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Beiträge 2015


3.9.2015: Zu den Anforderungen der Fristsetzung bei der Ausübung des Rücktrittsrechts gem. § 323 Abs. 1 BGB


BGH, Beschl. v. 18.3.2015 - VIII ZR 176/14 (NJW 2015, 2564)

Ergänzung zu R. Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 10. Auflage 2015, Rn 464

Einführung in die Problematik: Ist die Kaufsache mangelbehaftet, tritt keine Erfüllungswirkung ein. Der Käufer hat einen Anspruch auf Nacherfüllung. Sollte diese nicht möglich oder (für Verkäufer oder Käufer) unzumutbar sein, treten an die Stelle der Nach­erfüllung Minderung des Kaufpreises oder Rücktritt vom Vertrag. Scha­densersatz ist daneben ebenfalls möglich, sofern der Schaden nicht schon durch die Minderung oder den Rücktritt ab­gegolten ist. Diese Rechte setzen allesamt einen Sachmangel voraus. Ein Sachmangel liegt gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vor, wenn die Sache bei Gefahrüber­gang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Sollten die Parteien (ausnahmsweise) keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, kommen die in § 434 Abs. 1 S. 2 BGB genannten (objektiven) (Hilfs-)Kriterien zur Anwendung. Danach ist die Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn

 - sie sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung

 - oder für die gewöhnliche Verwendung eignet und so beschaffen ist, wie dies bei gleichartigen Sachen üblich ist und wie der Käufer dies nach der Art der Sache erwarten kann.

Liegt demnach ein Sachmangel vor, gelangen die o.g. Mängelrechte zur Anwendung. Aus §§ 323 Abs. 1 i.V.m. 440 BGB ergibt sich, dass der Käufer nicht frei wählen kann, sondern grds. zunächst dem Verkäufer Gelegenheit geben muss, nachzuerfüllen, bevor er vom Vertrag zurück­treten oder den Kaufpreis mindern darf.

Das Recht auf Nacherfüllung besteht aus zwei Varia­nten, der Lieferung einer mangelfreien Sache und der Beseitigung des Mangels, §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB. Der Käufer hat grds. ein Wahlrecht (vgl. § 439 Abs. 1 BGB: „...nach seiner Wahl“). Erst wenn die Nacherfüllung (in beiden Varianten) fehlschlägt, unmöglich oder unzumutbar ist, darf der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Das Geben einer Gelegenheit zur Nacherfüllung kann – im Rahmen des Rücktrittsrechts – auch in der Fristsetzung gesehen werden. 

Zur Fristsetzung im Rahmen des Rücktritts: Da die mit einem Rücktritt verbundenen Folgen (insbesondere Rückgewähr der empfangenen Leistungen – dazu R. Schmidt, SchuldR AT, 10. Aufl. 2015, Rn. 497 ff.) für den Rücktrittsschuldner mitunter sehr schwer wiegen, hat der Gesetzgeber die Ausübung des Rücktritts u.a. an eine Fristsetzung gekoppelt. So bestimmt § 323 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger grds. nur dann vom Vertrag zurücktreten kann, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und der Schuldner diese Frist erfolglos hat verstreichen lassen. Damit wird zugleich der Zweck der Fristsetzung deutlich: Die Frist soll dem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung und zur Vollendung seiner begonnenen Leistung geben. Nur wenn er innerhalb der gesetzten Frist die geschuldete Leistung noch erbringt, kann er den Rücktritt abwenden.

Damit der Schuldner innerhalb der gesetzten Frist die Leistung erbringen kann, muss die Frist angemessen sein. Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Frist muss so bemessen sein, dass sie den Schuldner in die Lage versetzt, die geschuldete Leistung zu erbringen. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht. Es genügt, wenn dem Schuldner vor Augen geführt wird, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH NJW 2015, 2564, 2565 mit Verweis auf BGH NJW 2009, 3153).

Fall BGH NJW 2015, 2564 (abgewandelt und vereinfacht, um die Probleme zu verdeutlichen): K erwarb von V ein Pferd. Kurz nach der Übergabe stellte sich heraus, dass die Wirbelsäule des Pferdes einen Defekt aufweist, der starke Schmerzen verursacht. Konkret handelt es sich um „Kissing Spine“, eine Krankheit, bei der einige Dornfortsätze der Wirbelsäule so nah aneinander stehen, dass sie sich bei Bewegung des Pferdes berühren und starke Schmerzen verursachen. Dadurch kann es passieren, dass das Pferd schmerzbedingt unkontrollierbar wird. K teilte dem V mit, dass ihm das Tier zu gefährlich sei und er um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin fürchte. Zudem machte K dem V klar, dass entweder das Pferd ausgetauscht werden müsse oder er rechtlich gegen V vorgehen werde. Nachdem V auch weiterhin untätig geblieben war, erklärte K den Rücktritt und forderte Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der bislang getätigten Aufwendungen.

Lösung: Ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB liegt vor. K konnte daher zurücktreten, wenn er dem V zuvor eine angemessene Frist gesetzt hatte. Daran könnte es fehlen, da K weder einen Zeitraum noch einen bestimmten (End-)Termin gesetzt hatte. Der BGH hat jedoch entschieden, dass es zu einer ordnungsgemäßen Nacherfüllungsaufforderung nicht der Nennung eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedürfe. Bereits in dem Verlangen, das Pferd „auszutauschen“, verbunden mit der die Ernsthaftigkeit der Erklärung verdeutlichenden Warnung, anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen, liege bei verständiger Würdigung unmissverständlich die Aufforderung, umgehend Abhilfe durch Übergabe eines gesunden Pferdes zu schaffen.

Ergebnis: Damit war der Rücktritt des K berechtigt, auch wenn er weder einen Zeitraum noch einen Endtermin zur Nacherfüllung genannt hatte. Es genügte, dass er den V aufgefordert hatte, unverzüglich bzw. umgehend nachzuerfüllen (hier in Form der Nachlieferung eines mangelfreien Pferdes).

Fazit: Die soeben aufbereitete Entscheidung des BGH ist von großer Praxisrelevanz, da sie die Anforderungen an die Fristsetzung zugunsten des Gläubigers „aufweicht“. Im Rahmen eines kaufrechtlichen Rücktritts (§§ 437 Nr. 2, 323 I BGB) genügt es nach dieser Entscheidung also, wenn der Käufer einer mangelhaften Sache den Verkäufer auffordert, unverzüglich bzw. umgehend nachzuerfüllen (in Form der Nachbesserung, d.h. Reparatur der erhaltenen Sache, oder der Nachlieferung einer mangelfreien Sache). Der Käufer muss weder einen Zeitraum noch einen Endtermin zur Nacherfüllung nennen. Hinsichtlich der Zeitspanne, die dem Verkäufer zur Nacherfüllung verbleibt, trägt also der Verkäufer ein nicht unerhebliches Risiko, wenn er nicht zeitnah die Nacherfüllung vornimmt.

Sollte gleichwohl ausnahmsweise einmal die Frist zu kurz bemessen sein, führt das nach ganz h.M. zudem nicht zur Unwirksamkeit der Fristsetzung, sondern es wird eine „angemessene Frist“ in Gang gesetzt.

R. Schmidt (3.9.2015)

 


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