Aktuelles 2019 Adoption von Kindern des nichtehelichen Lebenspartners

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19.08.2019: Zur Problematik der Adoption von Kindern des nichtehelichen Lebenspartners

BVerfG, Beschluss v. 26.03.2019 – 1 BvR 673/17 (NJW 2019, 1793)

Mit Beschluss v. 26.03.2019 hat das BVerfG (1 BvR 673/17) im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die gegen einen BGH-Beschluss (siehe BGH NJW 2017, 1672) eingelegt worden war, über die Frage der Verfassungskonformität der Regelungen des Adoptionsrechts entschieden. Denn die §§ 1754 I, II BGB und 1755 I S. 1, II BGB machen die Möglichkeit einer zur gemeinsamen Elternschaft führenden Stiefkindadoption davon abhängig, dass der Adoptionswillige mit dem Elternteil verheiratet ist. Dies könnte eine Verletzung der Grundrechte der nicht miteinander verheirateten Personen (d.h. des Elternteils und des Adoptivwilligen) und des Kindes darstellen. Das BVerfG hat entschieden, dass § 1754 I, II BGB und § 1755 I S. 1, II BGB mit Art. 3 I GG insoweit unvereinbar seien, als danach ein Kind von seinem mit einem rechtlichen Elternteil in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Stiefelternteil unter keinen Umständen adoptiert werden kann, ohne dass die verwandtschaftliche Beziehung zum rechtlichen Elternteil erlischt. Ob der Beschluss überzeugt, soll im Folgenden untersucht werden.

Ausgangslage: Der Begriff der Adoption entstammt dem lateinischen Begriff adoptio („Annahme an Kindes statt“) und bedeutet die rechtliche Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ohne Rücksicht auf die biologische Herkunft. Mithin geht es um die Übernahme einer elterlichen Verantwortung. Das BGB-Familienrecht unterscheidet – flankiert durch das Adoptionsvermittlungsgesetz – zwischen der Annahme Minderjähriger (§§ 1741-1766 BGB) und der Annahme Volljähriger (§§ 1767-1772 BGB). Nach der Grundsatznorm des § 1741 I S. 1 BGB ist die Annahme als Kind unter zwei Voraussetzungen zulässig: Sie muss dem Wohl des Kindes dienen und es muss zu erwarten sein, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen und damit über die Annahme insgesamt entscheidet gem. § 1752 I BGB das Familiengericht durch Beschluss (Adoptionsdekret). Adoptionssachen sind Familiensachen gem. §§ 111 Nr. 4, 186 ff. FamFG. Zuständig sind die Familiengerichte (§§ 23a I S. 1 Nr. 1, 23b I GVG). Das genannte (sozial zu verstehende) Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Annehmenden und dem Kind muss entweder bereits bestehen oder es muss die ernsthafte Aussicht seiner Entstehung vorhanden sein. Das Gericht darf die Annahme erst aussprechen, wenn nach seiner Überzeugung diese Voraussetzungen feststehen (BT-Drs. 7/5087, S. 9 - siehe R. Schmidt, Familienrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 593). Weiterhin muss das Gericht bei seiner Entscheidung über das Vorliegen der Adoptionsvoraussetzungen alle (sonstigen) wesentlichen Umstände berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die Eignung des Bewerbers. Vor allem darf die Adoption nur dann beschlossen werden, wenn sie dem Kindeswohl dient. Das ist trotz Vorliegens der Eignungsvoraussetzungen auf Seiten des Bewerbers nur der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Adoption zu einer erheblichen und nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Verhältnisse und/oder der Rechtsstellung des Kindes führt (Diederichsen, in: Palandt, 66. Aufl. 2019, § 1741 Rn. 3; siehe auch OLG Düsseldorf NJW 2017, 2774 ff., das zudem klarstellt, dass die Annahme nicht zum Wohl des Kindes erforderlich sein muss, sondern nach § 1741 I S. 1 BGB dem Kindeswohl dienen muss). Der Kreis der Annahmeberechtigten ist in §§ 1741 ff. BGB festgelegt, die an das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Ehe anknüpfen (folgende Darstellung nach R. Schmidt, Familienrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 597):

  • Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen (§ 1741 II S. 1 BGB). Eine gemeinschaftliche Adoption durch ein unverheiratetes Paar ist also nicht möglich. Der Annehmende muss das 25. Lebensjahr vollendet haben (§ 1743 S. 1 BGB).
  • Möchte ein Ehepaar ein Kind annehmen, kann es dies grds. nur gemeinschaftlich (§§ 1741 II S. 2, 1754 I BGB – „Normalfall“ einer Adoption). Dabei muss ein Ehegatte das 25. Lebensjahr, der andere das 21. Lebensjahr vollendet haben (§ 1743 S. 2 BGB). Die Annahme eines Kindes durch einen Ehegatten allein ist also grds. nicht möglich. Ein Ehegatte kann ein Kind aber dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 1741 II S. 4 BGB).
  • Möglich für Ehepartner ist auch eine sog. Stiefkindadoption: Für den Fall, dass ein Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung leiblicher Vater/leibliche Mutter eines Kindes war, kann der andere Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein annehmen (§ 1741 II S. 3 BGB). Dies setzt grds. die Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1749 I S. 1 BGB) und des anderen Elternteils (§ 1747 BGB) voraus, unter den Voraussetzungen des § 1746 BGB auch die des Kindes. 
  • Auch kann ein Ehegatte das von dem anderen Ehegatten vor der Eheschließung angenommene Kind adoptieren, sog. Sukzessivadoption (§ 1742 BGB). Zwar entspricht eine „Weiterreichung“ eines adoptierten Kindes nicht unbedingt dessen Wohl, aber dadurch, dass gem. § 1742 BGB das Kind das gemeinsame Kind der Ehegatten wird, ist eine Gefährdung des Kindeswohls grundsätzlich nicht zu befürchten. Denn das adoptierte Kind wird ja nicht „weitergereicht“, sondern erhält einen zusätzlichen Adoptivelternteil.
Nach diesen eindeutigen gesetzlichen Regelungen ist eine gemeinschaftliche Adoption durch ein unverheiratetes Paar also ebenso wenig möglich wie die gemeinschaftliche Adoption durch Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG. Für Letztere hat der Gesetzgeber 2017 aber die Möglichkeit geschaffen, vor dem Standesamt ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln (§ 20a LPartG – vgl. dazu R. Schmidt, Familienrecht, 10. Aufl. 2018, Rn.  6, 20h und 443). Machen die Lebenspartner von dieser Möglichkeit Gebrauch, bestehen für sie auch im Adoptionsrecht prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten wie für heterosexuelle Paare, und damit besteht für sie auch die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption.

Bei nicht miteinander verheirateten oder verpartnerten Personen (also bei Personen, die weder in ehelicher Lebensgemeinschaft noch in eingetragener Lebenspartnerschaft miteinander leben) bedeuten die genannten Regelungen der §§ 1741 II S. 1, 1755 I S. 1 BGB, dass ein Partner zwar das Kind des anderen adoptieren kann, jedoch nur mit der Folge, dass dadurch das Verwandtschaftsverhältnis des anderen zu seinem Kind erlischt. Das führt zu der eingangs aufgeworfenen Frage nach der Verfassungskonformität, worüber das BVerfG zu befinden hatte.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: M und F leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. F ist Mutter zweier minderjähriger Kinder, die sie aus der damaligen Ehe mit dem bereits vor einigen Jahren verstorbenen D mit in die Beziehung gebracht hat. M möchte nunmehr die beiden Kinder adoptieren mit der Maßgabe, dass diese die rechtliche Stellung als gemeinschaftliche Kinder von M und F erlangen. Die zuständige Behörde weist M und F darauf hin, dass eine Adoption der beiden Kinder durch M zwar grundsätzlich möglich sei, dann aber F ihr Verwandtschaftsverhältnis zu ihren beiden Kindern verliere. M und F stellen daher einen entsprechenden Antrag vor dem Familiengericht, der jedoch erfolglos bleibt. Beschwerde vor dem OLG und Rechtsbeschwerde vor dem BGH (siehe NJW 2017, 1672) bleiben ebenfalls erfolglos.

Lösung des BGH: Auf der Basis des geschriebenen Rechts unter Zugrundelegung der wörtlichen Auslegung sind die Gerichtsentscheidungen nach Auffassung des BGH nicht zu beanstanden. Wer nicht verheiratet ist, kann gemäß der Regelung des § 1741 II S. 1 BGB ein Kind nur allein annehmen. Mit der Annahme erlischt gem. § 1755 I S. 1 BGB das Verwandtschaftsverhältnis des angenommenen Kindes zu seinen Eltern/seinem Elternteil. Im Fall der Adoption durch M verlöre F also ihre rechtliche Stellung als Elternteil. Um diese Folge zu vermeiden, wären M und F mithin gezwungen, zunächst miteinander die Ehe einzugehen. Denn für den Fall, dass ein Ehegatte bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung leiblicher Vater/leibliche Mutter eines Kindes war, kann der andere Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein annehmen (§ 1741 II S. 3 BGB). Mit dieser sog. Stiefkindadoption erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Eheleute (§ 1754 I BGB).   

Der BGH begründet seine Entscheidung mit dem Wortlaut der §§ 1741 II S. 1, 1755 I S. 1 BGB, deren Sinn und Zweck und systematischer Stellung sowie mit dem Willen des Gesetzgebers, der bewusst keine Sukzessivadoption bei nicht miteinander verheirateten bzw. verpartnerten Paaren geregelt habe, was insgesamt eine teleologische Reduktion der Vorschriften nicht zulasse. Auch verstießen die Regelungen und die sie anwendenden Gerichte nicht gegen Grundrechte. So seien Art. 6 I GG (Recht auf Familie), Art. 6 II S. 1 GG (Elternrecht), Art. 3 I GG (allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz; Diskriminierungsverbot) und Art. 2 I i.V.m. 6 II S. 1 GG (Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung) nicht verletzt.
  • Art. 6 I GG sei nicht verletzt, weil nach der Rspr. des BVerfG jedenfalls bei einer lediglich tatsächlichen (aber nicht rechtlichen) Lebens- und Erziehungsgemeinschaft eine Versagung einer Adoption nicht in Art. 6 I GG eingreife.
  • Das Elternrecht aus Art. 6 II S. 1 GG sei nicht verletzt, weil M aufgrund seiner lediglich sozialen Elternschaft nicht in den persönlichen Schutzbereich falle. 
  • Art. 3 I GG sei nicht verletzt, weil die zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft auf der einen Seite und nichtehelicher Lebensgemeinschaft auf der anderen Seite differenzierende Adoptionsregelung weder willkürlich sei noch einen Sachgrund für die Unterscheidung vermissen ließe. Trotz sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandels, wonach immer mehr Kinder aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften hervorgingen, ändere sich nichts daran, dass sich eine Ehe von einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft deutlich abhebe.
  • Schließlich sei Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG auf Seiten der Kinder nicht verletzt, weil der Gesetzgeber den ihm insoweit bei der Frage nach dem Maß der Schutzpflicht zustehenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum nicht verletzt habe. 
Da der BGH keine Verfassungswidrigkeit erblickte, sah er auch von einer Richtervorlage gem. Art. 100 I GG ab.

Wegen des Einflusses, den die EMRK auf die nationale Rechtsordnung ausübt, sah sich der BGH schließlich veranlasst, die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 8 I EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) zu prüfen. Denn jedenfalls schützt Art. 8 I EMRK auch tatsächliche Familienzusammenschlüsse (BGH NJW 2017, 1672, 1675 unter Verweis auf EGMR FamRZ 2008, 377, 378). Unter Anwendung der Schrankenregelung in Art. 8 II EMRK erblickte der BGH aber keinen Verstoß der §§ 1741 II S. 1, 1755 I S. 1 BGB gegen Art. 8 I EMRK.

Bewertung : Gerade aufgrund der sich wandelnden gesellschaftlich-familiären Strukturen („Patchworkfamilien“, „Regenbogenfamilien“, Möglichkeiten der Ei- und Samenspende, Drei-Eltern-IVF, biologische und soziale Vaterschaft, Adoptionswunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren und nichtehelichen Lebensgemeinschaften) hätte es sich aufgedrängt, (auch im Adoptionsrecht) den Schutz aus Art. 6 I GG auf moderne gesellschaftliche Strukturen zu erstrecken und faktische Familienstrukturen einzubeziehen. Da die fraglichen Regelungen der §§ 1741 II S. 1, 1755 I S. 1 BGB einer solchen Auslegung des Art. 6 I GG nicht gerecht werden, hätte sich schon allein deswegen eine konkrete Normenkontrolle (Richtervorlage) gem. Art. 100 I GG entgegen der Auffassung des BGH angeboten. Hinzu kommt, dass entgegen der Auffassung des BGH Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG auf Seiten der Kinder sehr wohl verletzt ist. Zwar ist allgemein (und insbesondere auch vom BVerfG) anerkannt, dass der Gesetzgeber bei der Frage nach dem Maß von staatlichen Schutzpflichten einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum hat, dieser Spielraum ist aber überschritten, wenn eine Differenzierung von zwei vergleichbaren Sachverhalten ohne hinreichenden Sachgrund erfolgt. Vorliegend geht es um die unterschiedliche Behandlung von Kindern mit nur einem Elternteil, der in einer (neuen) Ehe (oder Lebenspartnerschaft nach dem LPartG) lebt, und Kindern, deren Elternteil mit seinem neuen Partner zusammenlebt, ohne mit diesem eine rechtliche Beziehung in Form einer Ehe oder Lebenspartnerschaft eingegangen zu sein. Abgesehen vom Verlust des Verwandtschaftsverhältnisses zu ihrem (bisherigen) Elternteil verlieren die betroffenen Kinder ihr gesetzliches Erbrecht nach §§ 1922 ff. BGB, ihre Sorgerechtsansprüche gem. §§ 1626 ff. BGB und ihre Unterhaltsansprüche nach §§ 1601 ff. BGB, wenn der (bisherige) Elternteil der Adoption durch seinen nichtehelichen Lebenspartner zustimmt. Warum in diesen Fällen für die betroffenen Kinder unterschiedliche Wirkungen einer Adoption hinzunehmen sind, ist nicht ersichtlich; mithin fehlt ein Sachgrund für die unterschiedliche Adoptionsregelung. §§ 1741 II S. 1, 1755 I S. 1 BGB verstoßen damit (auch) gegen Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG. Eine konkrete Normenkontrolle wäre damit (in zweifacher Hinsicht) angezeigt gewesen (siehe bereits R. Schmidt, Familienrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 599e).

Das BVerfG hatte gleichwohl aufgrund einer Verfassungsbeschwerde Gelegenheit, in der Sache zu entscheiden (BVerfG NJW 2019, 1793 ff.). Es hat entschieden, dass weder das Elterngrundrecht (Art. 6 II GG) noch das Recht der anzunehmenden Kinder auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG) noch das Familiengrundrecht (Art. 6 I GG) für sich genommen verletzt seien (BVerfG NJW 2019, 1793, 1794 ff.). Argumentativ steht es diesbezüglich auf der Linie des BGH: 
  • Art. 6 II GG setze Elternschaft voraus. Der Adoptionswillige sei aber vor der Adoption kein Elternteil und daher auch nicht Träger dieses Grundrechts. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er mit dem Elternteil und dessen Kind in sozial-familiärer Gemeinschaft lebe. Da Art. 6 II GG Elternschaft voraussetze und vor einer Elternschaft daher auch nicht anwendbar sei, könne die Verfassungsbestimmung mithin kein Grundrecht auf Elternschaft begründen. Das Elterngrundrecht des (anderen) Elternteils sei nicht verletzt, da insoweit kein Grundrechtseingriff vorliege. Es sei zwar richtig, dass die Verwandtschaft zum Kind erlöschen würde, wenn der Adoptionswillige das Kind adoptierte. Zur Adoption komme es grundsätzlich aber nicht, wenn der rechtliche Elternteil dies nicht wolle (BVerfG NJW 2019, 1793, 1794).
  • Das dem Kind nach Art. 2 I GG i.V.m. Art. 6 II S. 1 GG zustehende Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sei durch die gesetzliche Begrenzung der Stiefkindadoption nicht verletzt, da das Kind ja einen Elternteil habe. Aus dem Recht auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ergebe sich kein Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber die Erlangung eines zweiten rechtlichen Elternteils ermögliche (BVerfG NJW 2019, 1793, 1795 mit Verweis auf BVerfGE 133, 59, 76). 
  • Das Familiengrundrecht aus Art. 6 I GG sei durch die gesetzlichen Adoptionsgrenzen ebenfalls nicht verletzt. Zwar schütze dieses Grundrecht auch die tatsächliche (d.h. soziale) Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern mit Kindern als Familie, weshalb es weiter reiche als das Elterngrundrecht und daher betroffen sei, wenn die Adoption verwehrt bleibe, bzw. dazu führe, dass der Elternteil durch die Adoption sein Verwandtschaftsverhältnis zum Kind verliere, jedoch gebiete es das Familiengrundrecht nicht, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer weiteren Elternschaft schaffen müsse (BVerfG NJW 2019, 1793, 1795).Die Berücksichtigung der als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten heranzuziehenden EMRK und der Rechtsprechung des EGMR (hier erfolgt der Verweis auf BVerfGE 111, 307, 317; 138, 296, 355 f.; 141, 186, 218) führe zu keinem anderen Ergebnis (BVerfG NJW 2019, 1793, 1795). Zwar sei der Prüfungsmaßstab des Art. 8 I EMRK eröffnet und es gebe auch eine Entscheidung des EGMR, in der dieser eine Verletzung des Art. 8 I EMRK festgestellt habe (Hier erfolgt der Verweis auf EGMR FamRZ 2008, 377). Jedoch habe dieser Entscheidung eine Erwachsenenadoption zugrunde gelegen und sie sei somit nicht übertragbar.  
  • Die Rechte der Kinder aus Art. 6 V GG seien nicht betroffen. Träger dieses Grundrechts seien nur Kinder, deren Eltern im Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet waren. Zwar sei auch im Fall eines in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Kindes der Elternteil nicht mit dem Adoptionswilligen verheiratet. Seien die Kinder jedoch aus einer Ehe ihrer leiblichen Eltern als eheliche Kinder hervorgegangen, greife Art. 6 V GG nicht (BVerfG NJW 2019, 1793, 1795). 
  • Schließlich bestätigte das BVerfG die Rechtsauffassung des BGH zu Art. 3 I GG, die daran anknüpft, dass die zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft auf der einen Seite und nichtehelicher Lebensgemeinschaft auf der anderen Seite differenzierende Adoptionsregelung nicht willkürlich und auch nicht unverhältnismäßig sei. Jedoch führten die Regelungen zu Ungleichbehandlungen, weil vollständig ausgeschlossen sei, dass ein Kind von seinem mit einem Elternteil in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Stiefelternteil adoptiert werden könne, ohne dass die verwandtschaftliche Beziehung zum Elternteil erlösche, wohingegen ein Kind durch den mit einem Elternteil verheirateten Stiefelternteil ohne Erlöschen der Verwandtschaft zum bleibenden Elternteil adoptiert und damit gemeinschaftliches Kind beider Eltern werden könne (BVerfG NJW 2019, 1793, 1795). Diese Ungleichbehandlung sei nicht zu rechtfertigen. Zwar sei es ein legitimes Mittel, eine Stiefkindadoption zum Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption nur dann zuzulassen, wenn die Beziehung zwischen Elternteil und Stiefelternteil (besser müsste man vom Adoptionswilligen sprechen, denn noch ist dieser ja nicht Stiefelternteil) längeren (und rechtlich stabilen) Bestand verspricht, jedoch sei der vollständige Ausschluss der Adoption von Stiefkindern in allen nichtehelichen Familien nicht gerechtfertigt, da die gesetzlichen Regelungen Stiefkindern in nichtehelichen Familien, auch wenn diese tatsächlich ebenso stabil sind wie eheliche Familien, eine Adoption durch den Stiefelternteil strikt vorenthielten. Für den Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Stiefkindfamilien bestehe gemessen an Regelungsgegenstand und Regelungsziel kein hinreichend gewichtiger Sachgrund (BVerfG NJW 2019, 1793, 1802). Die Regelungen seien daher verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe bis zum 31.3.2020 Zeit, eine Neuregelung zu treffen, mittels derer der Schutz des Stiefkindes vor einer nachteiligen Adoption auf andere, verhältnismäßige Weise gesichert werde (BVerfG NJW 2019, 1793, 1802).
Stellungnahme: Das BVerfG hat das vom Verfasser in der 10. Auflage 2018 seines Werkes zum Familienrecht angeführte Argument der unterschiedlichen Behandlung von Kindern mit nur einem Elternteil, der in einer (neuen) Ehe (oder Lebenspartnerschaft nach dem LPartG) lebt, und Kindern, deren Elternteil mit seinem neuen Partner zusammenlebt, ohne mit diesem eine rechtliche Beziehung in Form einer Ehe oder Lebenspartnerschaft eingegangen zu sein, letztlich bestätigt. Sehr ausführlich prüft das BVerfG die Ungleichbehandlung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit (statt sich auf die Willkürformel zu beschränken) und wägt Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Es kommt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die Verwehrung der Adoption durch einen nichtehelichen Lebenspartner es ausschließe, dass dieser die Sorge für die Entfaltung des Kindes in vollem Umfang übernehmen könne. Die mit der Verwehrung der rechtlich vollwertigen Elternstellung verbundenen Beschränkungen elterlicher Befugnisse erschwerten das familiäre Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern, wodurch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber Kindern bestehe, bei denen der Adoptionswillige mit dem leiblichen Elternteil verheiratet sei. Wie aufgezeigt, überzeugt diese Entscheidung gerade mit Blick auf die sich wandelnden gesellschaftlich-familiären Strukturen, bei denen es um tatsächlich gelebte Einstands- und Verantwortungsgemeinschaften geht. Nach Schaffung einer neuen Rechtslage durch den Gesetzgeber dürfte die zum Schutz des Kindeswohls erforderliche Verbindlichkeit dadurch gewährleistet sein, dass das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinsamen Kindes des Elternteils und des Annehmenden und umgekehrt der Annehmende gemeinsam mit dem leiblichen Elternteil die elterliche Sorge erlangt, was durch eine entsprechende Änderung u.a. des § 1754 BGB zu bewerkstelligen wäre.

Eine Gesetzesinitiative liegt bereits vor.

Rolf Schmidt (19.08.2019)






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