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Beiträge 2015


9.11.2015: Schuldrecht: H-Zulassung bei Oldtimern als verbindliche Leistungsbeschreibung


OLG Hamm, Urt. v. 24.9.2015 - 28 U 144/14 (juris)

Ausgangslage: Ist eine Sache mängelbehaftet, ist der Käufer innerhalb bestimmter Fristen grundsätzlich zur Ausübung von Mängelrechten (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt, Schadensersatz, Aufwendungsersatz, vgl. § 437 BGB) berechtigt, sofern der Verkäufer nicht wirksam die Mängelrechte ganz oder teilweise ausgeschlossen hat. Regelmäßig zu klären sind daher die Fragen, ob ein Sachmangel vorliegt und ob ein etwaiger Gewährleistungsausschluss wirksam ist. Ein Sachmangel liegt vor, wenn der Ist-Zustand vom vertraglich vereinbarten Soll-Zustand zuungunsten des Käufers abweicht. Das ist nach der Grundregel des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB der Fall, wenn die Sache bei Gefahrüber­gang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Wäh­rend unter „Gefahr­über­gang“ der Zeitpunkt der Übergabe gem. § 446 BGB zu verstehen ist, bedeutet Beschaffenheitsvereinbarung die auf Vor­stellun­gen der Parteien beruhende Vereinbarung über die Beschaffen­heit oder den Verwendungszweck der gekauften Sache. Weicht die obj­ek­tive Be­schaffen­heit von der vereinbarten ab, liegt ein Sach­mangel vor (= sub­jektiver Fehlerbegriff), vgl. R. Schmidt, Praxisratgeber Kaufrecht, 2015, S. 14. Bei der Angabe „mit H-Zulassung“ beim Verkauf eines Oldtimers könnte es sich um eine solche Beschaffenheitsvereinbarung handeln. Denn eine H-Zulassung hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf die (künftigen) Betriebskosten des Fahrzeugs (Kfz-Steuer, Versicherungsbeiträge) sowie die straßenverkehrsrechtliche Behandlung (vgl. § 23 StVZO, § 2 Nr. 22 FZV). Nimmt man dies an und hat der Verkäufer die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen, stellt sich die Folgefrage, ob ein solcher Gewährleistungsausschluss wirksam ist, wenn der Oldtimer nicht die Voraussetzungen für die Zuteilung eines H-Kennzeichens erfüllt.

In dem hier zu besprechenden Fall hat das OLG Hamm entschieden, dass auch eine lediglich im Vorfeld eines Oldtimerverkaufs vom Verkäufer zugesagte „H-Zulassung“ Gegenstand des Kaufvertrags werden und den Käufer zum Vertragsrücktritt berechtigen könne, wenn das übergebene Fahrzeug diese Beschaffenheit nicht aufweise, obwohl der Zusatz „mit H-Kennzeichen“ nicht explizit im Kaufvertrag mit aufgenommen worden sei. Der Käufer sei daher zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil sich der Oldtimer bei der Übergabe nicht in einem Zustand befunden habe, der die Erteilung einer H-Zulassung gerechtfertigt hätte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde (vgl. Pressemitteilung OLG Hamm v. 10.11.2015 - wiedergegeben bei juris): Privatperson K erwarb von Privatperson V einen Oldtimer, Marke Ford, Bj. 1962, für 33.000 €. V hatte das Fahrzeug über eine Internetplattform angeboten und dabei neben dem Baujahr den Zusatz „mit H-Zulassung“ vermerkt sowie dem K im Vorfeld per E-Mail mitgeteilt, dass der Wagen „selbstverständlich bereits eine H-Zulassung“ habe. In den unter Gewährleistungsausschluss abgeschlossenen schriftlichen Kaufvertrag hatten die Parteien eine H-Zulassungsbeschaffenheit des Fahrzeugs nicht aufgenommen. Tatsächlich war das im Zeitpunkt des Verkaufes abgemeldete Fahrzeug zuvor bereits mit einem H-Kennzeichen zum Verkehr zugelassen gewesen. Nach der Übergabe ließ K das Fahrzeug sachverständig begutachten. Die Begutachtung ergab, dass dem Fahrzeug früher zwar zu Recht eine H-Zulassung zuerkannt worden sei, eine solche heute aber (aufgrund von am Oldtimer vorgenommenen Umbaumaßnahmen) nicht mehr erteilt werden könne. (Anm.: In der Pressemitteilung des OLG Hamm sowie deren Wiedergabe durch juris ist die Formulierung unpräzise). Nach dem Sachverständigengutachten waren beim Fahrzeug nur kleine Teile von Ford verbaut, Motor und Fertigungstechnik des Fahrzeugs wiesen einen deutlich jüngeren Stand auf, als er 1962 üblich gewesen sei. K begehrte deswegen von V die Rückabwicklung des Kaufvertrags infolge Rücktritts (vgl. §§ 437 Nr. 2 Var. 2, 323, 346 ff. BGB). Dem trat V mit der Begründung entgegen, seine Angaben zur H-Zulassung seien nur eine unverbindliche Fahrzeugbeschreibung gewesen.
Die Vorinstanz, das LG Bielefeld, hatte entschieden, dass K den Kaufpreis – abzüglich 150 € Nutzwertentschädigung für gefahrene Kilometer – Zug um Zug gegen die Rückgabe des Oldtimers verlangen kann. Das OLG Hamm hat das Urteil bestätigt.

Entscheidung des OLG Hamm: Nach Auffassung des OLG Hamm sind die Vorfelderklärungen des V zur H-Zulassung Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung geworden. Trotz Vorliegens eines privaten Kaufs habe K die Angaben des V so verstehen dürfen, dass das Fahrzeug zu Recht eine H-Zulassung besitze. Mit der Beschreibung im Internet und in seiner E-Mail habe V mit seinen Angaben zur H-Zulassung bei K die Vorstellung bewirkt, dass der Zustand des Fahrzeuges eine H-Zulassung rechtfertige und dass auch nicht das Risiko bestehe, diese später wieder zu verlieren mit der Folge, dass das Fahrzeug mit deutlich höheren Steuern belegt werden könne. V habe gegenüber K nicht klargestellt, dass er nur einen früheren Zustand des abgemeldeten Fahrzeugs beschreiben wolle, ohne eigene gesicherte Erkenntnisse zur Frage der Zulassung zu haben. Der Umstand, dass die H-Zulassung im schriftlichen Vertrag nicht mehr ausdrücklich erwähnt werde, reiche für eine Zurücknahme der Vorfelderklärungen nicht aus. Da eine H-Zulassung als Beschaffenheit des Oldtimers vertraglich vereinbart gewesen sei, greife auch der im Kaufvertrag geregelte Gewährleistungsausschluss nicht ein. Daher sei der Rücktritt berechtigt.

Bewertung: Die Entscheidung des OLG Hamm überzeugt nur teilweise. Zu folgen ist dem OLG jedenfalls bei der Feststellung, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung vorgelegen habe. Während das OLG dies aber (in der Pressemitteilung) lediglich behauptet bzw. unterstellt, lässt sich das Ergebnis rechtsmethodisch mit der Regelung des § 311 Abs. 2 BGB begründen, wonach ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) oder Vertragsanbahnung (Nr. 2) entsteht. Auf dieser Basis können auch Angaben, die im Rahmen von Vertragsverhandlungen oder einer Vertragsanbahnung gemacht werden, Grundlage einer Beschaffenheitsvereinbarung sein, wenn – wie vorliegend – der Käufer sich auf die Angaben in der E-Mail-Korrespondenz verlässt und daher nicht mehr auf die explizite Wiederholung der Angaben im späteren schriftlichen Kaufvertrag besteht. Liegt damit also eine Beschaffenheitsvereinbarung vor, ist ein Sachmangel gegeben, da der tatsächliche Zustand (keine H-Zulassungsfähigkeit) vom vertraglich vereinbarten Zustand („H-Zulassung“) zu Lasten des K abweicht.

Zweifelhaft ist aber die „Schlussfolgerung“ des OLG Hamm, wonach dadurch, dass eine zu Recht erteilte H-Zulassung als Beschaffenheit des Oldtimers vertraglich vereinbart worden sei, auch der im Kaufvertrag geregelte Gewährleistungsausschluss nicht eingreife, wodurch der Rücktritt berechtigt sei. Denn das Gericht unterstellt damit ja, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung stets zur Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses führt. Das ist nicht richtig. Richtig ist vielmehr, dass das Gesetz außerhalb von Verbrauchsgüterkaufverträgen (vgl. § 475 BGB) von der grundsätzlichen Möglichkeit des Gewährleistungsausschlusses ausgeht - auch bei Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung. Gemäß § 444 BGB kann sich der Verkäufer nur dann nicht auf einen Ausschluss oder eine Beschränkung der Mängelrechte berufen, soweit er den Mangel arglistig (also vorsätzlich) verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache (d.h. Zusicherung einer speziellen Eigenschaft wie z.B. „absolut fahrtauglich“) übernommen hat. Im vorliegenden Fall müsste also die Angabe „mit H-Zulassung“ eine solche Beschaffenheitsgarantie, d.h. Zusicherung einer speziellen Eigenschaft, darstellen. Wann eine solche Beschaffenheitsgarantie vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Jedenfalls kann man nicht (so wie das OLG Hamm dies offenbar tut) die Beschaffenheitsgarantie mit der Beschaffenheitsvereinbarung gleichsetzen, weil das anderenfalls ja bedeuten würde, dass bei Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung (was den Regelfall darstellt) stets ein Ausschluss der Gewährleistung unzulässig wäre. Damit würde man die gesetzliche Wertung umkehren. Daher ist danach zu fragen, ob die Angabe „mit H-Zulassung“ eine über die Beschaffenheitsvereinbarung hinausgehende Beschaffenheitsgarantie, d.h. Zusicherung einer speziellen Eigenschaft, darstellt. Das kann man gut vertreten. Denn bei Oldtimern ist die H-Zulassung wegen der damit verbundenen Privilegierung bei der Kfz-Steuer und der Versicherung oft von entscheidender Bedeutung. In den meisten Fällen dürfte die Kaufentscheidung davon abhängen. Die Angabe „mit H-Zulassung“ ist also mehr als nur eine Beschaffenheitsvereinbarung. Sie stellt eine Beschaffenheitsgarantie dar. Daher muss vorliegend von einem nicht nur unerheblichen Sachmangel ausgegangen werden, der zum Rücktritt berechtigt (vgl. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB).

Fazit: Die Angabe „mit H-Zulassung“ stellt im vorliegenden Fall eine Beschaffenheitsgarantie dar. Folge ist, dass der grundsätzlich zulässige Gewährleistungsausschluss gem. § 444 BGB unwirksam ist. Ist ein Gewährleistungsausschluss unwirksam, greifen die gesetzlichen Mängelrechte des § 437 BGB (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt, Schadensersatz, Aufwendungsersatz). Geht man im vorliegenden Fall davon aus, dass eine Nacherfüllung (Versetzen des Fahrzeugs in einen H-zulassungsfähigen Zustand) unmöglich oder für V unzumutbar ist oder dass V schlicht die Nacherfüllung verweigert hat (§ 444 BGB), war daher der Rücktritt des K wirksam.

Die Rechtsfolgen eines Rücktritts ergeben sich aus §§ 346 ff. BGB: Soweit kaufvertragliche Pflichten bereits erfüllt wurden, besteht die Pflicht zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen und Herausgabe von gezogenen Nutzungen (bzw. Wertersatz). Insoweit sind die Ausführungen des die Vorinstanz bestätigenden OLG Hamm, K könne den Kaufpreis – abzüglich 150 € Nutzwertentschädigung für gefahrene Kilometer – Zug um Zug gegen die Rückgabe des Oldtimers verlangen, nicht zu beanstanden.

R. Schmidt (10.11.2015)

 


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