Aktuelles 2020 Namensfuehrung der Kinder nach der Scheidung

Beiträge 2020


05.08.2020: Namensführung der Kinder nach der Scheidung – hier: Einbenennung (§ 1618 BGB)



OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.11.2019 – 3 UF 145/19, OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.12.2019 – 1 UF 140/19, und OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2020 – 2 WF 14/20 


In den drei hier besprochenen OLG-Beschlüssen ging es zum einen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gemeinsames Kind nach der Scheidung den Nachnamen des Elternteils bekommen kann, bei dem es nach der Scheidung lebt, obwohl es während der Ehe den Namen des anderen Elternteils getragen hat (sog.
Einbenennung, § 1618 BGB), und zum anderen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Weigerung der Zustimmung des früheren Ehegatten zur Einbenennung durch familiengerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann. Zwar lässt § 1618 S. 4 BGB die gerichtliche Ersetzung zu, „wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist“, zu klären galt es aber, wie eng oder weit der Begriff der Erforderlichkeit zu verstehen ist. Während das OLG Oldenburg und das OLG Hamm unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH den Begriff der Erforderlichkeit eng auslegen und eine Kindeswohlgefährdung verlangen, damit die Einbenennungsentscheidung rechtmäßig ist, legt das OLG Frankfurt den Begriff der Erforderlichkeit weit aus und lässt es für die Zulässigkeit der Einbenennung genügen, wenn „die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint“. Welche Auffassung überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.



I. Sachverhalte (leicht verändert)

Gemäß den auf den Internetseiten der Gerichte veröffentlichten Sachverhaltsangaben liegen der folgenden Darstellung folgende Sachverhalte zugrunde, die, um die Probleme zu fokussieren, vom Verfasser teilweise leicht verändert wurden: 



Sachverhalt OLG Oldenburg: Ein siebenjähriger Junge war nach der Trennung der unverheirateten Eltern zunächst bei der Mutter geblieben. Er trug auch den Nachnamen der Mutter. Später wechselte er zum Vater. Er lebt jetzt mit seinem Vater und dessen neuer Ehefrau in einem Haushalt. Der Vater wollte, dass das Kind seinen Nachnamen annehme, weil dies u.a. in der Schule einfacher sei. Das Kind identifiziere sich auch mit dem väterlichen Namen. Die Mutter war damit nicht einverstanden und verweigerte die Zustimmung zur Einbenennung, worauf der Vater Klage auf Einbenennung erhob. Das OLG Oldenburg bestätigte die erstinstanzliche familiengerichtliche Entscheidung und ersetzte die Zustimmung der Mutter nicht, da die Voraussetzungen für eine Einbenennung nicht vorlägen.



Sachverhalt OLG Frankfurt: Die Ehe der Eltern wurde vor rund 8 Jahren geschieden. Der Vater hat seit ca. 4 Jahren keine Umgangskontakte mit der Tochter mehr. Die Mutter ist inzwischen neu verheiratet. Sie trägt den Namen des zweiten Ehemannes als Familiennamen ebenso wie ihre in dieser Ehe geborene weitere Tochter. Die Mutter möchte, dass ihre erste Tochter ebenfalls diesen Familiennamen trägt. Da der Vater seine Einwilligung verweigerte, beantragte sie vor dem Familiengericht die Ersetzung seiner Einwilligung in die Einbenennung, was das Familiengericht ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung des Vaters seien erfüllt. Die Namensänderung sei hier zum Wohl des Kindes erforderlich.



Sachverhalt OLG Hamm: Im Zuge der Scheidung der Eltern wurde die elterliche Sorge für das aus der Ehe hervorgegangene Kind der Mutter zur alleinigen Ausübung übertragen. Umgangskontakte zwischen dem heute 12 Jahre alten Kind und dem Kindesvater finden seit ca. 1 Jahr nicht mehr statt. Nunmehr hat die Mutter erneut geheiratet und nahm den Nachnamen ihres neuen Ehemannes (L) an. Aus ihrer Ehe mit Herrn L ist zwischenzeitlich eine Tochter hervorgegangen. Vor diesem Hintergrund wünschen Herr und Frau L sowie das Kind aus erster Ehe die Einbenennung. Der Kindsvater befinde sich aufgrund seiner Drogenabhängigkeit – nach wie vor – in einem Methadonprogramm, wechsele häufig seinen Wohnsitz und übe den Umgang mit dem Kind nicht verantwortungsbewusst aus. Bspw. habe er dem Kind ein Messer gekauft und es mit einem elektrischen Bogen schießen lassen. Einen Nachweis, dass er keine Drogen mehr konsumiere, habe er zu keinem Zeitpunkt erbracht, weshalb die Umgangsregelung auch nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Der Kindsvater beanspruche seitdem auch keine Umgangskontakte mehr. Geschenke habe er dem Kind ebenfalls nie gemacht. Auch Kindesunterhalt zahle er nicht. Auch äußere das Kind den Wunsch, den gleichen Namen zu tragen wie seine Mutter. Es verstehe nicht, warum es einen anderen Nachnamen tragen solle als seine Mutter, sein Stiefvater und seine Halbschwester. Aufgrund der Namensverschiedenheit habe es auch Hänseleien durch Mitschüler gegeben. Es wolle nicht mehr mit seinem leiblichen Vater in Verbindung gebracht werden, sondern „ganz“ zur Familie L gehören. Die Änderung des Familiennamens sei für das Wohl des Kindes daher erforderlich. Da der Vater seine Einwilligung zur Einbenennung verweigerte, beantragte Frau L vor dem Familiengericht die Ersetzung von dessen Einwilligung, was das Familiengericht ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG ebenfalls keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung des Vaters seien nicht erfüllt. Die Namensänderung sei zum Wohl des Kindes nicht erforderlich.



II. Rechtliche Ausgangslage

Das Namensrecht von Kindern ist insbesondere im 4. Buch des BGB, dem Familienrecht, geregelt. Hinsichtlich der Frage nach der Namensgebung des Kindes nach seiner Geburt enthält das Gesetz in §§ 1616, 1617 BGB Regelungen (dazu R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 87). Eine sich hieran anschließende Frage ist, ob – bei einer Veränderung in den familienrechtlichen Beziehungen – der Familienname des Kindes geändert werden kann. Virulent wird diese Frage insbesondere dann, wenn derjenige Elternteil, der das Sorgerecht innehat oder über das Aufenthaltsbestimmungsrecht verfügt (bei dem also das Kind lebt), entweder seinen Geburtsnamen wieder annimmt oder erneut heiratet und den Namen des neuen Ehepartners annimmt mit der Folge, dass (auch) das Kind den (neuen) Familiennamen tragen soll. Es ist zu unterscheiden (siehe R. Schmidt, Familienrecht, 10. Auflage 2018, Rn. 441a):

 

1. Namensänderung des Kindes, wenn ein Elternteil seinen Geburtsnamen wieder an­nimmt

Ändert der Ehegatte, der das alleinige Sorgerecht innehat und bei dem das Kind lebt, nach der Scheidung seinen Familiennamen dergestalt, dass er seinen Geburtsnamen wieder annimmt (was gem. § 1355 V S. 2 BGB ohne weiteres zulässig ist), ist eine Namensänderung des gemeinsamen, bei ihm lebenden Kindes in den Geburtsnamen des betreuenden Elternteils generell möglich. Denn in diesem Fall greift die Regelung des § 1617c I S. 1, II Nr. 1 BGB, wonach der neue Familienname (hier: Geburtsname des geschiedenen Ehegatten) auf das Kind übertragen werden kann. Ist das Kind zum Zeitpunkt der Namensänderung allerdings mindestens 5 Jahre alt, erstreckt sich der neue Familienname nur dann auf den Geburts­namen des Kindes, wenn es sich der Namensgebung anschließt, § 1617c I S. 1, II Nr. 1 BGB.



Sofern beide Elternteile aber nach wie vor die gemeinsame Sorge ausüben, steht die Namensänderung des Kindes unter Zustimmungsvorbehalt des anderen Elternteils, § 1617c I, II BGB. Eine Ersetzung der Zustimmung durch das Familiengericht ist – anders als bei der Konstellation, die den drei OLG-Beschlüssen zugrunde liegt – nicht vorgesehen. Die Zustimmung des anderen Elternteils zur Namensänderung ist also konstitutiv.



2. Namensänderung bei Wiederheirat des Elternteils, bei dem das Kind lebt

Schließt ein geschiedener Ehegatte, der das alleinige Sorgerecht ausübt, erneut eine Ehe und nimmt den Namen des neuen Ehegatten an (was gem. § 1355 I S. 1 und 2 BGB zulässig ist), ist eine Namensänderung des Kindes in den neuen Familiennamen des betreuenden Elternteils generell möglich, wenn dieser das alleinige Sorgerecht ausübt. In diesem Fall kann gem. § 1618 BGB der neue Familienname auf das Kind übertragen werden (sog. Einbenennung). Ist das Kind zum Zeitpunkt der Namensänderung mindestens 5 Jahre alt, erstreckt sich der neue Familienname nur dann auf den Geburtsnamen des Kindes, wenn es sich der Namensgebung anschließt, § 1617c I S. 1, II Nr. 1 BGB.



Schließt ein geschiedener Ehegatte, der mit dem anderen Elternteil das gemeinsame Sorgerecht innehat, erneut eine Ehe und nimmt den Namen des neuen Ehegatten an, ist eine Einbenennung möglich gem. § 1618 S. 1 BGB i.V.m. § 1617c III BGB, sofern gem. § 1618 S. 3 BGB der anderer Elternteil zustimmt. Ist das Kind zum Zeitpunkt der Namensänderung mind. 5 Jahre alt, greift zusätzlich der Zustimmungsvorbehalt gem. § 1618 S. 3 BGB i.V.m. § 1617c I S. 1, II Nr. 1 BGB. Verweigert der zustimmungsberechtigte andere Elternteil seine Zustimmung (bzw. Einwilligung), kann das Familiengericht die Einwilligung ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1618 S. 4 BGB.



Die hier besprochenen OLG-Beschlüsse haben diese zuletzt genannte Konstellation zum Gegenstand.

Maßgeblich kommt es darauf an, wie der Begriff der Erforderlichkeit auszulegen ist.



III. Erforderlichkeit der Einbenennung bei gerichtlicher Ersetzungsentscheidung

Verweigert der andere, ebenfalls sorgeberechtigte Elternteil seine Zustimmung zur Einbenennung, ist diese wegen § 1618 S. 3 BGB grundsätzlich nicht möglich. Ausnahmsweise ist die Einbenennung aber auch ohne die Zustimmung des anderen Elternteils möglich, und zwar gem. § 1618 S. 4 Halbs. 1 BGB durch gerichtliche Ersetzung der Zustimmung, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1618 S. 4 Halbs. 2 BGB). Der BGH legt den Begriff der Erforderlichkeit eng aus und stellt hohe Anforderungen an die gerichtliche Ersetzungsentscheidung. Es müssten konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährdeten; die Einbenennung müsse unerlässlich (so BGH 30.01.2002 – XII ZB 94/00, FamR 2002, 1331, und BGH 10.03.2005 – XII ZB 153/03, NJW 2005, 1779, 1780) bzw. für das Kindeswohl „unabdingbar notwendig“ (so BGH 24.10.2001 – XII ZB 88/99, FamRZ 2002, 94, 95) sein, um Schäden von dem Kind abzuwenden. Nur dann könne die Zustimmung des sich weigernden Elternteils ersetzt werden.    



Von den Instanzgerichten wird diese enge Auslegung teil­weise getragen. So hat das OLG Oldenburg entschieden, dass bei Versagung der Einbenennung konkrete Schäden für das Kind drohen müssen, etwa dass das Kind durch die Namensdifferenz außerordentlich psychisch belastet wäre (OLG Oldenburg 12.11.2019 – 3 UF 145/19). Nur dann sei eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung mit dem Elternrecht des anderen Elternteils vereinbar. Eine Einbenennung scheide daher grundsätzlich aus, wenn zwischen dem Kind und dem Elternteil, dessen Zustimmung ersetzt werden soll, (nach wie vor) eine tragfähige Beziehung bestehe (OLG Oldenburg 12.11.2019 – 3 UF 145/19). Auch das OLG Hamm ist dieser Ansicht. Eine Einbenennung könne nicht schon dann als erforderlich angesehen werden, wenn die Beseitigung der Namensverschiedenheit innerhalb der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheine. Vielmehr sei stets zu prüfen, ob die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig sei. Es müssten mithin konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährdeten, sodass die Einbenennung daher unerlässlich sei, um Schäden von dem Kind abzuwenden (OLG Hamm mit Verweis u.a. auf BGH FamRZ 2002, 1331).



Diese enge Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit erscheint auf den ersten Blick plausibel, wenn man bedenkt, dass die Einbenennung keinen unerheblichen Eingriff in das Elternrecht (Art. 6 II GG) darstellt. Andererseits sind bei der Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit auch das Elternrecht des die Einbenennung begehrenden Elternteils aus Art. 6 II GG und das Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG zu beachten. Das führt ggf. zu einer Absenkung der an eine Einbenennung zu stellenden Anforderungen. So wird von einem anderen Teil der Instanzgerichte (hier: OLG Frankfurt) die Auffassung vertreten, dass eine Ersetzung nicht erst in Betracht komme, wenn konkrete Umstände für eine Kindeswohlgefährdung vorlägen (OLG Frankfurt 18.12.2019 –1 UF 140/19, FamRZ 2020, 591, 592 f.). Vielmehr sei die Ersetzung bereits dann erforderlich, wenn „die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint“. Das sei etwa der Fall, wenn das Kind seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zum anderen Elternteil habe und selbst auch ausdrücklich eine Namensänderung wünsche. Zudem müsse in die Abwägung einfließen, ob das Kind durch die Namensverschiedenheit mit den anderen Angehörigen in der Familie, in der es lebt, außerordentlichen Belastungen ausgesetzt sei. Schließlich sei der Umstand zu berücksichtigen, dass der Name eines Kindes auch eine persönlichkeitsrechtliche Komponente habe, weshalb im Rahmen der Abwägung auch dem Kindeswillen Rechnung zu tragen sei (OLG Frankfurt 18.12.2019 –1 UF 140/19, FamRZ 2020, 591, 592 f.).



Stellungnahme: Der Auffassung des OLG Frankfurt ist zuzustimmen. Dem Kindesinteresse an der Namensänderung muss im Zweifel Vorrang vor dem Interesse des die Zustimmung verweigernden Elternteils eingeräumt werden. Eine Kindeswohlgefährdung zu fordern, überdehnt den Begriff der Erforderlichkeit in § 1618 BGB und widerspricht zudem der Ratio des Gesetzes. Die vom BGH, OLG Oldenburg und OLG Hamm vorgenommene enge Auslegung entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn anderenfalls hätte dieser von Kindeswohlgefährdung sprechen müssen und hätte nicht die Erforderlichkeit genügen lassen dürfen. Schließlich überwiegt das Persönlichkeitsinteresse des Kindes. Pflegte dieses keinen oder nur einen distanzierten Umgang mit dem anderen Elternteil und wäre es durch die Namensverschiedenheit insbesondere zu den anderen Kindern in der neuen Familie (d.h. seinen Halbgeschwistern) erheblichen Belastungen ausgesetzt, stellte es sogar eine Kindeswohlgefährdung dar, sodass auch die enge Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zur Ersetzung der Zustimmung zur Einbenennung führte. Es überwiegt also regelmäßig das Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG). Andererseits dürfte allein der Umstand, dass der Elternteil, bei dem das Kind lebt, einen anderen Familiennamen hat als das Kind, keinesfalls einen Eingriff in das Elternrecht des anderen Elternteils rechtfertigen.



Einig sind sich alle rekurrierten Spruchkörper aber insoweit, dass eine Ersetzung der Einwilligung des anderen Elternteils in die Einbenennung eine umfassende Abwägung der – grundsätzlich gleichrangigen – Kindes- und Elterninteressen voraussetzt.



Argumente für Beibehaltung des Familiennamens (also gegen die Einbenennung) sind (wie sich aus den Beschlüssen ergibt):



  • Kontinuität der Namensführung
  • Beibehaltung des Namens als äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes gleichfalls wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu diesem Elternteil
  • Umstand, dass bestehende Namensverschiedenheit grundsätzlich jedes Kind betrifft, das aus einer geschiedenen Ehe stammt und bei einem wiederverheirateten Elternteil lebt, der den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat

 

Argumente für die Einbenennung  (also gegen die Beibehaltung des Familiennamens) sind (wie sich aus den Beschlüssen ergibt):



  • Identifikation mit der neuen Familie (Zugehörigkeitsgefühl) wird auch äußerlich gestärkt
  • Mit einer Namensverschiedenheit verbundene psychische Belastungen werden vermieden



Keinesfalls wird von den Gerichten der schlichte Wunsch des Kindes, künftig denselben Nachnamen zu führen wie die anderen Familienmitglieder, als ausreichend angesehen (OLG Hamm 28.04.2020 – 2 WF 14/20; BGH BGH 30.01.2002 – XII ZB 94/00 Rn. 17, FamRZ 2002, 1331, 1332). Auch bloße, infolge der Namensverschiedenheit auftretende Unannehmlichkeiten und die Notwendigkeit, diese auf Nachfragen zu erklären, vermögen die Erforderlichkeit einer Namensänderung nicht zu begründen (OLG Hamm 28.04.2020 – 2 WF 14/20). Ggf. kann auch eine Kompromisslösung die Wahl sein, nämlich die sog. additive Einbenennung durch Voranstellung oder Anfügung des Ehenamens des sorgeberechtigten Elternteils (§ 1618 S. 2 BGB) (BGH 24.10.2001 – XII ZB 88/99 Rn. 22, FamRZ 2002, 94, 95; BGH 10.03.2005 –XII ZB 153/03 Rn. 20, NJW 2005, 1779, 1780).


Da die genannten gegenläufigen Interessen auch Verfassungsgüter (Grundrechtspositionen) darstellen, haben in
rechtsmethodischer Sicht die Familiengerichte die Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung zur Einbenennung unter Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter (Grundrechtspositionen) zu treffen. Zwar bindet Art. 1 III GG die Grundrechte unmittelbar nur Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung mit der Folge, dass private Rechtssubjekte grundsätzlich keine unmittelbaren Grundrechtsadressaten sein und folgerichtig auch nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) Grundrechte anderer Privater verletzen können. Gleichwohl verkörpern die Grundrechte eine objektive Wertordnung und gelten daher für alle Bereiche des Rechts als Richtlinie und Impuls und damit auch mittelbar im Verhältnis der Bürger untereinander (allgemeine Ansicht, vgl. etwa BVerfG NVwZ 2020, 53, 59 – „Recht auf Vergessenwerden I“; BVerfG NJW 2018, 1667, 1668 – Stadionverbot; BGH NJW 2015, 489, 491; BGH NJW 2018, 1884, 1886 – jeweils jameda.de; vgl. auch BVerfG NJW 2015, 2485 f.; grundlegend BVerfGE 7, 198, 203 ff. – Lüth). Dieser Effekt wird allgemein als mittelbare Drittwirkung der Grundrechte bezeichnet: Der Gewährleistungsgehalt der Grundrechte wirkt über das Medium der Vorschriften, die das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen. Das gilt insbesondere für die Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffe. „Einfallstore“ der Grundrechte in das Zivilrecht sind unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln. Im vorliegend relevanten Bereich ist dies der Begriff der Erforderlichkeit in § 1618 BGB. Das Familiengericht, das über einen Rechtsstreit zwischen Privaten (hier: die Einbenennung) entscheidet, muss daher bei jeder Entscheidung prüfen, ob und inwieweit das anzuwendende Gesetz (hier: § 1618 BGB) grundrechtlich beeinflusst ist. Bei der Frage der Erforderlichkeit der Einbenennung sind also die Grundrechte aller Beteiligten gegeneinander und untereinander abzuwägen: Das Elternrecht aus Art. 6 II GG aufseiten des die Zustimmung zur Einbenennung verweigernden Elternteils muss mit dem Elternrecht aus Art. 6 II GG aufseiten des die Einbenennung begehrenden Elternteils abgewogen werden. Hierbei ist dann insbesondere das von Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG geschützte Kindeswohlinteresse zu berücksichtigen. Schließlich sind in die Abwägung auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; hier: Art. 8 – Recht auf Familienleben) einzubeziehen. Zwar stellt die EMRK lediglich einen völkerrechtlichen Vertrag dar, dem in der Bundesrepublik Deutschland kraft einfachgesetzlicher Übernahme gem. Art. 59 II S. 1 GG innerstaatlich der formale Rang nur eines einfachen Bundesgesetzes zukommt (und der damit formal auf derselben Stufe steht wie § 1618 BGB). Da es jedoch der ständigen Rechtsprechung des BVerfG entspricht, Inhalt und Entwicklungsstand der EMRK auch bei der Anwendung von einfachem Recht zu berücksichtigen und als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. nur BVerfG 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 u.a. Rn 302, NJW 2020, 905, 917 – Geschäftsmäßige Förde­rung der Selbsttötung – mit Verweis auf BVerfGE 111, 307, 317 f.; 149, 293, 328), müssen die Maßstäbe, die Art. 8 EMRK aufstellt, ebenfalls bei der im Rahmen der Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit vorzunehmenden Abwägung einbezogen werden. 





Rolf Schmidt (05.08.2020)

 



 





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