004 BGB analog auch auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht anzuwenden.

 

Wesentlicher – vermögensrechtlicher – Bestandteil des Persönlichkeitsrechts ist das Recht, selbst zu entscheiden, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für kommerzielle Zwecke zur Verfügung gestellt werden soll. Dadurch, dass B ohne Erlaubnis das Bildnis des S und dessen Namen für eigene Werbezwecke verwendet hat, was zu einem gewissen Imagetransfer von S in seiner beliebten Serienrolle auf den Hauptgewinn des Preisausschreibens der B geführt hat, ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des S (hier: in das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht) anzunehmen (BGH 21.01.2021 – I ZR 207/19 Rn. 19).


Da eine weitere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts nicht ausgeschlossen werden kann, ist auch die für einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 I S. 2 BGB erforderliche drohende Beeinträchtigung gegeben.

 

Schließlich darf der Unterlassungsanspruch nicht aufgrund einer Duldungspflicht i.S.d. § 1004 II BGB ausgeschlossen sein. Duldungspflichten können etwa aus einem Vertrag, einer Einwilligung oder aus dem Gesetz (hier: §§ 22, 23 KUG) resultieren. Läge also eine vertragliche Vereinbarung, eine Einwilligung oder eine Duldungspflicht vor, stünde S der geltend gemachte Anspruch nicht zu.


Außer bei vertraglicher Vereinbarung dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, § 22 S. 1 KUG. Daran fehlte es vorliegend. Jedoch ist eine Verbreitung oder Schaustellung unter den Voraussetzungen des § 23 KUG auch ohne Einwilligung zulässig. S kann als Person der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) angesehen werden. Die Verbreitung oder Schaustellung darf aber kein berechtigtes Interesse des S verletzen (§ 23 II KUG). Mit dieser Systematik (Regel-Ausnahme-Gegenausnahme) ordnet das Gesetz zwar eine Abwägung (vorliegend zwischen dem Interesse des S am Schutz seiner Persönlichkeit und dem von B wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit) im Einzelfall an, bei Personen der Zeitgeschichte geht es jedoch von einem grundsätzlichen Vorrang des Rechts auf Bild- und Berichterstattung vor dem Persönlichkeitsrecht aus.


Fraglich ist aber, ob der Streitgegenstand überhaupt auf der Grundlage des § 23 II KUG i.V.m. den Grundrechten des Grundgesetzes entschieden werden darf. Denn das Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am Bild und damit einen Aspekt des Datenschutzes, der wiederum Gegenstand der DSGVO ist.

 

Grundsätzlich stellt die DSGVO vollvereinheitlichtes Unionsrecht dar und eröffnet den Prüfungsmaßstab der Unionsgrundrechte; die Grundrechte des Grundgesetzes treten zurück. Lediglich, wenn die DSGVO Aspekte des Datenschutzes nicht vollständig determiniert, ist der Sachverhalt am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen. Vorschriften der DSGVO, die den Mitgliedstaaten Spielräume lassen, sind Art. 85 II DSGVO („Medienprivileg“) und Art. 88 DSGVO (Beschäftigtendatenschutz).


Vorliegend scheint eine Subsumtion unter Art. 85 II DSGVO mit der Folge der Lösung des Falles über § 23 II KUG ohne weiteres möglich. Gemäß Art. 85 II DSGVO sehen die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die zu journalistischen Zwecken erfolgt, Abweichungen oder Ausnahmen u.a. von den Art. 5-11 DSGVO vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

 

Mit dieser Regelung scheint dem Anwendungsbereich des § 23 II KUG also nichts im Wege zu stehen. Jedoch muss die Verarbeitung der Daten „zu journalistischen“ Zwecken erfolgen. Erfolgt die Datenverarbeitung zu anderen Zwecken (etwa aus geschäftlichen bzw. kommerziellen Zwecken), ist die Öffnungsklausel des Art. 85 II DSGVO nicht einschlägig und der Sachverhalt ist unionsrechtlich zu prüfen.

 

Im vorliegenden Fall ist der BGH der Auffassung, zugunsten der B sei zu berücksichtigen, dass sie ein Foto genutzt hat, das auch als Symbolbild für eine Kreuzfahrt im Sinne einer „Traumreise“ steht und sich dadurch teilweise von der Person des S gelöst habe. Dies führe jedoch nicht dazu, dass das Foto – selbst in einem redaktionellen Kontext – schrankenlos für die Bebilderung einer Kreuzfahrt genutzt werden dürfe. Der Symbolcharakter des Fotos sei vielmehr in die Interessenabwägung einzustellen. Diese falle zugunsten des S aus. Das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, die Veröffentlichung des Bildnisses sei nicht geeignet, einen nennenswerten Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Es habe der überwiegend kommerziellen Nutzung des Bildnisses des S daher mit Recht entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Informationen, die der Beitrag mit Blick auf die Person des S und seine Rolle als Kapitän in der Fernsehserie „Das Traumschiff“ enthalte, seien der Bewerbung des „Urlaubslottos“ der B funktional untergeordnet. B habe ihr Gewinnspiel dadurch aufgewertet, dass sie eine gedankliche Verbindung zwischen dem ausgelobten Hauptpreis einer Kreuzfahrt und der Fernsehserie „Das Traumschiff“ hergestellt habe (BGH 21.01.2021 – I ZR 207/19 Rn. 61).


Mit der Formulierung: „in einem redaktionellen Kontext“ möchte der BGH den Artikel, der offenbar allein kommerziellen Zwecken dient, noch den „journalistischen Zwecken“ zuordnen, damit der Sachverhalt noch vom „Medienprivileg“ des Art. 85 II DSGVO gedeckt ist und somit der Prüfungsmaßstab der §§ 22, 23 KUG i.V.m. den Grundrechten des GG – und nicht derjenige der Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 EU-GRC – eröffnet ist. Der BGH legt den Begriff „zu journalistischen Zwecken“ also sehr weit aus, was mit Art. 85 II DSGVO nicht mehr vereinbar sein könnte. Denn Art. 85 II DSGVO sieht Abweichungen und Ausnahmen nur vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Bei den „journalistischen Zwecken“ geht es also um die Verbreitung von Informationen und Meinungen, nicht um Gewinnerzielung. Andererseits scheiden auch nach dem EuGH „journalistische Zwecke“ nicht bereits deshalb aus, weil das Medienunternehmen auch eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt (EuGH EuZW 2009, 108, 110 zur Vorgängerregelung des Art. 9 Datenschutzrichtlinie 95/46/EG). So heißt es nach dem EuGH:


„Zweitens schließt die Tatsache, dass eine Veröffentlichung öffentlicher Daten mit der Absicht verbunden ist, Gewinn zu erzielen, nicht von vorneherein aus, dass sie als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die ‚allein zu journalistischen Zwecken erfolgt'. Denn, wie (...) ausführen, möchte jedes Unternehmen mit seiner Tätigkeit einen Gewinn erzielen. Ein gewisser kommerzieller Erfolg kann sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand eines professionellen Journalismus sein.“ (EuGH EuZW 2009, 108, 110).


Die Formulierung „allein zu journalistischen Zwecken erfolgt“ ist Wortlaut der Vorgängerregelung des Art. 9 Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Spricht also Art. 85 II DSGVO nur noch von „zu journalistischen Zwecken“ (hat also die Einschränkung „allein“ aufgegeben), kann das nicht ohne Effekt bleiben und wird ein großzügigeres Verständnis erfordern. Gleichwohl muss nach wie vor im Einzelfall die journalistische Tätigkeit im Vordergrund stehen.

 

Im vorliegenden Fall verwendet B das Bildnis des S für ein „Urlaubslotto“, bei dem als Hauptgewinn eine 13-tägige Kreuzfahrt genannt wurde. Das Foto des S, auf dem dieser als „Kapitän des Traumschiffs“ abgebildet war, diente also offenbar lediglich als „Köder“ für die Teilnahme am „Urlaubslotto“. Ein Bezug zu einer journalistischen Tätigkeit ist selbst nach großzügiger Auslegung des Begriffs „zu journalistischen Zwecken“ nicht gegeben. In diese Richtung argumentiert letztlich auch der BGH, indem er formuliert, dass die Veröffentlichung des Bildnisses nicht geeignet sei, einen nennenswerten Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Die Informationen, die der Beitrag mit Blick auf die Person des S und seine Rolle als Kapitän in der Fernsehserie „Das Traumschiff“ enthalte, seien der Bewerbung des „Urlaubslottos“ der B funktional untergeordnet (BGH 21.01.2021 – I ZR 207/19 Rn. 61). Dann aber hätte der BGH von seinem Standpunkt aus die „journalistischen Zwecke“ i.S.d. Art. 85 II DSGVO verneinen und den Sachverhalt am Maßstab der Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 EU-GRC prüfen müssen. Zwar schließt – wie der EuGH formuliert – eine Gewinnerzielungsabsicht die „journalistischen Zwecke“ nicht von vornherein aus. Wenn aber das kommerzielle Interesse eindeutig überwiegt, dann darf und muss man die journalistischen Zwecke (und damit den Anwendungsbereich von Art. 85 II DSGVO i.V.m. §§ 22, 23 KUG) verneinen. Gerade im Bereich der Rufausbeutung ist der journalistische Informationsgehalt so gering (quasi nicht mehr als eine notwendige Begleiterscheinung), dass er vollständig zu vernachlässigen ist.


Mithin wird man sagen müssen: Eine Gewinnerzielungsabsicht steht den „journalistischen Zwecken“ grundsätzlich nicht entgegen. Gerade privatrechtlich organisierte Medienunternehmen sind auf Einnahmen angewiesen. Steht aber die Verwendung fremder Bildnisse nicht im Zusammenhang mit „journalistischer Tätigkeit“, was gerade im Bereich der kommerziell orientierten Rufausbeutung anzunehmen ist, ist die Ratio des Art. 85 II DSGVO nicht gegeben und der Sachverhalt ist daher am Maßstab des Unionsrechts (hier: Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 EU-GRC) zu prüfen. Freilich dürften sich im Ergebnis keine Unterschiede zur Prüfung am Maßstab des § 23 II KUG i.V.m. Art. 2 I GG/Art. 1 I GG und Art. 5 I GG/Art. 12 I GG ergeben: Die Persönlichkeitsrechte des S (hier: das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht) überwiegen die Meinungs- und Pressefreiheit und die Berufsfreiheit der B. Das wäre auf der Basis Art. 5-7 DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 EU-GRC sogar noch deutlicher.

 

III. Ergebnis

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des S ist begründet.



Rolf Schmidt (20.02.2021)






 



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