aktuelles-2017-neues-zum-wohnungseinbruchdiebstahl

Beiträge 2017


22.7.2017: Neues zum Wohnungseinbruchdiebstahl

Am 22.7.2017 ist das vom Bundestag am 17.7.2017 beschlossene 55. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs (BGBl I 2017, S. 2442) in Kraft getreten, das zu Änderungen bzw. Ergänzungen des § 244 StGB (Wohnungseinbruchdiebstahl, § 244 I Nr. 3, III, IV StGB) und der §§ 100g und 395 StPO geführt hat. Ob diese Gesetzesänderung überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.

Strafrechtliche Ausgangslage: Während es sich bei § 243 StGB um eine Strafzumessungsvorschrift handelt, stellt § 244 StGB eine Qualifikation zu § 242 StGB dar (klarstellend BGHSt 33, 50, 53), die besonders gefährliche Formen des Diebstahls erfasst. Dazu zählen der Diebstahl mit Waffen, den Bandendiebstahl und der Wohnungseinbruchdiebstahl. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung (die im Übrigen die Ausführungen bei R. Schmidt, StrafR BT II, 18. Auflage 2017 Rn. 244 ff. – im Erscheinen – vorwegnimmt) ist ausschließlich der zuletzt genannte Erschwernisgrund.

Vorüberlegung: Wohnungseinbrüche dringen in besonderer Intensität in die Privat- und Intimsphäre der Opfer ein und können ernste psychische Störungen und langwierige Angstzustände her­vorrufen (vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 43; BT-Drs. 18/12359 S. 1 und 7; BT-Drs. 18/12729, S. 1). Nicht selten sind Wohnungseinbruchdiebstähle auch mit Gewalttätigkeiten gegenüber Menschen und Verwüstungen von Räumen bzw. Wohnungseinrichtungen verbunden (R. Schmidt, StrafR BT II, 18. Aufl. 2017, Rn. 244). Daher hat sich der Reformgesetzgeber im Zuge des 6. StrRG 1998 veranlasst gesehen, den bis dahin in § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB als Strafzumessungsnorm geregelten „Wohnungseinbruchdiebstahl“ zur Tatbestandsqualifikation (§ 244 I Nr. 3 StGB) „aufzuwerten“ (vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 43). Die (abstrakte) Strafandrohung beträgt seitdem 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe, sieht man einmal ab von der am 5.11.2011 in Kraft getretenen Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falls (§ 244 III StGB) einerseits und der hier zu besprechenden, am 22.7.2017 in Kraft getretenen Neuregelung in § 244 IV StGB andererseits, die eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren vorsieht, wenn der Wohnungseinbruchdiebstahl eine dauerhaft genutzte Privatwohnung betrifft. Insbesondere sind durch die Aufnahme des Wohnungseinbruchdiebstahls in § 244 I StGB die Bagatellklausel des § 243 II StGB sowie das Strafantrags­erfordernis des § 248a StGB unanwendbar geworden; der Versuch des § 244 I Nr. 3 StGB ist unter Strafe ge­stellt (§ 244 II StGB).

Aus diesem Grund muss die Wohnung i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB einerseits von den sonstigen Räumlichkeiten i.S.v. § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB, die nicht dem Schutz der häuslichen Privat- und Intimsphäre unterfallen, andererseits aber auch von den „dauerhaft genutzten Privatwohnungen“, die dem mit Wirkung zum 22.7.2017 neu geschaffenen Verbrechenstatbestand des § 244 IV StGB unterfallen, abgegrenzt werden, um zu bestimmen, ob der Täter „nur“ aus § 242 i.V.m. § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB, aus § 244 I Nr. 3 StGB oder sogar aus § 244 IV StGB strafbar ist. Bei der Abgrenzung bieten sich folgende Überlegungen an:

Abgrenzung zu § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB: § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB schützt Gebäude, Dienst- oder Geschäftsräum sowie andere umschlossene Räume, die keine Wohnungen bzw. Wohnräume (i.S.v. § 244 I Nr. 3 StGB) sind. Abgrenzungskriterium zu § 244 I Nr. 3 StGB ist also der Wohnungsbegriff, der sich wiederum über den Wohnzweck definiert. Hinsichtlich des Wohnungsbegriffs (i.S.v. § 244 I Nr. 3 StGB) wird in der Literatur nicht selten auf § 123 StGB verwiesen (vgl. etwa Sch/Sch-Eser/Bosch, § 244 Rn. 30; MüKo-Schmitz, § 244 Rn. 58; Jäger, JA 2016, 872) (vgl. dazu R. Schmidt, BT I, 18. Aufl. 2017, Rn. 997 ff.). Da sich jedoch der Schutzzweck des § 244 I Nr. 3 StGB von dem des § 123 StGB unterscheidet (§ 123 StGB schützt im Wesentlichen die Freiheit des Rechtsgutträgers, darüber zu entscheiden, wer sich innerhalb der Räumlichkeit bzw. des befriedeten Besitztums aufhalten darf, wohingegen § 244 I Nr. 3 StGB – wie gesehen – neben dem Eigentum verstärkt die Privat- und Intimsphäre im räumlichen Bereich schützt), muss auch die Auslegung des Wohnungsbegriffs i.S.v. § 244 I Nr. 3 StGB vor diesem Hintergrund erfolgen. Zudem zwingt die höhere Strafandrohung des § 244 I StGB zu einer restriktiven Auslegung (daran ändert auch der am 5.11.2011 in Kraft getretene § 244 III StGB nichts, da die Vorschrift methodisch nicht geeignet ist, eine restriktive Auslegung von Tatbestandsmerkmalen zu ersetzen (vgl. Wessels/Hillenkamp, StrafR BT 2, Rn. 290). Danach sind als Wohnungen i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB nur solche Räumlichkeiten anzusehen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Privat- und Intimsphäre stehen und psychische Integrität vermitteln (BGH StV 2016, 639; LK-Vogel, § 244 Rn. 75; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 289; El-Ghazi, JA 2014, 26, 27). Bei Räumlichkeiten, deren Hauptzweck in der Erfüllung o.g. Kriterien besteht, ist dies unproblematisch der Fall. Auch Nebenräume wie Flure, Toiletten, Keller und Speicher sind umfasst, sofern sie im unmittelbaren Zusammenhang mit den geschützten Räumlichkeiten stehen, was bei Ein­familienhäusern regelmäßig anzunehmen sein dürfte Siehe dazu BGH StV 2016, 639 (in Bezug auf Kellerräume eines Einfamilienhauses (siehe dazu BGH StV 2016, 639 – in Bezug auf Kellerräume eines Einfamilienhauses). Selbst in das Einfamilienhaus integrierte Garagen, in denen die Hausbewohner regelmäßig auch Warenvorräte und Getränke lagern, dürften dem Schutz des § 244 I Nr. 3 StGB unterstehen (siehe Jäger, JA 2016, 872, 873, der die Frage aber nicht eindeutig beantwortet). Mit Blick auf den Schutzzweck des § 244 I Nr. 3 StGB wird man den Begriff der Wohnung schließlich auch bei Hotelzimmern (BGH StV 2001, 624), Wohnwagen, Wohnzelten und Wohnschiffen bejahen können, und zwar selbst dann, wenn diese Objekte Menschen nur zur vorübergehenden Unterkunft dienen, sofern nur o.g. Kriterien erfüllt sind, was insbesondere beim Vorhandensein von Schlafplätzen an­zunehmen ist, da Schlafplätze typischerweise die Privat- und Intimsphäre kennzeichnen, auch wenn sie nur gelegentlich als solche benutzt werden [vgl. BGH NJW 2017, 1186, 1187 (Wohnwagen bzw. Wohnmobile, die zu Schlafzwecken genutzt werden, dienten Insassen zur Unterkunft und seien Wohnungen i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB). Siehe auch Sch/Sch-Eser/Bosch, § 244 Rn 30]. Etwaigen Unbilligkeiten kann hinreichend über § 244 III StGB begegnet werden.

Zu weit ginge es aber, bspw. leer stehende Wohnungen und reine Arbeitsräume, aber auch Flure und Kellerräume in Mehrparteienmietshäusern bzw. Wohnheimen in den Tat­bestand des § 244 I Nr. 3 StGB einzubeziehen, sofern hier (wie regelmäßig) eine klare Trennung zur Wohnung im eigentlichen Sinne besteht (siehe dazu ausdrücklich BGH StV 2016, 639). Bei „offenen Zubehörflächen“ wie Terrassen, Gärten, Gartenhäuschen und frei stehenden Garagen dürfte der Schutzzweck des § 244 I Nr. 3 StGB erst recht nicht greifen (vgl. BGH StV 2016, 639; BGH NStZ 2005, 631; OLG Schleswig NStZ 2000, 479, 480; AG Saalfeld NStZ-RR 2004, 141; Jäger, JA 2016, 872 f.; Lackner/Kühl, § 244 Rn 11; Fischer, § 244 Rn 24a; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn 290; Krey/Hellmann/Heinrich, BT II, Rn 197; MüKo-Schmitz, § 244 Rn 56). In diesen Fällen bietet § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB genügend Schutz. Zu den gemischt genutzten Gebäuden, d.h. Gebäuden, die teils der Wohnung, teils der Ausübung eines Gewerbes dienen, siehe sogleich.

Abgrenzung zu § 244 IV StGB: § 244 IV StGB erfasst dauerhaft genutzte Privatwohnungen. Gemäß der Gesetzesbegründung schützt § 244 IV StGB sowohl private Wohnungen oder Ein­familienhäuser als auch die dazu­gehörenden, von ihnen nicht getrennten weiteren Wohnbereiche wie Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume sowie Zweitwohnungen von Berufspendlern (BT-Drs. 18/12359, S. 10). In Abgrenzung zu § 244 I Nr. 3 StGB kommt es bei § 244 IV StGB sowohl auf die Privatnutzung als auch auf die Dauerhaftigkeit der Privatnutzung an. Nicht dauerhaft sind nur gelegentliche Wohnnutzungen. So wird man bspw. bei Hotelzimmern eine nur gelegentliche Wohnnutzung annehmen können, es sei denn, der Betreffende hat sich dauerhaft in ein Hotelzimmer „einquartiert“. Aber auch bei privaten Ferienwohnungen und Wohnwagen, die nur gelegentlich bewohnt werden, dürfte die Dauerhaftigkeit der Privatnutzung fehlen. Des Weiteren muss die Dauerhaftigkeit von einer nur vorübergehenden Nutzung abgegrenzt werden. Als nur vorübergehend wird man eine Wohnnutzung ansehen müssen, wenn sie von vornherein auf wenige Wochen oder Monate begrenzt ist. Möchte etwa ein Studierender ein Semester an einer anderen Hochschule studieren und mietet in deren Nähe für 4 Monate eine Ein-Zimmer-Wohnung in einem Studierendenwohnheim, muss allein aufgrund des natürlichen Sprachgebrauchs die Dauerhaftigkeit des Wohnzwecks in Frage gestellt werden. Unklarheiten dieser Art werfen mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das Schuldprinzip verfassungsrechtliche Bedenken auf. Der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG) ist tangiert, weil – wie aufgezeigt – der Begriff der Dauerhaftigkeit in Abgrenzung zum gelegentlichen bzw. vorübergehenden Wohnzweck alles andere als klar ist, Art. 103 II GG aber gerade die Normenklarheit fordert. Und das Schuldprinzip ist tangiert, weil der Gesetzgeber bei § 244 IV StGB die Möglichkeit eines minder schweren Falls ausdrücklich ausgenommen hat. Aufgrund seiner systematischen Stellung sowie ausweislich seines Wortlauts bezieht sich § 244 III StGB ausschließlich auf § 244 I StGB , nicht auch auf § 244 IV StGB . Erfasst § 244 IV StGB nach dem Willen des Gesetzgebers also auch Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume, ist der Täter stets wegen eines Verbrechens mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr strafbar, wenn er lediglich in eine dieser Räumlichkeiten einbricht, einsteigt oder eindringt. Im Hinblick auf Nebenräume, Keller, Treppen, Wasch- und Trockenräume hält die Regelung gleichwohl verfassungsrechtlichen Bedenken stand, wenn man berücksichtigt, dass ein Täter, der sich schon einmal in einem dieser Räume aufhält, i.d.R. jederzeit seinen Aktionsradius ausdehnen und in die eigentlichen Wohnräume vordringen könnte. Sozusagen stellt der Ge-setzgeber damit also die niedrigere Hemmschwelle, weiter in dem Gebäude vorzudringen, und mithin eine abstrakte Gefährlichkeit unter die Verbrechensstrafbarkeit des § 244 IV StGB . Die Neuregelung ist nach der hier vertretenen Auffassung daher jedenfalls insoweit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Schuldprinzip vereinbar. Diesbezügliche Bedenken bestehen aber hinsichtlich der tatbestandlichen Weite des Merkmals „dauerhaft“, da – wie aufgezeigt – Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf nur gelegentliche und vorübergehende Wohnnutzungen bestehen und damit insbesondere auch Wohnungen, bei denen der Wohnzweck (lediglich) mehrere Monate besteht, erfasst sein könnten. Allerdings sind den Strafgesetzen auch sonst unbestimmte Rechtsbegriffe nicht fremd. Denn soll es nicht zu unerwünschten Strafbarkeitslücken kommen, müssen sie eine gewisse Abstraktheit aufweisen. Man denke an die „große Zahl von Menschen“ in § 306b I, § 315d V oder § 263 III S. 2 Nr. 2 StGB , an den „Vermögensverlust großen Ausmaßes“ in § 263 III S. 2 Nr. 2 StGB oder an die „Steuerverkürzung in großem Ausmaß“ in § 370 III S. 2 Nr. 1 AO. Nicht minder großen verfassungsrechtlichen Bedenken sind die Beleidigung nach § 185 StGB und die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Untreuetatbestands nach § 266 StGB ausgesetzt. Solange sich die Konturen aber mit hinreichender Verlässlichkeit durch Auslegung ermitteln lassen und damit verfassungskonformer Auslegung zugänglich sind, halten die zweifelhaften Strafnormen den Anforderungen des Art. 103 II GG stand. Das gilt auch für § 244 IV StGB. 

Die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung ändert jedoch nichts an den Zweifeln, die schließlich hinsichtlich der Erforderlichkeit der Neuregelung bestehen. Denn auch nach alter Rechtslage konnten die Strafgerichte dem gesteigerten Schutzbedürfnis von Inhabern dauerhaft genutzter Privatwohnungen einerseits und dem gesteigerten Unrechtsgehalt der Tat andererseits hinreichend auf Strafzumessungsebene (6 Monate bis 10 Jahre!) Rechnung tragen. Die Neuregelung stellt letztlich nichts anderes dar als eine Antwort auf eine zu laxe Strafjustiz. Dann aber stellt sich die Frage, ob nicht eine schlichte Anhebung der Mindeststrafe für Wohnungseinbruchdiebstähle gem. § 244 I Nr. 3 StGB von 6 Monaten auf ein Jahr ebenso geeignet gewesen wäre. Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip wäre darin jedenfalls nicht zu sehen gewesen, da für minder schwere Fälle des § 244 I StGB ja die Vorschrift des § 244 III StGB greift. 

Von diesen Bedenken abgesehen, bedeutet § 244 IV StGB für die Praxis: Ein Täter, der das Risiko der Verwirklichung des Verbrechenstatbestands nicht eingehen möchte (etwa, weil er nicht abschätzen kann, ob das Ferienhaus oder der Wohnwagen, in das bzw. den er mit Diebstahlsabsicht einbricht, nicht doch dauerhaft als Privatwohnung dient), muss im Zweifel von der Tat Abstand nehmen.

Hinweis für die Fallbearbeitung: Aus den vorstehenden Ausführungen sollte das Stufenverhältnis zwischen § 244 IV, § 244 I Nr. 3 und § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB deutlich geworden sein. Liegen im Sachverhalt Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Objekt um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung handeln könnte, ist es nach der hier vertretenen Auffassung zwingend, die Prüfung am Maßstab des § 244 IV StGB zu beginnen. Steht nach der Prüfung fest, dass der Tatbestand des § 244 IV StGB verwirklicht ist, darf auf § 244 I Nr. 3 StGB (oder gar auf § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB) nicht mehr zurückgegriffen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Täter, der aus einem § 244 IV StGB unterfallenden Objekt stiehlt, irrtümlich davon ausging, (lediglich) § 244 I Nr. 3 StGB zu verwirklichen. In diesem Fall fehlt der für § 244 IV StGB erforderliche Tatbestandsvorsatz mit der Folge, dass § 244 IV StGB subjektiv nicht vorliegt (siehe § 16 I S. 1 StGB). Da der objektive Tatbestand des § 244 IV den des § 244 I Nr. 3 StGB inkludiert und sich der Tatbestandsvorsatz darauf bezog, ist der Täter nach § 244 I Nr. 3 StGB strafbar. Geht der Täter umgekehrt davon aus, bei dem Objekt handele es sich um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, obwohl es sich tatsächlich „nur“ um eine Wohnung i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB handelt, liegt ein Versuch des § 244 IV StGB vor, der in Tateinheit mit § 244 I Nr. 3 StGB steht.

Sonderproblem gemischt genutzte Gebäude: Unter gemischt genutzte Gebäude sind Gebäude zu verstehen, die teils Wohnungen, teils aber auch Geschäftsräume beinhalten. Diesbezüglich hat der BGH bereits vor etlichen Jahren entschieden, dass der Tatbestand des § 244 I Nr. 3 StGB unabhängig davon erfüllt sei, ob der Täter nach dem Eindringen in die Wohnung die Sache aus der Wohnung selbst oder dem angrenzenden Geschäftsraum wegnehme (BGH NJW 2001, 3203). Später hat er denn auch die umgekehrte Konstellation entschieden, also diejenige, in der der Täter in den vom Wohnbereich räumlich eindeutig abgegrenzten Geschäftsraum einbricht, von dort aus ohne Überwindung weiterer Hindernisse (etwa weil die Verbindungstür zur Wohnung nicht abgeschlossen ist) in den Wohnbereich vordringt und von dort Gegenstände mitnimmt. Diesbezüglich hat der BGH entschieden, dass diese Konstellation nicht unter § 244 I Nr. 3 StGB falle. Denn in diesem Fall breche der Täter nicht in eine Wohnung, sondern „nur“ in einen Geschäftsraum ein (BGH NStZ 2008, 514, 515). Damit legt der BGH den Wortlaut des § 244 I Nr. 3 StGB, der von einem Einbruch in die Wohnung spricht, eng aus, was mit Blick auf Art. 103 II GG grds. zu begrüßen ist, jedoch dann nicht überzeugt, wenn der Geschäftsraum aufgrund seiner konkreten Nutzung der Privatsphäre zuzuordnen ist. Im zu entscheidenden Fall konnte dies gleichwohl dahinstehen, weil der Täter nicht in die Wohnung, sondern in den räumlich abgegrenzten Geschäftsraum eingebrochen war, der nicht als Wohnraum genutzt wurde und daher auch nicht vom Schutzzweck des § 244 I Nr. 3 StGB erfasst war. Vielmehr war diese Situation gerade von § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB erfasst. Eine Vernachlässigung des Opferschutzes ist insoweit auch nicht gegeben, da immerhin ein besonders schwerer Fall i.S.v. § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB vorliegt. Sollte der Täter aufgrund mangelhafter Kenntnisse über die Eigenschaft des Gebäudes als gemischt genutztes Gebäude davon ausgegangen sein oder zumindest billigend in Kauf genommen haben, er werde in eine Wohnung einbrechen, liegt tateinheitlich dazu auch ein Versuch des § 244 I Nr. 3 StGB vor (vgl. § 244 II StGB). Generell liegt (lediglich) ein Versuch vor, wenn der Täter rechtsirrig da­von ausgeht, ein im konkreten Fall vom Wohnungsbegriff nicht umfasster Neben-, Geschäfts- oder Lagerraum sei der Wohnung zugeordnet. Umgekehrt fehlt es am Vorsatz in Bezug auf § 244 I Nr. 3 StGB, wenn der Täter den Zusammenhang des objektiv der Wohnung zuzurechnenden Neben-, Geschäfts- oder Lagerraums nicht kennt. In diesem Fall lebt dann § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB wieder auf.

Sollte der Täter aber in einen Geschäftsraum eindringen, der derart in die Wohnung in­tegriert ist, dass wertungsmäßig insgesamt eine in sich geschlossene Einheit vorliegt, ist es überzeugend, (stets) einen Fall des § 244 I Nr. 3 StGB (BGH NStZ 2013, 120 f.) bzw. des § 244 IV StGB anzunehmen.

Beispiel: T will IT-Geräte stehlen und bricht dazu von außen in das Arbeitszimmer des O ein, das in dessen Wohnhaus, in dem O dauerhaft lebt, integriert ist. Dazu hebelt er das Außenfenster auf und steigt in den Büroraum. Ohne auch noch in andere Räume vorzudringen, verlässt er das Gebäude, nachdem er Laptop und Smartphone an sich genommen hat.

Hier liegt ein Fall des § 244 IV StGB vor, obwohl T lediglich von außen gleich in einen Geschäftsraum eingedrungen ist. Die Rechtfertigung für die Annahme des § 244 IV StGB kann darin gesehen werden, dass es sich bei dem Büroraum (wie bei von der Privatwohnung nicht getrennten Nebenräumen, Kellern, Treppen, Wasch- und Trockenräumen) um einen Teil der dauerhaft genutzten Privatwohnung (und damit der durch § 244 IV StGB geschützten räumlichen Privat­sphäre) handelt, auch wenn O den betreffenden Raum lediglich geschäftlich nutzt.

Hinweis für die Fallbearbeitung:
Auch eine Wohnung i.S.d. § 244 I Nr. 3 StGB bzw. § 244 IV StGB ist regelmäßig ein Gebäude i.S.d. § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB, also ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Grund und Boden fest verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen ermöglicht und geeignet und bestimmt ist, dem Schutze von Menschen zu dienen, und Unbefugte abhalten soll (vgl. BGHSt 1, 158, 164; BGH NStZ 2005, 631; Sch/Sch-Eser/Bosch, § 243 Rn 7). Da § 243 StGB aber eine Strafzumessungsvorschrift zu § 242 StGB darstellt und § 242 StGB wiederum vom Qualifikationstatbestand des § 244 StGB verdrängt wird, braucht man das bei Wohnungseinbruchdiebstählen – vom Wortlaut her nach wie vor erfüllte – Regelbeispiel des § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB nach der hier vertretenen Auffassung nicht separat zu prüfen. Vielmehr genügt am Ende der Prüfung des § 244 I Nr. 3 bzw. des § 244 IV der Hinweis, dass der „ebenfalls verwirklichte Diebstahl im besonders schweren Fall gem. § 242 I i.V.m. § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB hinter den speziellen Tatbestand des § 244 I Nr. 3 StGB (bzw. des § 244 IV StGB) zurücktritt“ (für Spezialität des § 244 I Nr. 3 gegenüber § 242 i.V.m. § 243 I S. 2 Nr. 1 auch Achenbach, JuS 1999, L 41, 43, Fahl, NJW 2001, 1699, 1700 und Heintschel-Heinegg, JA 2008, 742, 743 Fußn. 1. Für Subsidiarität des § 243 I S. 2 Nr. 1 SK-Hoyer, § 243 Rn 15; Mitsch, ZStW 111 (1999), 65, 72). Zum Konkurrenzverhältnis zu §§ 123, 303 I StGB vgl. R. Schmidt, StrafR BT II, Rn. 179 ff.).

Als Tathandlungsmodalitäten werden bei § 244 I Nr. 3 StGB in Übereinstimmung zu § 243 I S. 2 Nr. 1 StGB vor allem das Einbrechen, das Einsteigen und das Eindringen mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen, nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug genannt, die in gleicher Weise auch für § 244 IV StGB gelten. Insoweit kann uneingeschränkt auf die Ausführungen bei R. Schmidt, StrafR BT II, Rn. 138 ff. verwiesen werden.

Der Versuch des § 244 I Nr. 3 StGB ist gem. § 244 II StGB strafbar, der des § 244 IV StGB wegen seines Verbrechenscharakters stets. Die Probleme eines „versuchten“ Regelbeispiels stellen sich bei § 244 I Nr. 3 StGB bzw. bei § 244 IV StGB also nicht. Würde man folglich in den bei R. Schmidt, StrafR BT II, Rn 156 ff. erörterten drei Konstellationen das Tatobjekt Museum durch das Tatobjekt Wohnung bzw. dauerhaft genutzte Privatwohnung ersetzen, wären in allen drei Konstellationen §§ 244 I Nr. 3, 22 StGB bzw. §§ 244 IV, 22 StGB zu bejahen; in der zweiten Konstellation träte noch tateinheitlich § 242 StGB hinzu.

In subjektiver Hinsicht muss bei § 244 I Nr. 3 StGB bzw. bei § 244 IV StGB der Täter Vorsatz zum einen in Bezug auf das Merkmal zur Ausführung der Tat und zum anderen in Bezug auf die Wohnungseigenschaft der Räumlichkeit bzw. die Eigenschaft als dauerhaft genutzte Privatwohnung haben. Geht der Täter, der zwecks Ausführung der Tat in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung einbricht, davon aus, es handele sich zwar um eine Privatwohnung, diese werde aber nur gelegentlich als Privatwohnung genutzt, kann der Vorsatz in Bezug auf § 244 IV StGB zu verneinen sein. In diesem Fall greift dann aber § 244 I Nr. 3 StGB, der auch einen vorübergehenden Wohnzweck genügen lässt.

Minder schwerer Fall: Gemäß § 244 III StGB nicht möglich (§ 244 III StGB bezieht sich nicht auf § 244 IV StGB).


R. Schmidt (22.7.2017)

 


Share by: