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Beiträge 2015


21.6.2015 - Familienrecht (hier: Abstammungsrecht): Rechte des Samenspenders bei Stiefkindadoption durch Lebenspartnerin der Mutter


BGH, Beschl. v. 18.2.2015 - XII ZB 473/13 (NJW 2015, 1820 ff.).

Ergänzung zu R. Schmidt, FamR, 3. Auflage 2015, Rn 599:

Ausgangslage:
Das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft erfährt auch im Adoptionsrecht Probleme, etwa, wenn ein Lebenspartner das leibliche Kind des anderen Lebenspartners annehmen möchte (Konstellation einer Stiefkindadoption). Ausgangslage sind die §§ 1741 ff. BGB, die den Kreis der Annahmeberechtigten festgelegen und dabei an das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Ehe anknüpfen:

  • Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen (§ 1741 II S. 1 BGB).
  • Möchte ein Ehepaar ein Kind annehmen, kann es dies grds. nur gemeinschaftlich (§§ 1741 II S. 2, 1754 I BGB – „Normalfall“ einer Adoption).
  • Möglich ist auch eine sog. Stiefkindadoption: Für den Fall, dass ein Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung leiblicher Vater/leibliche Mutter eines Kindes war, kann der andere Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein annehmen (§ 1741 II S. 3 BGB). Dies setzt grds. die Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1749 I S. 1 BGB) und des anderen Elternteils (§ 1747 BGB) voraus, unter den Voraussetzungen des § 1746 BGB auch die des Kindes. Mit der Stiefkindadoption wird das Kind gemeinsames Kind der Eheleute (§ 1754 I BGB).

Nach diesen eindeutigen gesetzlichen Regelungen ist eine gemeinschaftliche Adoption durch ein unverheiratetes Paar also ebenso wenig möglich wie die gemeinschaftliche Adoption durch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG. Für Letztere hat der Gesetzgeber (nicht zuletzt aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung) aber Adoptionsmöglichkeiten geschaffen:

  • Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist zunächst die Adoption eines Kindes durch einen der beiden Lebenspartner (mit Zustimmung des anderen, § 9 VI LPartG) möglich – Einzeladoption.
  • Lebenspartnern nach dem LPartG ist auch (gleichermaßen wie Ehepartnern) die Adoption des leiblichen Kindes des Partners möglich (§ 9 VII LPartG) – Stiefkindadoption. Mit der Adoption erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Lebenspartner (§ 9 VII S. 2 LPartG i.V.m. § 1754 I BGB).
  • Auch ist es nach einer Änderung des § 9 VII S. 2 LPartG (Gesetz v. 20.6.2014 - BGBl I, S. 786) Lebenspartnern nach dem LPartG nunmehr möglich, das von dem anderen Partner bereits vor der Eintragung der Lebenspartnerschaft angenommene Kind (also das Adoptivkind) sukzessiv zu adoptieren.
  • Eine gemeinschaftliche Adoption ist aber Partnern nach dem LPartG (anders als Ehe­gatten) nach wie vor nicht möglich. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch diesbezüglich eine Anpassung vorgenommen wird

In Zusammenhang mit der hier zu behandelnden Stiefkindadoption zu beachten ist, dass Frauen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben und einen Kinderwunsch verspüren, oftmals nicht den Weg einer assistierten heterologen Insemination (In-vivo-Fertilisation oder In-vitro-Fertilisation in einer Klinik für Reproduktionsmedizin, vgl. dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 462d/480/481) wählen, sondern den Kinderwunsch über eine „private“ Samenspende realisieren (vgl. dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 487a). Der Grund hierfür besteht darin, dass das Risiko für den Samenspender einer assistierten heterologen Insemination, später auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommen zu werden, viel zu groß (geworden) ist. Denn der BGH und das OLG Hamm haben einen Auskunftsanspruch eines durch heterologe Insemination gezeugten Kindes über die Abstammung gegen die Klinik für Reproduktionsmedizin aus § 242 BGB hergeleitet (BGH NJW 2015, 1098, 1099 ff.; OLG Hamm NJW 2013, 1167 f.; vgl. auch Fink/Grün, NJW 2013, 1913 ff. und Kingreen, FamRZ 2013, 641 ff.). Auch die Zusagen der Wunscheltern oder des Arztes gegenüber dem Samenspender, dieser werde als Vater nicht belangt werden und seine Anonymität bleibe gewahrt, hindern die Vaterschaftsfeststellung i.S.v. § 1600d BGB nicht. Bei einer „privaten“ Samenspende besteht dieses Risiko insofern nicht, dass keine Klinik für Reproduktionsmedizin existiert, die den Vorgang dokumentieren muss und auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen werden könnte. Allerdings ist auch die „private“ Samenspende für den Samenspender alles andere als risikolos. Denn wie das BVerfG zutreffend festgestellt hat, ist das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sehr hochrangig (BVerfGE 79, 256, 268 f.; 90, 263; 270 f.; 96, 56, 63 f.; vgl. auch BGH NJW 2014, 3786 f. – dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 481) und daher durchaus geeignet, das Interesse der Mutter daran, ihre Sexualkontakte (bzw. hier den Samenspender) geheim zu halten, zu überwinden.

Unabhängig davon ist der „private“ Samenspender aber Vater i.S.d. § 1747 I S. 2 BGB und hat ein Zustimmungsrecht in Bezug auf die Stiefkindadoption.

Zum Fall BGH 28.2.2015 - XII ZB 473/13 (NJW 2015, 1580 ff. – Sachverhalt abgewandelt, um die Probleme besser zu verdeutlichen): A und B leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. A gebärt ein mittels „privater“ Samenspende gezeugtes Kind und ist damit Mutter gem. § 1591 BGB. Mit Zustimmung der A stellt B beim zuständigen Familiengericht einen Adoptionsantrag. Das Gericht verweigert jedoch die Stiefkindadoption mit dem Argument, A habe keine Zustimmungserklärung des leiblichen Vaters vorgelegt. Dieser sei aber am Verfahren zu beteiligen. A verweigert die Namensnennung mit dem Argument, der biologische Vater wolle mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht namentlich genannt werden.

Lösung: Gemäß § 9 VII LPartG i.V.m. den dort genannten Vorschriften des BGB kann ein Lebenspartner ein Kind seines Lebenspartners allein annehmen. Voraussetzung ist nicht nur, dass eine Gesamtabwägung ergibt, dass die Annahme dem Wohl des Kindes dient und ein Eltern-Kind-Verhältnis zu erwarten ist (§ 1741 I S. 1 BGB), sondern auch, dass die Einwilligung der Eltern vorliegt (vgl. dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 600). Eine Einwilligung der A liegt vor. Als Elternteil zählt aber auch der Vater. Sofern – wie vorliegend – kein Mann nach § 1592 BGB als Vater anzusehen ist, gilt als Vater, wer die Voraussetzungen des § 1600d II S. 1 BGB glaubhaft macht (§ 1747 I S. 2 BGB). Da A den Namen des leiblichen Vaters nicht nennen möchte, kann das Gericht nicht prüfen, ob dessen Einwilligung vorliegt bzw. ob er die Voraussetzungen des § 1600d II S. 1 BGB glaubhaft machen kann (oder möchte) oder ob die Einwilligung gem. § 1748 BGB ersetzt werden kann. Zudem stellt der BGH klar, dass ein biologischer Vater, der möglicherweise ja nichts von seiner Vaterschaft wisse, das Recht habe, vor der Entscheidung über die Stiefkindadoption informiert zu werden, damit er überhaupt erst in die Lage versetzt werde, über seine Einwilligung zu entscheiden (BGH NJW 2015, 1820, 1821). Dieses Recht sei verfahrensrechtlich dadurch abzusichern, dass ihn das Familiengericht entsprechend § 7 IV S. 1 FamFG vom Adoptionsverfahren unterrichten müsse (BGH NJW 2015, 1820, 1822). Dies wiederum setze voraus, dass die Mutter die Identität des biologischen Vaters preisgebe; sei ihr diese nicht bekannt, müsse das Gericht alle sonstigen Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen, wobei die Verfahrensbeteiligten gemäß § 27 FamFG an der Aufklärung mitzuwirken hätten. Erst wenn die Identität des möglichen Erzeugers nicht ermittelt werden könne, komme die Entbehrlichkeitsregelung des § 1747 IV S. 1 BGB in Betracht (BGH NJW 2015, 1820, 1823). Eine Pflicht zur Ermittlung des leiblichen Vaters bestehe lediglich dann nicht, wenn ersichtlich sei, dass dieser – insbesondere als anonymer Samenspender – die rechtliche Vaterstellung von vornherein nicht einnehmen wolle (BGH NJW 2015, 1820, 1823).

Stellungnahme: Die Auffassung des BGH überzeugt. Das Elternrecht aus Art. 6 II S. 1 GG steht auch dem mit der Kindsmutter nicht verheirateten biologischen Vater zu. Sofern er seine Zustimmung zur Stiefkindadoption durch die mit der Kindsmutter verpartnerten Frau nicht erteilt hat, ist er zur Wahrung seiner Rechte im Adoptionsverfahren zu beteiligen. Er muss die Möglichkeit erhalten, die Voraussetzungen des § 1600d II S. 1 BGB glaubhaft zu machen (§ 1747 I S. 2 BGB) und seine Zustimmung bzw. Ablehnung zur Stiefkindadoption zu erklären. Um dieses Recht verfahrensrechtlich abzusichern, ist das Familiengericht verpflichtet, für den Fall, dass die Identität des als biologischer Vater in Betracht kommenden Mannes nicht (gerichts-)bekannt ist, sämtliche Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Allein die Tatsache, dass der Mann seinerzeit lediglich als Samenspender fungiert hat, schließt sein Interesse an der Mitwirkung im Adoptionsverfahren nicht (von vornherein) aus.

Wie der Fall entschieden worden wäre, wenn A die Identität des Samenspenders nicht bekannt gewesen wäre (oder sie dies zumindest glaubhaft versichert hätte), kann nicht gesagt werden. Insgesamt lässt sich aber erkennen, dass es - wie bei der Frage nach dem Anspruch des durch anonyme Samenspende gezeugten Kindes auf Auskunft über den Spender (siehe meinen Beitrag vom 11.4.2015) - einer Regelung durch den Gesetzgeber bedarf. Dieser ist aufgerufen, die gesellschaftlichen Entwicklungen, insbesondere die Stiefkindadoption von aus anonymer Samenspende hervorgegangener Kinder sowie die gemeinschaftliche Adoption im Rahmen der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf gesetzlich sicherer Grundlage zu stellen.

R. Schmidt
(21.6.2015)

 


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