aktuelles-2015-schwiegereltern-und-zuwendungen

Beiträge 2015


9.6.2015 - Familienrecht: Schwiegereltern (in spe) und Zuwendungen


BGH, Urteil v. 4.3.2015 - XII ZR 46/13 (NJW 2015, 1523 ff.)

Ergänzung zu R. Schmidt, FamR, 3. Auflage 2015, Rn 227:

Ausgangslage: Ein besonderes (praktisches und prüfungsrelevantes) Problem stellt sich, wenn Eltern um der Ehe ihres Kindes willen an das (künftige) Schwiegerkind Zuwendungen erbringen, dann aber die Ehe scheitert. Der BGH entscheidet, dass Geldzuwendungen der Eltern, die um der Ehe ihres Kindes willen an das (künftige) Schwiegerkind erfolgen, nicht als unbenannte Zuwendung, sondern als Schenkung zu qualifizieren seien (BGHZ 184, 190 ff. - bestätigt in BGH NJW 2015, 690, 691 und in BGH NJW 2015, 1014). Auf derartige Schenkungen sei im Rahmen einer etwaigen Rückabwicklung jedoch nicht das Schenkungsrecht, sondern es seien (wie bei den unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten) die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden (BGHZ 184, 190, 196 ff.; BGH NJW 2015, 690, 691; NJW 2015, 1014, 1015). Lag der (bekundete) Zweck der schwiegerelterlichen Zuwendung darin, dass der Zuwendungsgegenstand (auch) dem eigenen Kind zugutekommt, indem dessen Ehe fortbesteht, ist nach dem Scheitern der Ehe auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 812 I S. 2 Var. 2 BGB (Zweckverfehlung) denkbar. Welcher dieser denkbaren Ansprüche im Ergebnis greift, ist eine Frage des Einzelfalls und der Parteiabsprachen.

Während die ehebedingten Zuwendungen und die Zuwendungen seitens der Schwiegereltern dadurch gekennzeichnet sind, dass sie mit Blick auf den Bestand der Ehe getätigt werden, der Fortbestand der Ehe sozusagen die „Geschäftsgrundlage“ der jeweiligen Zuwendung bildet, musste sich der BGH jüngst mit einer weiteren Facette des Ausgleichs unentgeltlich erbrachter Leistungen beschäftigen. Die Besonderheit besteht darin, dass die unentgeltliche Leistung nicht von den Schwiegereltern (in spe) erbracht wurde, sondern vom Schwiegerkind in spe.

Zum Fall BGH 4.3.2015 - XII ZR 46/13 (NJW 2015, 1523 ff.): Sachverhalt (abgewandelt, um die Probleme besser zu verdeutlichen): M lebte mit F in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der ein Kind hervorgegangen ist. Das Paar wohnte mietfrei im Haus der Eltern der F. Um die Wohnsituation der Familie zu verbessern, wurde das Hausanwesen um- und ausgebaut. Zur Finanzierung nahmen die Eltern der F ein Darlehen von 50.000,- € auf, wobei die monatlichen Darlehensraten i.H.v. 158,- € von M getragen wurden. M investierte zudem rund 2.000 Arbeitsstunden in den Umbau und trug weiterhin Materialkosten i.H.v. 3.000,- €. Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft ca. 1 Jahr später zog M aus der Wohnung aus, die weiterhin von F und dem gemeinsamen Kind genutzt wird. M begehrt nunmehr gegen die Eltern der F Ausgleichsansprüche wegen der Investitionen in deren Immobilie. Durch seine unentgeltliche Arbeitsleistung, die bisherigen 12 Darlehensraten und die 3.000,- € habe er den Wert des Anwesens um 90.000,- € gesteigert. Unter Abzug seines Wohnvorteils verlangt er daher einen Ausgleich i.H.v. 25.000,- €.
 
Lösung:

Ausgleichsansprüche wegen Arbeits- und Materialleistung

Verwendungsersatzanspruch aus Leihvertrag: Zunächst ist an einen leihvertraglichen Verwendungsersatzanspruch gem. §§ 601 II S. 1 i.V.m. 683 S. 1 i.V.m. 670 BGB zu denken. Ein Leihvertrag i.S.v. § 598 BGB zwischen M und den Eltern der F kann angenommen werden, wenn man darauf abstellt, dass es sich auch bei einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung nicht um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis handelt, wenn beträchtliche Arbeits- und Materialleistungen zu dem Zweck erbracht werden, sich ein längerfristiges Unterkommen zu sichern (so BGH NJW 2015, 1523). Gemäß § 685 I BGB, auf den in § 601 II S. 1 BGB (indirekt) verwiesen wird, steht M ein Anspruch aber nicht zu, wenn er (zum Zeitpunkt der Vornahme seiner Aufwendungen) nicht die Absicht hatte, von den Eltern der F Ersatz zu verlangen. Der BGH bestätigt die Vorinstanz, die die diesbezügliche Absicht bei M verneint hat. Das überzeugt nicht. Bei lebensnaher Betrachtung darf vielmehr angenommen werden, dass jemand, der Arbeits- und Materialleistungen in eine fremde Sache investiert, nicht ohne weiteres auf etwaige Ausgleichsansprüche verzichten möchte für den Fall, dass die mit den Leistungen verbundenen Erwartungen nicht eintreten. Das muss auch Schwiegereltern in spe als Eigentümer der Sache klar sein.

Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage: Verneint man gleichwohl mit dem BGH einen leihvertraglichen Verwendungsersatzanspruch, kommt ein Rückforderungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§§ 313 I, III S. 1 i.V.m. 346 ff. BGB) in Betracht.

Das Institut des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage wendet die Rspr. im Familienrecht bei sog. ehebedingten Zuwendungen an, aber auch bei schwiegerelterlichen Zuwendungen, insgesamt also bei Zuwendungen, die der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung, zur Ausgestaltung und zum Erhalt der ehelichen Gemeinschaft getätigt werden, wobei die Vorstellung oder Erwartung gehegt wird, dass die eheliche Gemeinschaft Bestand haben werde (vgl. BGH NW 2012, 2728; vgl. auch LG Coburg 7.2.2014 – 22 O 396/13).

Erfolgt die Schenkung seitens der Schwiegereltern, ist Geschäftsgrundlage regelmäßig, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Kind und Schwiegerkind fortbesteht und das eigene Kind somit in den fortdauernden Genuss der Zuwendung kommt. Mit dem Scheitern der Ehe entfällt diese Geschäftsgrundlage jedenfalls dann, wenn das eigene Kind nicht im vorgestellten Umfang von der Zuwendung profitiert (vgl. dazu auch BGH NJW 2015, 690, 691).

Im vorliegenden Fall erfolgte aber keine Zuwendung der Schwiegereltern (in spe), sondern es erfolgten Arbeits- und Materialleistungen des Schwiegerkinds in spe. Das Verhältnis Zuwendender/Zuwendungsempfänger ist also umgekehrt. Ob daher die familienbezogenen Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage überhaupt greifen, kann dahinstehen, wenn es schon an einer Geschäftsgrundlage fehlt. Der BGH ist der Auffassung, dass es an einem Vertragsverhältnis und damit an einer Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB zwischen M und den Eltern der F gefehlt habe. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass Arbeitsleistungen nach einer stillschweigenden Übereinkunft mit dem anderen Partner zur Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft erbracht werden, wenn sie erheblich über bloße Gefälligkeiten oder das, was das tägliche Zusammenleben erfordert, hinausgehen und zu einem messbaren und noch vorhandenen Vermögenszuwachs des anderen Partners geführt haben (BGH NJW 2015, 1523 mit Verweis auf BGH FamRZ 2013, 1295), sog. Kooperationsvereinbarung, jedoch habe M seine Arbeits- und Materialleistungen erbracht, um die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie zu verbessern. Daher liege kein Kooperationsvertrag zwischen M und den Eltern der F vor, bei dessen Störung bzw. Wegfall sich ein Ausgleichsanspruch gem. § 313 BGB hätte ergeben können. Auch diese Auffassung überzeugt nicht. Denn durch die Arbeits- und Materialleistung hat M den Wert der Immobilie erhöht, was den Eltern der F auch bewusst war und womit sie sich zudem einverstanden erklärten. Daher liegt sehr wohl ein Kooperationsvertrag vor, dessen Geschäftsgrundlage mit der Trennung des Paares und dem Auszug des M weggefallen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung steht M daher durchaus ein Ausgleichsanspruch aus §§ 313 I, III S. 1 i.V.m. 346 ff. BGB zu.

Bereicherungsanspruch wegen Wegfalls des Rechtsgrundes

Verneint man gleichwohl mit dem BGH einen Ausgleichsanspruch aus § 313 III S. 1 BGB, kommt ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes in Betracht, § 812 I S. 2 Var. 1 BGB (condictio ob causam finitam). Der BGH ist jedoch der Auffassung, dass das Leihverhältnis zwischen M und den Eltern der F noch nicht beendet und damit der Rechtsgrund nicht weggefallen sei. Allein der Auszug des M aus der Immobilie reiche hierfür nicht aus (BGH NJW 2015, 1523 mit Verweis auf BGH FamRZ 1985, 150, 153).  Auch dies ist zu beanstanden. Anders als beim Mietvertrag (vgl. § 542 I BGB) bedarf es zur Beendigung eines Leihvertrags durch den Entleiher keiner Kündigung. Er kann den Leihvertrag jederzeit schlicht durch Rückgabe der Sache beenden, § 604 II S. 1 BGB. Daher ist der rechtliche Grund für die Bereicherung durchaus weggefallen und M steht ein Wertersatzanspruch aus § 818 II BGB zu.

Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung

Der BGH ist schließlich der Auffassung, dass auch kein Anspruch aus § 812 I S. 2 Var. 2 BGB (condictio ob rem) in Betracht komme. Zwar habe eine Zweckabrede stattgefunden, wonach M die Wohnung für die Familie errichtet habe und ihm im Gegenzug auf Dauer eine Wohnnutzung ohne Mietzins für ihn, seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind eingeräumt worden sei, und dieser Zweck sei – wegen des Auszugs – nicht eingetreten, jedoch fehle es an der Bereicherung der Eltern der F. Da das Leihverhältnis fortbestehe, seien die Eltern der F nicht in der Lage, eine Bereicherung durch Vermietung zu realisieren (BGH NJW 2015, 1523, 1524). Das überzeugt ebenfalls nicht, da hier ebenso die zur condictio ob causam finitam gemachte Kritik greift. Mit dem Auszug durch M ist das Leihverhältnis erloschen.

Ausgleichsanspruch wegen Darlehenstilgung

Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage: In Bezug auf die Zahlung der Darlehensraten kommt ein Rückforderungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 I BGB) in Betracht.

Um eine Geschäftsgrundlage annehmen zu können, muss ein Umstand gegeben sein, der zwar nicht Gegenstand der Vereinbarung ist, dessen (Fort-)Bestehen oder Eintritt aber von mindestens einer Partei bei Abgabe der (konkludenten) Vertragserklärung vorausgesetzt wird. Das ist vorliegend gegeben. Der Zahlung der Darlehensraten lag ganz offenbar die – für die Eltern der F erkennbare – Vorstellung des M zugrunde, die Immobilie auf Dauer mietfrei nutzen zu können (BGH NJW 2015, 1523, 1524).

Ist (für eine Partei) das Festhalten am Vertrag (bzw. an der vereinbarten Regelung) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar, kommen die in § 313 BGB genannten Rechtsfolgen in Betracht, d.h. primär Vertragsanpassung (§ 313 I BGB) oder – bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Anpassung – Rücktritt vom Vertrag (§ 313 III S. 1 BGB). Unzumutbar ist ein Festhalten an der vereinbarten Regelung, wenn dies zu untragbaren Ergebnissen führte. Ob dies der Fall ist, muss im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände festgestellt werden (BGH NJW 2015, 690, 691 m.w.Nachw.).

Nach Auffassung des BGH sind die von M erbrachten Tilgungsleistungen für ihn nicht unzumutbar, da die Raten überwiegend aus Zinsanteilen bestanden hätten. Dem ist zuzustimmen, da M unter normalen Umständen Miete hätte zahlen müssen und die Zinsanteile der Darlehensraten damit ausgeglichen sind.

Bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche

Bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche bestehen nicht, da die Tilgungsraten in erster Linie aus Zinsanteilen bestanden und die Eltern der F insoweit nicht bereichert sind.

Gesamtergebnis und Stellungnahme: Entgegen der Auffassung des BGH stehen M Ausgleichsansprüche wegen seiner Arbeits- und Materialleistung zu. Er hat Verwendungen auf die im Eigentum der Eltern der F stehende Immobilie getätigt, für die er aus dem Leihvertrag Aufwendungsersatz verlangen kann. Dem stehen auch keine Wertungsgesichtspunkte entgegen. Die Eltern der F sind ungerechtfertigt bereichert. Sie können jederzeit von F verlangen, Miete zu zahlen. Tun sie dies nicht, ist das ihre Entscheidung, was nicht M belasten kann.

R. Schmidt
(9.6.2015)


Share by: