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Beiträge 2017


3.7.2017: Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare


Am 30.6.2017 hat der Deutsche Bundestag u.a. eine Änderung des § 1353 BGB beschlossen und den Zugang des Instituts der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren eröffnet. Ob diese Gesetzesänderung, die wohl noch im Sommer 2017 in Kraft treten soll, überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.

Verfassungsrechtliche Ausgangslage: Das Grundgesetz definiert den Begriff der Ehe nicht. In Anknüpfung an die christlich-abendländische Tradition und unter Zugrundelegung einer historischen Aus­legung des Art. 6 I GG (dazu R. Schmidt, FamR, 7. Aufl. 2017, Rn. 19 ff.) versteht die traditionellen Werten verpflichtete h.M. unter Ehe die rechtlich verbindliche Lebens­gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau (Heterosexu­alität und Mono­gamie) (So etwa BVerfGE 6, 55, 71 und mit Nachdruck Roth, in: MüKo, § 1353 Rn 1 ff.). Unter Zugrundelegung dieses Verständ­nisses ist also die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen nicht mög­lich. Bereits in sämtlichen Auflagen zum Familienrecht hat der Verfasser indes die Auffassung vertreten, dass es dem Gesetzgeber nicht nur freistünde, das Institut der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren zu öffnen, sondern dass die Öffnung unter dem Aspekt des Art. 3 I, III S. 1 GG sogar geboten sei. Es wurde vertreten, dass Art. 6 I GG, der seinem Wortlaut nach keine Verschiedengeschlechtlich­keit voraussetzt, dem nicht entgegenstünde, zumal der Schutzbereich des Art. 6 I GG stark normgeprägt sei, was bedeute, dass die Begriffe Ehe und Familie einer Ausgestal­tung durch den Gesetz­geber offen seien und die Grenzen lediglich in der Institutsgarantie des Art. 6 I GG und den Strukturprinzipien der Ehe, d.h. den die Ehe im Wesentlichen kennzeichnenden Prinzipien, zu finden seien. Ob zu diesen Strukturprinzipien die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner gehört (so noch ausdrücklich BVerfGE 105, 313, 345 (Lebenspartnerschaftsgesetz), hat der Verfasser verneint, und er hat vertreten, dass angesichts des gesellschaftlichen Wandels, der bei einer Verfassungsinterpretation nicht ignoriert werden darf (auf den Verfassungswandel abstellend mit der Folge, dass es zur Öffnung der Ehe auch für Gleichgeschlechtliche keiner Änderung des Art. 6 I GG bedarf, sondern dass der Gesetzgeber einfachgesetzlich die Ehe auch Gleichgeschlechtlichen ermöglichen dürfte, vgl. bereits R. Schmidt, Grundrechte, 16. Aufl. 2014, Rn 555 ff. und explizit R. Schmidt, FamR, 2. Aufl. 2014, Fußn. 15; auf den Verfassungswandel später auch abstellend Koschmieder, JA 2014, 566, 570 ff.), und der Gewähr­leistungen des Art. 3 I, III S. 1 GG die Versagung der Möglichkeit der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren abzulehnen sei (so (i.E.) auch Brosius-Gersdorf, NJW-Editorial 12/2013 und FamFR 2013, 169 ff.; scharf ablehnend Benedict, JZ 2013, 477, 486; Selder, DStR 2013, 1064, 1067; Gade/Thiele, DÖV 2013, 142, 150 f.; Hillgruber, JZ 2010, 41, 41; Krings, NVwZ 2011, 26, 26; Hofmann, JuS 2014, 617, 620.). Auch der EGMR ist der Auf­fassung, dass das in Art. 12 EMRK garan­tierte Recht, eine Ehe einzugehen, nicht auf verschiedengeschlechtliche Menschen be­schränkt sei. Aller­dings hat er auch betont, dass die Entscheidung, ob die gleichgeschlecht­liche Ehe ge­stattet werden solle, „zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Recht der Kon­ventions­staaten überlassen“ bleibe (EGMR NJW 2011, 1421 ff.). „Rückendeckung“ war vom EGMR also nicht zu erwarten.

Im Sinne der hier schon immer vertretenen Auffassung hat nunmehr der Bundes­tag in seiner Sitzung v. 30.6.2017 durch Änderung u.a. des § 1353 I S. 1 BGB beschlossen, dass das Institut der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren offensteht (siehe auch BT-Drs. 18/6665 S. 5 ff.). Mit Inkraft­treten der Neuregelung voraussichtlich im Herbst 2017 kommt es bei der Begründung der Ehe also nicht mehr auf die Geschlechtsverschiedenheit an.

Ob aber die Neuregelung verfassungsgemäß ist, wird angesichts der vom BVerfG vorgenommenen Interpretation der Ehe bisweilen bezweifelt. Denn - wie aufgezeigt - zählt das BVerfG die Verschiedengeschlechtlichkeit zu den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien einer Ehe. Es begründet das Erfordernis der Verschiedengeschlechtlichkeit mit der „idealtypischen Funktion der Ehe“, der Mög­lichkeit zur Gründung einer Familie, die auf natürliche Weise aus biologischen Gründen nur verschiedengeschlechtlichen Paaren gegeben sei. Die Ehe sei „von Natur aus“ auf die potentiell aus ihr hervorgehende Familie und die Fähigkeit, Nachkommen zu zeu­gen, ausgerichtet und gelte als „Keimzelle einer jeden menschlichen Gemeinschaft“ (BVerfGE 6, 55, 71). Die Erzeugung von Nachkommen und die Familiengründung seien geradezu der Zweck sowie die „natürliche Folge“ einer Ehe (vgl. Uhle, in: Epping/Hillgruber, Art. 6 Rn. 4; Gade/Thiele, DÖV 2013, 142, 143 f.; Kreß, ZRP 2012, 234, 235). Die Ver­schiedengeschlechtlichkeit gehöre daher zu den unveränderlichen „Strukturprinzipien“ einer Ehe und sei somit mit Blick auf die Institutsgarantie des Art. 6 I GG unantastbar (BVerfGE 105, 313, 345. Vgl. auch BVerfG NJW 1993, 3058; BVerwG NVwZ 1997, 189, 190; Pieroth/Kingreen, KritV 2002, 219, 239; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 394).

Unter Zugrundelegung dieses Eheverständnisses ist eine Ehe unter Gleichgeschlecht­lichen in der Tat ausgeschlossen. Das überzeugt nicht. Denn wie schon in der 16. Auflage aufgezeigt, steht außer Zweifel, dass das Institut der Ehe auch zeugungsunfähigen Personen offensteht, solange sie nur verschiedengeschlechtlich sind, obwohl die „idealtypische Funktion der Ehe“ – die Möglichkeit, Nachkommen zu zeugen und eine Familie zu gründen – hier ganz offensichtlich ebenso wenig erreicht werden kann wie bei gleich­geschlechtlichen Paaren. Es wäre aber absurd, zeugungsunfähigen Menschen das Institut der Ehe zu verschließen. Auch die Berufung auf die „Strukturprinzipien“ der Ehe überzeugt nicht, da die „Verschiedengeschlechtlichkeit“ verfassungstextlich nicht als „unveränderliches Strukturprinzip“ festgeschrieben, sondern lediglich einer von einer bürgerlichen Tradition geleiteten Verfassungsinterpretation entsprungen ist, die jedoch (und das wird vom BVerfG insoweit unberücksichtigt gelassen) gerade aufgrund der Gestaltungsoffenheit und der Normgeprägtheit des Art. 6 I GG einem Bedeutungswandel unterworfen ist (auf den Verfassungswandel abstellend bereits R. Schmidt, Grundrechte, 16. Auflage 2014, Rn. 555 ff. und explizit R. Schmidt, FamR, 2. Aufl. 2014, Fußn. 15; später auch Koschmieder, JA 2014, 566, 570 ff.). Gerade Gestaltungsoffenheit und Normgeprägtheit des Art. 6 I GG führen dazu, den Begriff der Ehe unter Berücksichtigung moderner gesellschaftlicher An­schauungen zu interpretieren, ohne den Verfassungstext ändern zu müssen. Der Um­stand, dass eine Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts in vielen anderen (ebenfalls „christlich geprägten“) Staaten (vgl. etwa Island, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Dänemark, Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal) zulässig ist, stellt einen starken Indikator für ein sich wandelndes gesellschaftliches Selbstverständnis dar, was die in Deutschland (bislang) vorhandenen (Verfassungs-)Vorbehal­te als un­be­gründet erscheinen lässt (auch das in Art. 12 EMRK garantierte Recht, eine Ehe einzugehen, ist nicht auf verschiedengeschlechtliche Personen beschränkt, wie der EGMR festgestellt hat, wenngleich sich der EGMR in Zurückhaltung geübt hat, indem er formuliert, dass die Entscheidung, ob die gleichgeschlechtliche Ehe gestattet werden solle, „zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Recht der Konventionsstaaten überlassen bleibt“ (EGMR NJW 2011, 1421 ff.). Den weiten Ermessensspielraum der Konventionsstaaten bei der Regelung familienrechtlicher Strukturen betont der EGMR auch in NJW 2014, 2015 f.). Schließlich greifen die teilweise angeführten Ar­gumente, der historische Gesetzgeber sei ganz selbstverständlich von der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner ausgegangen und habe diese zur Grundlage seines Eheverständnisses gemacht (so Uhle, in: BeckOK, GG, Art. 6 Rn. 4), schon deshalb nicht, weil es in der Debatte im Parlamentarischen Rat primär um die Frage ging, generell den Schutz von Ehe und Familie in das Grundgesetz aufzunehmen (Leibholz/v. Mangoldt, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge Bd. 1, 1951, S. 93-99). Der zunächst vom Grundsatzausschuss gebilligte Wortlaut: „Die Ehe ist die rechtmäßige Form der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ (Leibholz/v. Mangoldt, a.a.O., S. 98) wurde später vom Hauptausschuss ausdrücklich nicht angenommen. Dort ver­ständigte man sich vielmehr auf die Fassung: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ (Leibholz/v. Mangoldt, a.a.O., S. 99). Einen Willen des historischen Gesetzgebers, eine Ehe könne nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden, hätte man da­her jedenfalls dann annehmen können, wenn er den vom Grundsatzausschuss gebilligten Textentwurf übernommen hätte. Indem er diesen aber gerade nicht übernommen, sondern sich für eine offene Formulierung in Art. 6 I GG entschieden hat, kann dem Willen des historischen Gesetzgebers also gerade nicht entnommen werden, dass er ei­nen Verfassungs- bzw. Bedeutungswandel des Ehebegriffs für alle Zeiten ausschließen wollte. 

Der einfache Gesetzgeber war daher frei, nicht mehr auf der bürgerlichen Zwängen und Traditionen unterworfenen Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner zu beharren, sondern sich offen zu zeigen für moderne gesellschaftliche Strukturen unter Berücksichtigung der Gestaltungsoffenheit und der Normgeprägtheit des Art. 6 I GG und des da­durch ermöglichten aufgezeigten Verfassungswandels (im Ergebnis auch Brosius-Gersdorf, NJW-Editorial 12/2013 und FamFR 2013, 169 ff.; Koschmieder, JA 2014, 566, 570 ff.; scharf ablehnend Benedict, JZ 2013, 477, 486; Selder, DStR 2013, 1064, 1067; Gade/Thiele, DÖV 2013, 142, 150 f.; Hillgruber, JZ 2010, 41, 41; Krings, NVwZ 2011, 26, 26; Hofmann, JuS 2014, 617, 620). Im Sinne der hier (seit R. Schmidt, Grundrechte, 16. Auf­lage) vertretenen Auffassung hat nunmehr der Bun­des­tag in Wahrnehmung der Normgeprägtheit und der Gestaltungsoffenheit des Art. 6 I GG u.a. § 1353 I S. 1 BGB geändert und das Institut der Ehe auch gleichgeschlecht­lichen Paaren geöffnet. Mit Inkraft­treten der Neu­regelung vermutlich im Herbst 2017 kommt es bei der Begründung der Ehe also nicht mehr auf die Geschlechtsverschiedenheit an. Teilweise wird dies trotz der Offenheit des Art. 6 I GG für eine Gestaltung durch den Gesetzgeber für verfassungswidrig erachtet (so auf politischer Ebene von Teilen der CDU/CSU-Fraktion und der AfD). Wie aber bereits aufgezeigt, fordern die Strukturprinzipien der Ehe keine Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner. Sollte dennoch das BVerfG darüber entschei­den müssen, bleibt zu hoffen, dass das Gericht seine Rechtsprechung zur Normgeprägtheit und Gestaltungsoffenheit des Art. 6 I GG sowie zur materiell-rechtlichen Gleich­stellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft zum An­lass nimmt, seine Linie fortzuführen und § 1353 I S. 1 BGB n.F. für mit Art. 6 I GG ver­ein­bar zu erklären.

So hat das BVerfG Verstöße gegen Art. 3 I, III S. 1 GG unter dem Aspekt der mittelbaren Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung festgestellt hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Ehe und ein­getragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (BVerfGE 126, 400, 415 ff. Vgl. dazu auch Tölle, NJW 2011, 2165 ff.), hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung im Beamtenrecht (BVerwG NVwZ 2011, 499. Hinsichtlich des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vgl. EGMR NVwZ 2011, 31), hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Gewährung von Familienzuschlag im Beamtenrecht (BVerfGE 131, 239, 255 ff. Vgl. auch OVG Münster NVwZ 2014, 1534 ff.) und hinsichtlich der (ehemaligen) Ungleichbehandlung von Ehe und Lebens­partnerschaft im Grunderwerbsteuerrecht nach § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. (BVerfGE 132, 179, 193 ff.) (jeweils eine am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG zu messende Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung). Schließlich hat das BVerfG die unterschiedliche Behandlung im Einkommensteuerrecht beanstandet (BVerfGE 133, 377, 407 ff.), was zur Anwendung des sog. Ehesplittingtarifs auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft geführt hat (Gesetz v. 15.7.2013, BGBl I S. 2397 (steuerliche Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften): Einfügung eines § 2 VIII EStG, wonach die Regelungen des EStG zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind). Mittlerweile hat der Gesetzgeber eine vollständige Gleichbehandlung in sämtlichen steuerlichen Belangen vorgenommen (vgl. zuletzt das Gesetz v. 18.7.2014 (BGBl I S. 1042: Anpassung von Abgabenordnung und Bundeskindergeldgesetz)).

Schließlich ist im Adoptionsrecht infolge eines Urteils des BVerfG (BVerfGE 133, 59, 73 ff. - Verfassungswidrigkeit der Nichtzulassung der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner - dazu R. Schmidt, Familienrecht, 7. Aufl. 2017, unten Rn. 599) die Möglichkeit der Sukzessiv­adoption durch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gesetzlich ein­geführt worden (Gesetz v. 20.6.2014 - BGBl I S. 786; dazu. R. Schmidt, Familienrecht, 7. Aufl. 2017, Rn. 599). Auch im Übrigen macht das BVerfG deutlich, dass es der biologischen Elternschaft gegenüber der sozial-familiären keinen generellen Vorrang einräumt (R. Schmidt, Familienrecht, 7. Aufl. 2017, Rn. 466 ff./591 ff.).

Und im Transsexuellenrecht ist aufgrund eines Urteils des BVerfG (BVerfGE 121, 175, 189 ff.) § 8 I Nr. 2 Trans­sexuellengesetz, der die Änderung des Personenstands bei einem verheirateten Transsexuellen nur zuließ, wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen, aufgehoben worden.

Insgesamt ist damit eine gewisse Tendenz zu erkennen, dass sich auch das BVerfG - sollte es über § 1353 I BGB zu entscheiden haben - modernen familiären Gesellschaftsstrukturen nicht verschließt. Es darf daher die Prognose gewagt werden, dass das BVerfG seine bisherige Interpretation der Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau zugunsten einer Lebensgemeinschaft ohne Rücksicht auf die Geschlechtszugehörigkeit ändert, bei der allein entscheidend ist, dass die Partner einander Fürsorge und Verantwortung tragen.

Auch nach Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts am 30.6.2017 bleibt es bei der Wirksamkeit der Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG. Die Lebenspartner haben gem. § 20a LPartG aber die Möglichkeit, vor dem Standesamt ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Die Umwandlung erfolgt nach Maßgabe des § 17a PStG. Die Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG ist hingegen – wie sich unmittelbar aus Art. 3 III des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts ergibt – nicht mehr möglich.

Bleibt die Frage zu beantworten, welche abstammungsrechtlichen Auswirkungen das am 30.6.2017 beschlossene Gesetz zur Ein­führung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts und der damit verbundenen Neufassung des § 1353 I S. 1 BGB, wonach eine Ehe auch zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts geschlossen werden kann, auf eine etwaige Elternschaft haben kann. Handelt es sich bei den Ehepartnern um zwei Frauen und gebärt eine der beiden Frauen (durch natürliche oder künstliche Befruchtung) ein Kind, stellt sich die Frage nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zur Ehepartnerin der Mutter. § 1592 (Nr. 1) BGB greift nicht, da die Vorschrift allein die Vaterschaft regelt. Zu denken wäre an eine Adoption, wobei aber weder eine Einzeladoption noch eine Stiefkind- oder Sukzessivadoption in Betracht kommen: Während eine Einzeladoption nur unverheirateten Personen möglich ist (§ 1741 II S. 1 BGB), muss für eine Stiefkindadoption der andere Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Ehe­schlie­ßung leib­licher Vater/leibliche Mutter eines Kindes sein, das dann der adoptiv­willige Ehegatte an­nehmen kann (§§ 1741 II S. 3, 1749 I S. 1 BGB – dazu Rn 597). Die Annahme eines nach der Eheschließung geborenen Kindes ist also nicht möglich. Aber auch eine Sukzessivadoption scheidet aus: Zum einen betrifft sie nur den Fall, dass der Ehegatte das bereits zuvor vom anderen Ehegatten adoptierte Kind annimmt, und zum anderen muss das vom anderen Ehegatten adoptierte Kind bereits vor der Eheschließung angenommen worden sein (§ 1742 BGB – dazu ebenfalls Rn 597). Nichts von dem trifft auf die vorliegende Konstellation zu. Liefert also das geschriebene Recht keine Möglichkeit der Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen der Ehefrau der Kindesmutter und deren während der Ehe geborenem Kind, wäre an eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB zu denken. Dazu müssten jedoch die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Diese sind:

- Bestehen einer Regelungslücke (d.h. einer Unvollständigkeit im Gesetz),
- Bestehen einer Interessenlage, die es gebietet, die Lücke bzw. Unvollständigkeit i.S. der vorhandenen Regelung zu schließen (Interessengleichheit),
- Planwidrigkeit der Regelungslücke (d.h. einer versehentlichen Unvollständigkeit im Gesetz) (vgl. dazu auch BGHZ 105, 140, 143; 120, 239, 251 f.; 149, 165, 174; BGH NJW 2003, 1932, 1933; NJW 2016, 2502, 2503; ferner Koch, NJW 2016, 2461, 2463; Kuhn, JuS 2016, 104. Siehe auch R. Schmidt, BGB AT, Rn. 40).

Eine Regelungslücke besteht. Auch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 30.6.2017 hat die vorliegende Konstellation nicht erfasst. Auch am Vorhandensein einer Interessenlage, die es gebietet, die Lücke bzw. Unvollständigkeit i.S. der vorhandenen Regelung (hier: § 1592 Nr. 1 BGB) zu schließen, besteht nach der hier vertretenen Meinung kein Zweifel. Denn lässt man die Ehe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts (hier: zwei Frauen) zu und gebärt eine der beiden Frauen während der Ehe ein Kind, gebieten es sowohl die Interessen der Ehepartner als auch die des Kindes, dass eine juristische Elternschaft zu beiden Elternteilen besteht. Schließlich ist die vorhandene Regelungslücke auch planwidrig. Insbesondere ergeben sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6665, S. 7 ff.) keine Hinweise darauf, dass dem Gesetzgeber die Auswirkungen auf die vorliegende Konstellation (generell in Abstammungsfragen) bewusst waren. Jedenfalls ist kein plangemäßes Unterlassen (d.h. kein absichtsvoller Regelungsverzicht) erkennbar. Fazit: Liegen damit die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB vor, wird die mit der Kindsmutter verheiratete Frau zum Zeitpunkt der Geburt juristische Mutter. Terminologisch kann man (in Anlehnung an das norwegische Recht) von „Mitmutter“ sprechen (zur diesbezüglichen Rechtslage in Norwegen vgl. Fritze, in: Rieck, Ausländisches Familienrecht, Rn 11 ff.). Von der Zulässigkeit (und Gebotenheit) einer analogen Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB abgesehen, ist selbstverständlich der Gesetzgeber gefordert, das Versäumnis einer gesetzlichen Regelung auszugleichen und eine entsprechende Regelung nachzuholen. Diese könnte etwa durch eine Änderung des § 1591 BGB erfolgen und lauten:

§ 1591 Mutterschaft


Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Mutter eines Kindes ist auch die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.

Freilich wären damit noch nicht die Probleme gelöst, die etwa entstehen könnten, wenn die Ehe, die zur Begründung des rechtlichen Verwandtschaftsverhältnisses geführt hat, für unwirksam erklärt (dazu R. Schmidt, FamR, 7. Aufl. 2017, Rn. 54 f.) oder aufgehoben (dazu R. Schmidt, FamR, 7. Aufl. 2017, Rn. 56 ff.) würde. Hier stellte sich die Frage nach dem Einfluss auf das rechtliche Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und der Ex-Ehefrau der Kindsmutter. Auf der Grundlage der gegenwärtigen Gesetzeslage (konkret: im Fall der juristischen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB) bestehende Regelungen, die herangezogen werden könnten, lassen sich nicht finden. Denn ist im Fall der juristischen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratete Mann nicht der biologische Vater, kann dieser bereits die Vaterschaft anfechten (§ 1600 I Nr. 1 BGB). Auf die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen, wenn die die Verwandtschaft begründende Ehe nichtig ist oder aufgehoben wurde, kommt es hier also nicht an. Aus Gründen des Kindeswohls wird man die sich bei Ehen unter Frauen möglicherweise stellende Problematik aber ähnlich wie bei einer mit Einwilligung des Ehemanns erfolgten heterologen Insemination lösen müssen: Gemäß § 1600 V BGB kann die Vater­schaft weder durch den Mann noch durch die Mutter angefochten werden, wenn das Kind mit Einwilli­gung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samen­spende eines Dritten gezeugt worden ist (siehe dazu R. Schmidt, FamR, 7. Aufl. 2017, Rn. 480). Das Gesetz will damit also verhindern, dass die durch die Zustimmung zur hete­rologen Insemination über­nommene Verantwortung für das Kind durch Anfechtung auf­ge­hoben werden kann. Die gleiche Regelung böte sich bei der „Mit­mutterschaft“ (etwa durch Änderung des § 1600 V BGB) an:

§ 1600 Anfechtungsberechtigte; Ausschluss der Anfechtung

(5) Ist das Kind mit Einwilligung des Ehemannes und der Mutter durch künstliche Befruch­tung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann oder die Mutter ausgeschlossen. Die Anfechtung einer Mitmutterschaft ist ausgeschlossen, wenn das Kind mit Einwilligung der Ehefrau und der Mutter durch künstliche Be­fruchtung gezeugt worden ist.

Ist das Kind also mit Einwilli­gung der Ehefrau der Kindsmutter durch künstliche Be­fruchtung gezeugt worden, ist ein Anfechtungsrecht der Ehefrau der Kindsmutter aus­ge­schlossen. Sie gilt weiterhin als juristische Mutter, und zwar auch dann, wenn die Ehe nachträglich für nichtig erklärt bzw. aufgehoben oder schlicht geschieden wurde. Wurde das Kind indes ohne Zustimmung der Ehefrau der Kindsmutter gezeugt, wird man der Ehefrau das gleiche Anfechtungsrecht zubilligen müssen, wie es jetzt schon dem juristischen Vater gem. § 1600 I Nr. 1 BGB (wegen § 1592 Nr. 2 BGB) zusteht.  

R. Schmidt (3.7.2017)

 


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