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Beiträge 2017


26.7.2017: Neues zu illegalen Straßenrennen (§ 315d StGB)


A. Der „Berliner-Todesraserfall“

Mit Urteil vom 22.2.2017 (Az. 535 Ks bzw. 251 Js 52/16 8/16) hat das LG Berlin nach einem Aufsehen erregenden Prozess um die sog. “Berliner Todesraser” entschieden, dass ein Kraftfahrer, der bei einem illegalen Autorennen in einer Ortschaft (hier: Berliner Innenstadt) mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (hier: ca. das Dreifache über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) einen anderen Menschen tötet, sich wegen Mordes in der Variante der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel (§ 211 I, II Var. 7 StGB) strafbar machen könne. Ob dieses Urteil überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.

Strafrechtliche Ausgangslage: Um ein Tötungsdelikt nach § 212 StGB (Totschlag) bzw. Mord (§ 211 StGB) zu verwirklichen, muss der Täter subjektiv mindestens mit dolus eventualis handeln (beim Mord kommen ggf. noch subjektive Mordmerkmale hinzu). In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit stellt der BGH in ständiger Rechtsprechung auf die sog. Billigungstheorie ab. Danach liegt dolus eventualis vor, wenn der Täter

  •  den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement; kognitives Element)
  • und billigend in Kauf nimmt, d.h. sich mit dem Todeserfolg abfindet (Wollenselement; voluntatives Element) (vgl. nur BGH NStZ 2016, 341, 342; NStZ 2016, 25, 26; NStZ 2015, 580; NStZ 2015, 516. Vgl. grundlegend – auch zu den in der Literatur abweichend vertretenen Ansätzen – R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 20).

Dagegen liegt bewusste Fahrlässigkeit vor, wenn der Täter ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, dass der als möglich angesehene Erfolg nicht eintritt (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2016, 79, 80; NStZ 2015, 580, 581; NStZ 2015, 516; NStZ 2014, 84; NStZ 2013, 159, 160. Grundlegend BGHSt 7, 363, 368 ff. (Lederriemen-Fall); BGHSt 36, 1, 9 f. (HIV-Infizierung). Letztlich gehen diese Überlegungen auf eine Formel von Reinhard Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931, § 59 Anm. V, S. 182 zurück. Dort heißt es: „Kommt man zu dem Ergebnis, daß der Täter auch bei bestimmter Kenntnis gehandelt hätte, so ist der Vorsatz zu bejahen; kommt man zu dem Ergebnis, daß er bei bestimmter Kenntnis die Handlung unterlassen hätte, so ist der Vorsatz zu verneinen“ - siehe R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 20).

Allerdings ist diese Rechtsprechung nicht frei von Einwänden. So wird darauf hingewiesen, dass eine echte Gefahrenkenntnis unvereinbar sei mit einem Vertrauen auf einen guten Ausgang. Denn habe jemand erkannt, dass ein bestimmtes Ereignis drohe, könne er auf einen guten Ausgang nur noch hoffen, aber nicht mehr vertrauen, weil man von einem „Vertrauen“ nur dann sprechen könne, wenn man innerlich sicher sei, dass nichts geschehe (Walter, NJW 2017, 1350 ff.). Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes ist es sicherlich richtig, die Schwäche der Rechtsprechung aufzuzeigen. Allerdings geht es bei der Frage nach der Bejahung von dolus eventualis zentral darum, dass der Täter den (für möglich gehaltenen bzw. für nicht ganz fernliegend erachteten) Taterfolg billigend in Kauf nimmt. Und dies lässt sich verneinen, wenn er davon ausgeht (nicht darauf vertraut!), der Tat­erfolg werde schon nicht eintreten. Folgerichtig ist bei der Frage nach der Abgrenzung zur Fahrlässigkeit das voluntative Element allein danach zu bestimmen, ob der Täter den Taterfolg billigend in Kauf genommen hat bzw. ihm gleichgültig gegenüberstand.

Fazit: Nach der richtig verstandenen Rechtsprechung, die danach fragt, ob der Täter den für möglich gehaltenen Taterfolg billigend in Kauf genommen hat bzw. ihm gleichgültig gegenüberstand, erfolgt die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit also in zwei Schritten: Zuerst ist das kognitive Element zu prüfen, also danach zu fragen, ob der Täter den Eintritt des Taterfolgs für möglich gehalten hat. Erst wenn diese Frage bejaht wird, ist zu prüfen, ob der Täter den für möglich gehaltenen Erfolg „gebilligt“ oder „billigend in Kauf genommen“ hat, sich gleichwohl aber nicht von der Verwirklichung der Tat hat abbringen lassen.

Da bei der Frage nach der Abgrenzung zur Fahrlässigkeit das voluntative Element allein danach zu bestimmen ist, ob der Täter den Taterfolg billigend in Kauf genommen hat bzw. ihm gleichgültig gegenüber stand, ist – entgegen der Auffassung des LG Berlin, das im „Berliner-Todesraserfall“ mit erheblichem Argumentations- und Begründungsaufwand bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat – nicht davon auszugehen, dass die Teilnehmer des in der Berliner Innenstadt initiierten illegalen Straßenrennens den Tod anderer billigend in Kauf genommen haben. Insbesondere tragen die vom LG angeführten maßgeblichen Argumente zum voluntativen Vorsatzelement nicht. Es mag zwar zutreffen, dass sich die Raser im „Berliner-Todesraserfall“ in ihren „tonnenschweren, stark beschleunigenden, mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten“ Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg gefühlt haben (so die Feststellungen des LG). Wer jedoch (wie insbesondere der Hauptangeklagte, der mit dem unbeteiligten Jeep kollidierte, wodurch dessen Fahrer getötet wurde) sein Auto „liebt“ (so ebenfalls die Feststellungen des LG), riskiert nicht ohne weiteres die Beschädigung oder gar den Verlust seines Autos, und zwar auch dann nicht, wenn man sich in ihm „sicher wie in einem Panzer“ fühlt. Denn wer (kollisionsbedingt) den Tod anderer in Kauf nimmt, muss unweigerlich auch eine (stärkere) Beschädigung oder gar den Verlust seines eigenen Fahrzeugs in Kauf nehmen. Vor allem aber überzeugt es nicht, wenn das LG Berlin meint, die Fahrer hätten den Tod anderer in Kauf genommen, für sich selbst aber jegliches Risiko ausgeschlossen. Wer als Fahrer eines Kfz in Bezug auf fremde Rechtsgüter gleichgültig handelt und den Tod anderer in Kauf nimmt, wird auch für sich selbst ein Risiko sehen müssen. Die Argumentation des LG Berlin ist also nicht stimmig. Richtigerweise hätte es auf der Basis seiner Feststellungen Tötungsvorsatz ausschließen müssen.

Die Konsequenz der Bejahung bzw. Verneinung von Tötungsvorsatz liegt auf der Hand: Bei Be­jahung droht eine Verurteilung auch wegen Mordes unter dem Aspekt des gemeingefährlichen Mittels (§ 211 II Var. 7 StGB). Bei Verneinung ist lediglich fahrlässige Tötung gegeben. In jedem Fall aber liegt § 315c I Nr. 2a) und Nr. 2d) StGB vor, nach der demnächst in Kraft tretenden Gesetzesänderung auch § 315d StGB.


B. Verbotene Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB)

I. Übersicht

Nicht zuletzt in Reaktion auf den dargestellten „Berliner-Todesraserfall“ sah sich der Gesetzgeber berufen, Gesetzeslücken zu schließen. Um nicht erlaubte Kraftfahrzeugrennen, bei denen (auch) Unbeteiligte getötet oder schwer ver­letzt werden, auch strafrechtlich zu bekämpfen, beschloss der Bundestag am 29.6.2017 ein entsprechendes Gesetz, das demnächst in Kraft treten soll. Nach alter Rechtslage konnten die Ausrichtung oder Durchführung von bzw. die Teilnahme an nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen lediglich als Ordnungswidrigkeit gem. §§ 29 I, 49 II Nr. 5 StVO a.F. („übermäßige Straßenbenutzung“) i.V.m. § 24 StVG geahndet werden, sofern nicht die Voraussetzungen der §§ 315c, 211, 212, 222, 229, 223, 224, 226, 227, 303 I etc. vorliegen. Um den Schutz vor nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen schon im Vorfeld kon­kreter Rechtsgutsgefährdungen bzw. Rechtsgutverletzungen zu verbessern, wurden die Ausrichtung oder Durchführung von bzw. die Teilnahme an nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen durch Schaffung eines neuen Straftatbestands unter Kriminalstrafe gestellt (BT-Drs. 18/10145 zum ersten Gesetzentwurf, der später noch leicht abgewandelt und ergänzt wurde, S. 7). Hierzu führte das Gesetz einen neuen § 315d StGB ein. Der bisherige § 315d StGB (Schienenbahnen im Straßenverkehr) wurde zu § 315e StGB, dahinter wurde noch ein neuer § 315f StGB (Einziehung) eingefügt. Im Einzelnen gilt:


II. Ausrichtung oder Durchführung von oder Teilnahme an nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen

Gemäß § 315d I StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt (Nr. 1), als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt (Nr. 2) oder sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (Nr. 3). Die Vorschrift des § 315d I StGB wirft damit folgende Aspekte auf:

  • Erfasst sind nur Rennen/Rasereien mit Kraftfahrzeugen (zum Begriff vgl. R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 600)
  • Unter einem Kraftfahrzeugrennen ist ein Wettbewerb zu verstehen, bei dem zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird, wobei es einer vorherigen Absprache der Beteiligten nicht bedarf (vgl. BT-Drs. 18/10145, S. 9 mit Verweis auf OLG Hamm 5.3.2013 – III-1 RBs 24/13 (NZV 2013, 403). Erfasst sind damit auch sog. Spontanrennen (einem zufällig begegneten Verkehrsteilnehmer wird Bereitschaft signalisiert, ein Rennen zu fahren).
  • Mit Straßenverkehr ist (wie bei § 315c StGB) der Verkehr auf öffentlichen Straßen und Wegen gemeint (siehe dazu R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 599).
  • Das Kraftfahrzeugrennen darf nicht erlaubt (muss also illegal) sein. Wettbewerbe, die von der Straßenverkehrsbehörde auf Antrag nach § 46 II S. 1 und 3 StVO erlaubt worden sind, werden also nicht erfasst. Die Straflosigkeit steht damit unter dem Vorbehalt behördlicher Erlaubnis („Verwaltungsakzessorietät im Strafrecht“).
  • Veranstalter eines Rennens ist derjenige, der als geistiger und praktischer Urheber, Planer und Veranlasser die Veranstaltung vorbereitet, organisiert oder eigenverantwortlich ins Werk setzt; (Hilfs-)Tätigkeiten, die ausschließlich im Stadium der Durchführung erbracht werden, genügen nicht, um eine Veranstaltereigenschaft zu begründen (vgl. BT-Drs. 18/10145, S. 9 mit Verweis auf OLG Karlsruhe 24.11.2010 - 3 (4) SsBs 559/10 u.a. (NZV 2012, 348), können selbstverständlich aber wegen Beihilfe (§§ 315d I Nr. 1, 27 StGB) strafbar sein.
  • Mit Teilnehmer sind nicht Teilnehmer i.S.d. § 28 I StGB (also Anstifter und Gehilfen gem. §§ 26, 27 StGB) gemeint, sondern Personen, die als Fahrzeugführer am Wettbewerb teilnehmen. Fahrzeugführer ist (wie bei § 315c StGB), wer das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung der Steuerungselemente unmittelbar in Bewegung setzt und lenkt (R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 600). § 315d I Nr. 2 StGB beschreibt damit (wie § 315c I Nr. 2a-f StGB) ein eigenhändiges Delikt, sodass Mitfahrer lediglich nach den Regeln der §§ 26, 27 StGB als Anstifter oder Gehilfen strafbar sein können.
  • Das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (Nr. 3), erfasst in erster Linie sog. Speedjunkies – Extremraser, die ohne Rücksicht auf Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit anderer unter Missachtung der Straßenverkehrsvorschriften handeln. Grob verkehrswidrig handelt dabei, wer objektiv besonders schwer gegen eine Verkehrsvorschrift verstößt (R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 609); rücksichtslos, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegen­über anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt (vgl. BGH NJW 2005, 915 f.; OLG Oldenburg DAR 2002, 89; OLG Koblenz VA 2008, 214; KG NStZ-RR 2008, 257; Himmelreich/Halm, NStZ 2009, 373, 376; R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 610).


III. Konkrete Gefährdung von Leib, Leben, Sachwerten (§ 315d II StGB)

Den als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Qualifikationstatbestand des § 315d II StGB verwirklicht, wer als Teilnehmer eines nicht erlaubten Straßenrennens (§ 315d I Nr. 2 StGB) oder als jemand, der sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (Nr. 3), Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von be­deutendem Wert gefährdet. Zu den Begriffen anderer Mensch, fremde Sachen von bedeutendem Wert und konkrete Gefährdung vgl. R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 612 ff. Zum Zurechnungszusammenhang vgl. R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 618. Subjektiv ist Gefährdungsvorsatz erforderlich, wobei dolus eventualis genügt. Der Täter muss also wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass das Ausbleiben einer Rechtsgutverletzung nur vom rettenden Zufall abhängen kann.


IV. Versuchsstrafbarkeit (§ 315d III StGB)

§ 315d III ordnet in den Fällen des § 315d I Nr. 1 StGB die Strafbarkeit des Versuchs an.


V. Fahrlässige Verursachung der Gefahr (§ 315d IV StGB)

Wer in den Fällen des § 315d II StGB die Gefahr nur fahrlässig verursacht (Vorsatz-Fahrlässig­keits-Kombination), unterfällt dem verringerten Strafrahmen des § 315d IV StGB. Siehe dazu bereits die übertragbaren Grundsätze zu § 315c StGB bei R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 620 f.


VI. Erfolgsqualifikation (§ 315d V StGB)

Verursacht der Täter in den Fällen des § 315d II durch seine Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, richtet sich die Straferwartung nach dem Verbrechenstatbestand des § 315d V StGB (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe). Mit dieser Vorschrift trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass eine Bestrafung allein aus bspw. §§ 222 oder 229 StGB dem Unwertgehalt der Tat nicht gerecht wird. Mit „verursacht“ ist eine wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer der schweren Folgen i.S.d. § 18 StGB gemeint. Damit ist auch eine billigende Inkaufnahme einer der genannten schweren Folgen erfasst, wenngleich in einem solchen Fall auch entsprechende Vorsatzdelikte wie §§ 211 I, II Var. 7, 212, 223 I, 224 I Nr. 2 Var. 2, Nr. 5 StGB greifen. § 315d V StGB tritt dann in Idealkonkurrenz zu dem jeweils verwirklichten Vorsatzdelikt. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 315d V StGB gilt:

Die schwere Gesundheitsschädigung setzt (in Übereinstimmung mit § 315 III Nr. 2 StGB und anderen Tatbeständen wie etwa §§ 221 I, 250 I Nr. 1c, 239 III Nr. 2 StGB) keine schwere Körperverletzung i.S.d. § 226 I Nr. 1-3 StGB voraus, sondern liegt auch bei einschneidenden oder nachhaltigen Beeinträchtigungen der Gesundheit vor, insbesondere bei langwierigen ernsthaften Erkrankungen sowie bei Verlust oder erheblicher Einschränkung im Gebrauch der Sinne, des Körpers und der Arbeitsfähigkeit (BT-Drs. 18/10145, S. 10 mit Verweis auf die in Rspr. und Lit. entwickelten Auslegungsergebnisse zu § 315 III Nr. 2 StGB). Bei dem Opfer, dessen Tod herbeigeführt oder dessen Gesundheit schwer geschädigt wurde, muss es sich um einen anderen Menschen handeln, was die Frage aufwirft, ob auch die Insassen des vom Täter gesteuerten Wagens, die nach den Regeln der §§ 26, 27 StGB Teilnehmer sind, gemeint sind (siehe dazu R. Schmidt, 17. Aufl. 2017, StrafR BT I, Rn. 615).

Das Merkmal der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen (die nicht „schwer“ sein muss) birgt die Auslegungsschwierigkeit in sich, ab welcher Zahl man von einer „großen“ Zahl sprechen kann. Der Gesetzgeber macht hierzu (anders als zu der Auslegung des Begriffs „schwere Gesundheitsschädigung“) keine Angaben. Hinsichtlich des gleichlautenden Merkmals zu § 306b I StGB wird vom Verfasser die Mindestzahl 10 vertreten (siehe dazu R. Schmidt, StrafR BT I, 17. Aufl. 2017, Rn. 535). Angesichts der Gemeingefährlichkeit auch von nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen lässt sich diese Auslegung durchaus auf § 315d IV StGB übertragen.


VII. Minder schwere Fälle (§ 315d V a.E. StGB)


Um in Fällen geringeren Unrechts eine schuldunangemessene Strafandrohung auszuschließen, hat der Gesetzgeber eine Strafmilderung für minder schwere Fälle des § 315d V StGB vorgesehen (§ 315d V a.E. StGB: 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe). Der Verbrechenscharakter der Tat wird dadurch aber nicht berührt (vgl. § 12 III StGB).


VIII. Einziehung von Kraftfahrzeugen (§ 315f StGB)

Schließlich begegnet der Gesetzgeber dem von nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d I Nr. 2 StGB und/oder grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Raserei i.S.d. § 315d I Nr. 3 StGB ausgehenden hohen Gefährdungspotential mit der Möglichkeit der Einziehung von Kraftfahrzeugen, die bei einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen eingesetzt worden sind, indem er in § 315f StGB auf § 74a StGB verweist. Durch die damit geschaffene Möglichkeit der Einziehung unter erweiterten Voraussetzungen dürfen Kraftfahrzeuge, auf die sich eine Tat nach § 315d I Nr. 2 oder Nr. 3, II, IV oder V StGB bezieht, eingezogen werden, wenn diejenigen, denen diese Fahrzeuge gehören oder zustehen, wenigstens leichtfertig dazu beigetragen haben, dass ihre Kraftfahrzeuge Mittel oder Gegenstand der Tat oder ihrer Vorbereitung gewesen sind (§ 74a Nr. 1 StGB). Folge der Einziehung ist der Übergang des Eigentums auf den Staat (§ 75 I StGB) (Sollte es sich um Leasingfahrzeuge oder um sicherungsübereignete Kraftfahrzeuge handeln (was insbesondere bei finanzierten Kraftfahrzeugen regelmäßig der Fall ist), greift § 75 II S. 1 StGB, da die Fahrzeuge im Eigentum der Leasinggeber bzw. der Kreditinstitute stehen und damit „Rechte Dritter“ bestehen). Diese Regelung mag den betroffenen Teilnehmer zwar stark belasten, sie verstößt nach der hier vertretenen Auffassung aber gerade aufgrund des hohen Gefährdungspotentials, das mit nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen und grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Raserei verbunden ist, nicht gegen den verfassungsrechtlich verbürgten (und in § 74f StGB einfachgesetzlich konkretisierten) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

R. Schmidt (26.7.2017)

 


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