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Beiträge 2015


2.1.2015: Familienrecht: Zur Anerkennung eines (gleichgeschlechtlichen) Paares als rechtliche Eltern ihres in den USA von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes


BGH, Beschluss v. 10.12.2014 - XII ZB 463/13 (NJW 2015, 479 ff.).

Ergänzung zu R. Schmidt, FamR, 3. Auflage 2015, Rn 462:

Ausgangslage:
Nach der Legaldefinition in § 1591 BGB ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. So banal diese Definition klingen mag, so hat sie doch ihre Berechtigung. Denn während früher die Bestimmung der Mutterschaft unproblema­tisch war („mater semper certa est“: die Mutter ist immer sicher), ist in Zeiten, in denen eine „Leihmutterschaft“ medizinisch möglich ist, nicht ohne weiteres klar, wer als Mutter gilt, die Frau, deren Eizelle in den Uterus der anderen Frau eingesetzt wurde (die genetische Mutter), oder die Frau, die das (fremde) Kind austrägt (die gebärende Mutter), zumal diese Frage in verschiedenen Rechtskreisen unter­schiedlich geregelt ist (vgl. näher dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 462 ff.).

Problematisch kann es daher bspw. sein, wenn die Wunscheltern in ein Land reisen, in dem die Leihmutterschaft legal ist, dort eine Leihmutter beauftragen, eine mit dem Samen des Mannes (bzw. bei Lebenspartnern nach dem LPartG mit dem Samen eines des Partner) befruchtete anonyme Eizelle aufzunehmen, das Kind auszutragen und es anschließend an die Wunscheltern zu übergeben. Wird durch ein Obergericht des betreffenden Staates (hier: Superior Court des Staates Kalifornien) die Vereinbarkeit dieses Verfahrens mit dem Recht des Staates bestätigt und werden die Wunscheltern als rechtliche Eltern festgestellt, stellt sich die Frage, ob die deutschen Standesbehörden verpflichtet sind, die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern anzuerkennen (d.h. gem. § 36 I S. 1 Hs. 1 PStG i.V.m. § 20 PStG die Auslands­geburt nachzubeurkunden). Dagegen spricht, dass das dargestellte Verfahren an sich keine Grundlage im deutschen Familienrecht findet. Denn das deutsche Familienrecht kennt ein Eltern-Kind-Verhältnis nur aufgrund von Abstammung (§§ 1589 ff. BGB) oder Adoption (§§ 1741 ff. BGB). Eine Elternschaft aufgrund eines Leihmutterschaftsvertrags kann dagegen wegen der insoweit eindeutigen Regelung in §§ 1591, 1592 BGB nicht begründet werden. Im Gegenteil sind Leihmutter­schaftsverträge sogar ausdrücklich verboten (vgl. § 1 I Nr. 7 ESchG, § 13c AdvermiG) und für einige Beteiligte unter Strafe gestellt (§ 1 I Nr. 1 und 6 ESchG).

Zum Fall BGH 10.12.2014 - XII ZB 463/13: Auch der BGH hat diesbezüglich entschieden, dass die Entscheidung des Superior Court teilweise von der deutschen Gesetzeslage abweiche, da außerhalb von Geburt (§ 1591 BGB) und Vaterschaftszuordnung (§ 1592 BGB) eine gemeinsame Elternschaft allein durch Adoption begründet werden könne, die nach derzeitiger Rechtslage nur als Stiefkind- oder Sukzessivadoption möglich sei (§ 1741 II S. 3 BGB, § 1742 BGB, § 9 VII LPartG) (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13 mit Verweis auf BVerfG FamRZ 2013, 521). Diese Abweichung von den genannten Vorschriften läge allerdings in einem Rahmen, der dem ordre public noch entspreche. Nach § 109 I Nr. 4 FamFG liege ein Verstoß gegen den ordre public insbesondere dann vor, wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar wäre. Das sei vorliegend nicht der Fall, da die Grundrechte der Beteiligten gerade für eine Anerkennung der rechtlichen Elternschaft sprächen. Zudem seien bei der Frage der Vereinbarkeit mit dem ordre public auch die Gewährleistungen der EMRK, der GRC und der UN-Kinder­rechtskonvention zu berücksichtigen. So sei auf Seiten der Leihmutter die Menschenwürde nach Art. 1 I GG berührt. Rechte der Wunsch- oder Bestelleltern könnten sich aus Art. 2 I und Art. 6 I, II GG bzw. Art. 8 I EMRK ergeben (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13 mit Verweis auf Dethloff, JZ 2014, 922, 927). Auf Seiten des Kindes sei das Recht auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung aus Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG zu beachten. In dieses werde eingegriffen, wenn eine bestehende rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung als Statusverhältnis beseitigt werde (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13 mit Verweis auf BVerfG FamRZ 2014, 449). Das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sei aber auch betroffen, wenn einem Kind die statusrechtliche Zuordnung zu einem (Wunsch-)Elternteil versagt werde, der dann nicht zum Wohl und zum Schutz des Kindes Elternverantwortung im rechtlichen Sinn übernehmen könne (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13 mit Verweis auf BVerfG FamRZ 2013, 521). Das sei im Fall einer im Ausland begründeten Leihmutterschaft ebenfalls in Betracht zu ziehen (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13 mit Verweis auf Britz, JZ 2014, 1069, 1071). Das Kindeswohl sei schließlich nach Art. 3 I der UN-Kinderrechts­konvention (und nach Art. 24 II GRC) bei allen das Kind betreffenden Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen. Unter Abwägung aller dieser (gegenüber dem einfachen deutschen Recht vorrangigen) Gewährleistungen widerspreche die getroffene Feststellung eines Gerichts, dass zwischen dem Kind und den Wunscheltern ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis bestehe, den wesentlichen Grund­sätzen des deutschen Rechts jedenfalls nicht in einem solchen Maß, das eine Anerkennung der entsprechenden Entscheidung untragbar erscheinen ließe. Vor allem spreche das Kindeswohl eher für als gegen eine Anerkennung. Daher sei die Feststellung des Superior Court mit dem ordre public vereinbar, sodass sie gem. § 108 FamFG anzuerkennen sei (BGH 10.12.2014 – XII ZB 463/13).

Stellungnahme: Das Urteil des BGH überzeugt nicht nur in rechtsmethodischer Hinsicht, sondern auch in der Sache, da es das nationale Abstammungsrecht und das rechtliche Eltern-Kind-Verhältnis an moderne gesellschaftliche Erscheinungsformen „anpasst“. Dies ist zwar eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers, dieser aber hat sich auch in der Vergangenheit nicht gerade reformfreudig gezeigt, sondern hat familienpolitisch notwendige Anpassungen lediglich infolge völkerrechtlicher Vorgaben (insbesondere durch die Rechtsprechung des EGMR) oder zumindest aufgrund national höchstrichterlicher Entscheidungen des BVerfG vorgenommen bzw. nachvollzogen (vgl. dazu R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 30). Auch von daher kann das Urteil des BGH als weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen Familienrecht angesehen werden.

Anmerkungen: Von einer Leihmutterschaft spricht man, wenn einer Frau (der „Tragemutter“) entweder eine noch nicht befruchtete Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt und diese dann natürlich oder künstlich befruchtet (inseminiert) wird oder wenn ihr eine bereits natürlich oder künstlich befruchtete Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, damit sie das Kind austrägt und gebärt. Es ist somit nicht die Eizelle der Leihmutter, aus der das Kind entsteht. Die Leihmutter ist daher nicht die genetische Mutter des Kindes, wegen § 1591 BGB aber rechtliche Mutter. Das Übertragen einer noch nicht befruchteten Eizelle einer anderen Frau auf die „Leihmutter“ ist strafbar gem. § 1 I Nr. 1 ESchG (R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 462).

Von einer Ersatzmutterschaft spricht man, wenn eine Frau aufgrund einer vorherigen Vereinbarung mit den Ehegatten sich mit dem Samen des Wunschvaters (natürlich oder künstlich) befruchten lässt, das Kind austrägt und gebärt. Die Ersatzmutter ist somit die genetische und wegen § 1591 BGB auch die rechtliche Mutter des Kindes. Zu beachten ist, dass § 13a AdvermiG auch die Leihmutterschaft als Ersatz­mutterschaft bezeichnet (R. Schmidt, FamR, 3. Aufl. 2015, Rn 462).

Stiefkindadoption bedeutet:
Für den Fall, dass ein Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Eheschlie­ßung leiblicher Vater/leibliche Mutter eines Kindes war, kann der andere Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein annehmen (§ 1741 II S. 3 BGB). Dies setzt grds. die Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1749 I S. 1 BGB) und des anderen Elternteils (§ 1747 BGB) voraus, unter den Voraussetzungen des § 1746 BGB auch die des Kindes. Mit der Stiefkindadoption wird das Kind gemeinsames Kind der Eheleute (§ 1754 I BGB – dazu R. Schmidt, FamR, 3. Auflage 2015, Rn 598). Auch kann ein Ehegatte das von dem anderen Ehegatten vor der Eheschließung angenommene Kind adoptieren, sog. Sukzessivadoption (§ 1742 BGB). In diesem Fall erhält das adoptierte Kind einen zusätzlichen Adoptiv­­elternteil. Wegen § 9 VII LPartG stehen die Stiefkind- und die Sukzessivadoption auch Partnern nach dem LPartG offen. Lediglich eine gemeinschaftliche Adoption ist aber Partnern nach dem LPartG (anders als Ehe­gatten) nach wie vor nicht möglich (R. Schmidt, FamR, 3. Auflage 2015, Rn 598).

Mit „ordre public“ (franz.) ist nicht etwa die „öffentliche Ordnung“ gemeint, sondern es handelt sich um einen Rechtsbegriff des internationalen Privatrechts, der die grundlegenden inländischen Wertvorstellungen beschreibt. Gemäß Art. 6 S. 1 EGBGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist gem. Art. 6 S. 2 EGBGB insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Daraus folgt um­gekehrt, dass bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat (vgl. Art. 3 EGBGB) die Anwendbarkeit einer Rechtsnorm dieses Staates nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wenn Art. 6 EGBGB nicht greift.

R. Schmidt
(2.1.2015)


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