Aktuelles 2020 Kaufrechtliche Bestimmungen über Neu- und Gebrauchtsachen beim Tierkauf

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10.07.2020: Kaufrechtliche Bestimmungen über Neu- und Gebrauchtsachen beim Tierkauf

Zugleich zur Frage nach der Unionsrechtskonformität des § 476 II BGB (vertragliche Verkürzung der Verjährungsfristen bei gebrauchten Gütern auf bis zu ein Jahr)

BGH, Urteil v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (NJW 2020, 759)

Mit Urteil v. 09.10.2019 hat der VIII. Zivilsenat des BGH (VIII ZR 240/18) über die Gewährleistungsverjährung beim Tierkauf (hier: Pferdekauf bei einer Pferdeauktion) zu entscheiden gehabt. Dabei kam es maßgeblich auf folgende Fragen an:
  • Lag mit dem Kauf ein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 I S. 1 BGB vor?
  • Handelte es sich bei dem gekauften Tier um eine „neue Sache“ oder eine „gebrauchte Sache“?
  • Wurde der Kauf im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung getätigt? 
Denn liegt ein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 I S. 1 BGB vor, beträgt die gesetzliche Gewährleistungsverjährung bei neuen Sachen immer zwei Jahre (§ 438 I Nr. 3 BGB). Bei Gebrauchtsachen kann sie auf maximal ein Jahr verkürzt werden (§§ 474 II S. 1, 476 II BGB), was jedoch europarechtswidrig sein könnte (dazu unten Punkt 4). Bei einer öffentlichen Versteigerung gelten gem. § 474 II S. 2 BGB die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf jedoch nicht. Daher ist also zunächst zu prüfen, ob ein Verbrauchsgüterkauf vorlag und es sich bei dem gekauften Pferd um eine „neue Sache“ oder eine „gebrauchte Sache“ handelte. Sodann ist zu prüfen, ob der Kauf im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Versteigerung getätigt wurde, an der Verbraucher persönlich teilnehmen können. Sollte das der Fall sein, greifen die Vorschriften über die Gewährleistungsverjährung des Verbrauchsgüterkaufs nicht, sondern es gelten die allgemeinen Bestimmungen sowie das AGB-Recht. All dies soll anhand einer methodisch und systematisch geordneten Prüfung geklärt werden.

I. Sachverhalt: K ersteigerte auf einer von V veranstalteten öffentlichen Versteigerung den seinerzeit knapp zweieinhalb Jahre alten ungekörten Hengst „A“ zum Preis von rund 25.000 €. V veräußerte als öffentlich bestellter Versteigerer das Pferd im eigenen Namen als Kommissionär (i.S.d. § 383 HGB). Der Hengst war zum Zeitpunkt der Auktion weder geritten noch angeritten worden. Vor der Versteigerung wurde das Pferd klinisch untersucht, wobei sich laut tierärztlichem Untersuchungsprotokoll keine besonderen Befunde ergaben. Der Rücken des Hengstes wurde allerdings nur äußerlich, nicht auch röntgenologisch untersucht. Die in dem von der K zur Kenntnis genommenen Auktionskatalog abgedruckten Auktionsbedingungen des V enthalten unter anderem folgende Regelung:

„D. (…) V. Der Gewährleistungsanspruch des Käufers verjährt bei Schadensersatz und bei Ansprüchen wegen Beschaffenheitsmängeln gem. I 1 [= Angaben im Auktionskatalog] und 2 [= in Röntgenaufnahmen und im Untersuchungsprotokoll dokumentierte körperliche Verfassung] drei Monate nach dem Gefahrübergang, bei Ansprüchen wegen Beschaffenheitsmängeln gem. I 3 a bis 3 c (Samenqualität, Deck- und Befruchtungsfähigkeit gekörter Hengste) am 31.5. des auf den Gefahrübergang folgenden Jahres. Diese Befristung gilt nicht, soweit Ansprüche betroffen sind, die auf Ersatz eines Körper- und Gesundheitsschadens wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels gerichtet oder auf grobes Verschulden des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen gestützt sind. In solchen Fällen gilt die gesetzliche Frist.“

Der Hengst wurde nach Übergabe an K kastriert. Nach einer von K später veranlassten tierärztlichen Untersuchung forderte K den V mit Anwaltsschreiben unter Fristsetzung von 14 Tagen vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Sie stützte ihr Begehren darauf, dass sie nach der Übergabe zunächst nur versucht habe, das in ihrem Stall untergebrachte Pferd zu longieren und an Sattel und Reitergewicht zu gewöhnen. Bereits dabei habe sich das Pferd auffällig widersetzlich, schwierig und empfindlich gezeigt. Nach einer mehrmonatigen Zeit auf der Koppelweide habe sie mehrere Monate lang versucht, das Pferd anzureiten. Dabei habe sich herausgestellt, dass es für sie nicht reitbar sei. Es habe schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion sog. Kissing Spines im Bereich der Brust- und der Lendenwirbelsäule sowie eine Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhaupts aufgewiesen. V wies das Begehren der K mit der Einrede der Verjährung zurück, da die Übergabe des Hengstes an K bereits länger als ein Jahr zurücklag.

Anm. 1: Bei Kissing Spines handelt es sich um eine bei Pferden nicht selten vorkommende Rückenfehlbildung, bei der einige Dornfortsätze der Wirbelsäule so nahe aneinander stehen, dass sie sich bei Bewegung des Pferdes berühren und starke Schmerzen verursachen. Dadurch kann es passieren, dass das Pferd schmerzbedingt unkontrollierbar wird und schon gar nicht geritten werden kann.

Anm. 2: Bei einer Kommission (auch i.S.d. § 383 HGB) handelt es sich um einen Fall der sog. mittelbaren Stellvertretung: Der Kommissionär handelt im eigenen Namen, aber im wirtschaftlichen Interesse der dahinterstehenden Person (des Kommittenten). Dadurch, dass der Kommissionär im eigenen Namen handelt, liegt kein Fall der Stellvertretung i.S.d. § 164 I BGB vor. Vertragspartner des Käufers ist also der Kommissionär, nicht der Kommittent. Aus diesem Grund wird auch nicht die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Kommissionärs dem Kommittenten unmittelbar zugerechnet (was bei einer unmittelbaren Stellvertretung nach § 166 I BGB der Fall wäre). Auch bei einer Versteigerung (Auktion) ist Kommission denkbar, wenn das Auktionshaus Sachen des Einlieferers versteigert. Ob in einem solchen Fall Kommission oder eine unmittelbare Stellvertretung vorliegt, hängt in erster Linie davon ab, ob der Einlieferer anonym bleiben möchte (dann Kommission, da Stellvertretung nach § 164 BGB Offenkundigkeit voraussetzt). Liegt Kommission vor, ist der Kommissionär Vertragspartner des Käufers; Mängelansprüche sind in diesem Vertragsverhältnis geltend zu machen. Bei unmittelbarer Stellvertretung ist der Vertretene Vertragspartner des Käufers und dieser kann und muss sich hinsichtlich Mängelrechte direkt an den Vertretenen halten.    

II. Lösung: Ziel des Rückabwicklungsbegehrens ist die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes (siehe § 346 BGB). Rechtsgrundlage des Rückzahlungsbegehrens könnte damit § 346 BGB sein. Die Voraussetzungen für einen kaufrechtlichen Rücktritt ergeben sich aus §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323, 326 V BGB. Diese sind:
  • Wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB)
  • Leistung ist fällig (§ 323 I BGB)
  • Kaufgegenstand weist einen Sach- oder Rechtsmangel (§§ 434, 435 BGB) bei Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) auf
  • Fristsetzung durch Käufer (ggf. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung beachten – etwa nach § 323 II BGB, nach § 326 V BGB oder wegen Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs)
  • Verkäufer hat seine in angemessener Frist (oder Zeit) vorzunehmende Nacherfüllung nicht geleistet
  • Käufer hat Rücktritt erklärt (§ 349 BGB)
  • Nichteingreifen von Ausschlussgründen (wie z.B. bei wirksamem Ausschluss der Mängelrechte, Verjährung oder bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 V S. 2 BGB)

1. Wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB)
V und K haben einen Kaufvertrag über einen Hengst zum Preis von rund 25.000 € geschlossen. Dass das Geschäft in Form einer Versteigerung (siehe § 156 BGB: Gebot und Zuschlag) erfolgte, ändert am Rechtscharakter des Vertrags nichts. Einwendungen wie Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), Verstoß gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) oder Anfechtung (§ 142 I BGB, §§ 119 ff. BGB) sind nicht erkennbar. Auch die Eigenschaft des Kaufgegenstands als Tier ist unschädlich. Zwar sind gem. § 90a S. 1 BGB Tiere keine Sachen, jedoch gelten gem. § 90a S. 3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auch für Tiere. Tiere können daher ohne weiteres Gegenstand von Kaufverträgen sein (siehe etwa BGH 09.10.2019 – VIII ZR 240/18). Ein wirksamer Kaufvertrag liegt vor.

2. Leistung ist fällig (§ 323 I BGB)
An der Fälligkeit bestehen keine Zweifel.

3. Kaufgegenstand weist einen Sach- oder Rechtsmangel (§§ 434, 435 BGB) bei Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) auf
Kaufgegenstand ist der knapp zweieinhalb Jahre alte ungekörte Hengst „A“. Am Kaufgegenstand müsste zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sach- oder Rechtsmangel vorgelegen haben. Vorliegend kommt allein ein Sachmangel in Betracht. Das richtet sich nach § 434 BGB. Nach § 434 I S. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach allgemeiner Auffassung ist Beschaffenheitsvereinbarung die auf Vorstellungen der Parteien beruhende Vereinbarung über die Beschaffenheit oder den Verwendungszweck der gekauften Sache. Weicht die objektive Beschaffenheit von der vereinbarten ab, liegt ein Sachmangel vor (= subjektiver Fehlerbegriff). Das heißt: Ein Mangel liegt demnach vor, wenn die Ist-Beschaffenheit zum Nachteil des Käufers von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht. Auf die Kriterien des § 434 I S. 2 BGB ist nur dann einzugehen, wenn nach § 434 I S. 1 BGB kein Mangel festgestellt werden kann. Die (prüfungstechnische) Nachrangigkeit der Kriterien des § 434 I S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ergibt sich aus der Formulierung: „Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn...“.

Von einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Denn die Parteien haben nicht über Kissing Spines im Bereich der Brust- und der Lendenwirbelsäule sowie eine Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhaupts gesprochen. Ein Sachmangel kann sich daher lediglich aus § 434 I S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB ergeben. Sofern man davon ausgeht, dass die Parteien auch keinen Verwendungszweck vereinbart haben (Nr. 1), darf der Käufer eines Pferdes jedenfalls erwarten, dass das Pferd gesund und reitfähig ist (Nr. 2). Ein Sachmangel liegt gem. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB vor.

Da Kissing Spines eine (genetisch bedingte) Rückenfehlbildung darstellt, lag diese bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes vor. Mithin lag der Sachmangel auch zum maßgeblichen Zeitpunkt gem. § 446 BGB vor.

4. Fristsetzung durch Käufer (ggf. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung beachten – etwa nach § 323 II BGB, nach § 326 V BGB oder wegen Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs)
a. Grundsatz des Fristsetzungserfordernisses
Weiterhin müsste gem. § 323 I BGB K grundsätzlich eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben. K forderte den V mit Anwaltsschreiben unter Fristsetzung von 14 Tagen vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Eine Frist zur Nacherfüllung setzte sie aber nicht. Ob eine Frist zur Rückabwicklung (auch) als Fristsetzung zur Nacherfüllung verstanden werden kann, ist zweifelhaft; vielmehr dürfte allein die Rückabwicklung in Rede stehen und die Frist solle den Weg für eine Klage freimachen. Dennoch kann die Frage dahinstehen, wenn eine Fristsetzung entbehrlich war.  

b. Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. Art. 3 V Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
Geht es um einen Verbrauchsgüterkauf, also um einen Kauf, bei dem der Käufer einer beweglichen Sache Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist und der Verkäufer ein Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB, sind die Vorgaben des Art. 3 V der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) zu beachten, wonach bei einem Verbrauchsgüterkauf der Rücktritt des Verbrauchers (bereits dann) zulässig ist, wenn er innerhalb einer angemessenen Zeit erfolgt (vgl. Art. 3 V RL 1999/44/EG, wo es in der englischen Fassung heißt: „within a reasonable time“, also „innerhalb einer angemessenen Zeit“, und wo von einer „Fristsetzung“ nichts zu lesen ist). Das Erfordernis einer Fristsetzung in § 323 I BGB widerspricht also dieser Regelung. Ob es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, erscheint auf den ersten Blick unklar, da über die Person des V nichts weiter bekannt ist. Da V aber als öffentlich bestellter Versteigerer auftrat, muss von einem Versteigerergewerbe i.S.d. § 34b GewO und damit vom Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs ausgegangen werden, da es sich bei K um eine Verbraucherin handelte. Danach war also schon deshalb (aufgrund des Erfordernisses der europarechtskonformen Auslegung der einschlägigen BGB-Vorschriften bzw. dort, wo eine Auslegung aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht möglich ist, aufgrund europarechtskonformer Rechtsfortbildung oder Nichtbeachtung des Begriffs „Fristsetzung“ in § 323 I BGB bei Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs) keine Fristsetzung erforderlich, sondern K musste nur zur Mängelbeseitigung auffordern und eine angemessene Zeit abwarten. Ob eine Zeit von 14 Tagen ausreicht, darf bezweifelt werden, kann aber dahinstehen, wenn ein sofortiger Rücktritt zulässig war:  

c. Sofortiger Rücktritt nach § 326 V BGB
So könnte sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 326 V BGB (sofortiger Rücktritt) unter dem Aspekt „Ausschluss der Leistungspflicht gem. § 275 I BGB“ ergeben. Wird dem Verkäufer die Nacherfüllung (in beiden Varianten des § 439 I BGB!) unmöglich, greift § 275 I BGB mit der Folge der Befreiung von der Leistungspflicht. Muss der Verkäufer demnach also nicht mehr nacherfüllen, würde eine Fristsetzung keinen Sinn machen. Der Käufer kann sofort zurücktreten, § 326 V BGB. Zu prüfen ist daher, ob eine Nacherfüllung in beiden Varianten, also in der Variante der Nachbesserung und in der Variante der Nachlieferung, unmöglich war.
  • Nachbesserung: Mit dieser Variante ist Mangelbehebung gemeint, bei Sachen Reparatur und bei Tieren Heilbehandlung. Das ist sowohl bei einer Gattungsschuld als auch bei einer Stückschuld denkbar. Geht man davon aus, dass eine Rückenfehlbildung nicht oder nur mit sehr aufwändigen und tierquälerischen Operationen behoben werden könnte, kann V nicht nachbessern (gem. § 275 I, II oder III BGB).
  • Nachlieferung: Diese Variante beschreibt die Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache. Möglicherweise ist die Nachlieferung aber von vornherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen. Denn bei einer sog. Stückschuld (Speziesschuld), d.h. bei einem Schuldverhältnis, bei dem die geschuldete Sache nach individuellen Merkmalen konkret bestimmt (und daher nicht austauschbar) ist, ist der Erfüllungsanspruch im Ausgangspunkt der Systematik auf die konkrete Sache begrenzt. Typische Fälle einer Stückschuld sind der Kauf von neuen Einzelstücken und von allen gebrauchten Sachen, da hier die Individualität im Vordergrund steht. Ein Anspruch auf Lieferung einer Ersatzsache kommt grds. nicht in Betracht, weil sich die Verbindlichkeit des Schuldners i.d.R. gerade auf diesen individualisierten Gegenstand beschränkt. Kann die Primärpflicht nicht erfüllt werden, tritt nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts grds. Unmöglichkeit (§ 275 I BGB) ein mit der Folge, dass der Schuldner frei wird von seiner Leistungsverpflichtung. Eine Ersatzlieferung scheidet damit grds. aus.
Bei einem zweieinhalb Jahre alten Pferd handelt es sich sicherlich um ein „Einzelstück“. Jedoch ist im Kaufrecht auch bei einer Stückschuld Nachlieferung nicht von vornherein ausgeschlossen. Kann der Verkäufer eine vergleichbare (d.h. gleichartige und gleichwertige) Sache beschaffen bzw. liefern, ist nach Auffassung des BGH von Erfüllungstauglichkeit der Ersatzsache auszugehen, wenn dies dem durch Auslegung zu ermittelnden (objektivierten) Willen (§§ 133, 157 BGB) der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht (BGHZ 168, 64, 71 ff. unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform 2002 BT-Drs. 14/6040, S. 232). Maßgeblich sei, ob nach den Vorstellungen der Parteien die Kaufsache im Fall ihrer Mangelhaftigkeit nach dem Vertragszweck und ihrem erkennbaren Willen durch eine gleichartige und gleichwertige Sache ersetzt werden könne, also austauschbar sei (BGH, Urteil v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18 Rn. 42 (NJW 2020, 1287, 1290) mit Verweis auf BGHZ 168, 64; BGH NJW 2019, 1133 Rn. 34; BGH NJW 2018, 789). Bei Gebrauchtwagen z.B. dürften maßgebliche Kriterien Alter, Farbe, Ausstattung, Zustand, Laufleistung, Anzahl der Vorhalter, bisherige Einsatzbedingungen etc. sein. Ist danach von einer Nacherfüllungstauglichkeit auszugehen und kann der Verkäufer nachliefern, tritt keine Unmöglichkeit ein. Da Tiere, insbesondere Hunde, aber auch Pferde, über individuelle Merkmale (Aussehen, Größe, Geschlecht, Charakter etc.) verfügen, wird es denParteien regelmäßig nicht einerlei sein, ein anderes Tier zu liefern bzw. anzunehmen. Im vorliegenden Fall gilt aber die Besonderheit einer Versteigerung i.S.d. § 156 BGB: Der Zuschlag bezieht sich immer auf die konkret angebotene Sache. Der Versteigerungsgegenstand ist daher immer konkret-individuell und nicht austauschbar.  

Im vorliegenden Fall ist eine Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung daher ebenso ausgeschlossen wie eine Mangelbeseitigung. Eine Fristsetzung war daher entbehrlich gem. § 326 V BGB.

5. Käufer hat Rücktritt erklärt (§ 349 BGB)
K forderte den V mit Anwaltsschreiben unter Fristsetzung von 14 Tagen vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Eine Rücktrittserklärung liegt vor.

6. Nichteingreifen von Ausschlussgründen (wie z.B. bei wirksamem Ausschluss der Mängelrechte, Verjährung oder bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 V S. 2 BGB)
An der Erheblichkeit des Mangels bestehen keine Bedenken. Das Pferd ist praktisch nicht reitbar. Ein Ausschluss der Mängelrechte wurde ersichtlich nicht vereinbart, sodass die Frage, ob wegen Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs ein Ausschluss überhaupt wirksam wäre, dahinstehen kann. Jedoch könnte dem Rücktrittsrecht der K die von V erhobene Einrede der Verjährung entgegenstehen.

a. Verjährung nach verbrauchsgüterkaufrechtlichen Maßstäben 
Mängelansprüche nach § 437 Nr. 1 BGB (Nacherfüllung) und nach § 437 Nr. 3 BGB (Schadensersatz, Aufwendungsersatz) unterliegen der Verjährung des § 438 BGB. In § 438 BGB ist aber nicht die Rede von einer Verjährung der in § 437 Nr. 2 BGB genannten Rechte der Minderung und des Rücktritts, was die Frage nach deren Fristen aufwirft. Beim Rücktritt und bei der Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB) handelt es sich nicht um Ansprüche, sondern um Gestaltungsrechte: Mit ihrer Hilfe „gestaltet“ der Käufer das Schuldverhältnis neu. Da aber nur Ansprüche der Verjährung unterliegen (vgl. § 194 BGB), können Rücktritt und Minderung an sich nicht verjähren (klarstellend BGH NJW 2015, 2106, 2108). Das heißt aber nicht, dass diese Rechte unbefristet ausgeübt werden könnten. Denn der Gesetzgeber hat die Frist zur Ausübung dieser Rechte an die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gekoppelt. Rücktritt und Minderung sind also nicht mehr möglich, wenn der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt ist und der Verkäufer sich hierauf beruft (§ 438 Abs. 4 i.V.m. § 218 BGB). Im Einzelnen gilt:
  • Ihrer Rechtsnatur als Gestaltungsrecht folgend, unterliegt die Minderung an sich nicht der Verjährung (siehe § 194 BGB, wonach nur Ansprüche der Verjährung unterliegen). Da aber die Minderung auch nicht in der Sondervorschrift des § 438 BGB genannt ist, könnte man meinen, sie sei unbefristet möglich. Dieser Gedanke trägt aber nicht. Denn durch die in § 437 Nr. 2 BGB angeordnete Alternativität von Minderung und Rücktritt, die grundsätzlich an dieselben Voraussetzungen anknüpfen, stellt der Gesetzgeber auch an die Verjährung bzw. den Ausschluss wegen Fristverstreichung dieselben Voraussetzungen. Es gilt daher (wie beim Rücktritt) über § 438 IV S. 1 BGB auch bei der Minderung die Regelung des § 218 BGB, der den Ausschluss des Rücktritts (und damit auch der Minderung) betrifft. Nach § 218 I S. 1 BGB ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Abzustellen ist also auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs: Ist der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt (bzw. wäre er verjährt), sind auch der Rücktritt und die Minderung ausgeschlossen.
  • Auch beim Rücktritt handelt es sich um ein Gestaltungsrecht: Mit seiner Hilfe „gestaltet“ der Käufer das Schuldverhältnis neu. Da – wie aufgezeigt – aber nur Ansprüche der Verjährung unterliegen (vgl. § 194 BGB), kann ein Rücktrittsrecht schon kategorisch nicht verjähren (klarstellend BGH NJW 2015, 2106, 2108). Das heißt aber nicht, dass dieses Recht unbefristet ausgeübt werden könnte. Denn der Gesetzgeber hat die Frist zur Ausübung dieses Rechts (wie desjenigen der Minderung) an die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gekoppelt. Ein Rücktritt ist also nicht mehr möglich (siehe § 218 I S. 1 BGB: „unwirksam“), wenn der (hypothetische) Anspruch auf Nacherfüllung verjährt ist und der Verkäufer sich hierauf beruft (§ 438 IV S. 1 i.V.m. § 218 BGB).
Vorliegend beruft sich V ausdrücklich auf Verjährung (wobei er sich streng genommen, aber nicht juristisch notwendigerweise, auf Unwirksamkeit berufen müsste).Daher ist zu prüfen, ob ein hypothetischer Anspruch auf Nacherfüllung verjährt wäre. Wäre dies der Fall, ist auch ein Rücktritt ausgeschlossen. Hinsichtlich der Verjährungs- bzw. Ausschlussfristen von Mängelrechten gilt:
  • Die Verjährungsfrist beträgt allgemein bei beweglichen Sachen (z.B. Autos, Smartphones, Computer etc., aber auch Tiere fallen darunter, vgl. § 90a BGB) 2 Jahre nach Ablieferung der Sache (§ 438 I Nr. 3, II BGB).
  • Da bei allen Kaufverträgen, die nicht Verbrauchsgüterkaufverträge sind (also Kauf „Privat von Privat“, „Unternehmer von Unternehmer“, „Unternehmer von Privat“), grundsätzlich bereits der vollständige Ausschluss der Gewährleistung zulässig wäre (zu den Einschränkungen siehe R. Schmidt, Kaufrecht, 3. Aufl. 2019, S. 137 ff.), ist erst recht eine Verkürzung der Verjährungsfristen individualvertraglich grundsätzlich zulässig. Das ergibt sich aus § 444 BGB, der von Ausschluss und Beschränkung spricht.
  • Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen, also in erster Linie bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen, bei denen auf Verkäuferseite ein Unternehmer und auf Käuferseite ein Verbraucher steht (vgl. § 474 I S. 1 BGB), ist ein Ausschluss der Gewährleistung niemals zulässig (siehe §§ 474 II S. 1, 476 I S. 1 BGB). Allein hinsichtlich der Frage, ob wenigstens eine Fristverkürzung möglich ist, bleibt Raum für eine Unterscheidung:
    • Beim Verbrauchsgüterkauf einer neuen Sache ist jegliche vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist bzgl. der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche auf weniger als zwei Jahre stets unzulässig (vgl. § 476 II BGB). 
    • Beim Verbrauchsgüterkauf einer gebrauchten Sache ist eine Verkürzung bis auf ein Jahr zulässig (§ 476 II BGB).
Ein Verbrauchsgüterkauf ist vorliegend anzunehmen (s.o.). Handelte es sich bei dem Kauf des Hengstes also um den Kauf einer „gebrauchten Sache“, könnte Verjährung eingetreten sein, da zwischen der Übergabe und der Rücktrittserklärung mehr als ein Jahr lag. Wäre der Hengst zum Zeitpunkt der Übergabe aber als „Neusache“ anzusehen, betrüge die Verjährungsfrist zwei Jahre, die in jedem Fall eingehalten wurde, sodass die Einrede der Verjährung unbegründet wäre.

Die Frage, wann ein Tier ein „Neutier“ oder ein „Gebrauchttier“ (juristisch eine „gebrauchte Sache“) ist, ist nicht so einfach zu beantworten wie bei Sachen, da Tiere nicht „neu hergestellt“, sondern geboren werden oder schlüpfen. Vorliegend handelt es sich um einen zum Zeitpunkt des Kaufs knapp zweieinhalb Jahre alten Hengst, was die Annahme rechtfertigen könnte, er sei eine Gebrauchtsache gewesen. Andererseits war der Hengst zu diesem Zeitpunkt (altersbedingt) weder als Reit- noch als Zuchttier verwendet worden und war auch nicht angeritten, was wiederum die Eigenschaft als „Neusache“ möglich erscheinen lässt.  
  • Nach einer Auffassung im Schrifttum ist jedes Tier mit der Geburt oder spätestens mit der ersten Nahrungsaufnahme als Gebrauchtsache anzusehen, da ab der Geburt ein gewisses, nur schwer beherrschbares Sachmängelrisiko bestehe und daher mit dem Tier nicht die Erwartungen an eine Neusache verbunden werden könnten (siehe etwa Lorenz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 474 Rn. 20). 
  • Andere wiederum sehen stets eine Neueigenschaft, solange das Tier noch nicht der bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt wurde (siehe etwa Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2069). 
  • Der BGH lehnt jedenfalls die erste Sichtweise prinzipiell ab. Sie sei unvereinbar mit § 90a S. 3 und §§ 474 ff. BGB, wonach mangels Sonderbestimmungen für Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Der Gesetzgeber habe sich bei der Verabschiedung dieser Bestimmungen von der Erwägung leiten lassen, dass es beim Kauf von Tieren keiner speziellen Regelung zur Sachmängelhaftung und zur Verjährung bedürfe, weil die neu eingeführten kaufrechtlichen Vorschriften auch diesen Bereich angemessen regelten und auch hier zwischen „neu“ und „gebraucht“ zu unterscheiden sei und daher etwa junge Haustiere oder lebende Fische als „neu“ auch i.S.d. § 475 II BGB (nunmehr: § 476 II BGB) zu behandeln seien (Rn. 26 des Urteils mit Verweis auf BGHZ 170, 31). Daher verbiete es sich, ein Tier unmittelbar nach seiner Geburt oder kurze Zeit danach – jedenfalls nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – bereits als „gebraucht“ anzusehen.  
Geht man mit dem BGH unter Anwendung der Sachvorschriften auch beim Tierkauf davon aus, dass zwischen Neusache und Gebrauchtsache zu unterscheiden ist, gilt es nunmehr der Frage nach den Abgrenzungskriterien nachzugehen. Der BGH macht sehr breite Ausführungen zu dieser Frage. So seien nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen (Rn. 30 des Urteils). Denn mit fortschreitendem Alter, insbesondere durch bestimmte biologische Entwicklungen, durch äußere Einwirkungen oder durch Umwelteinflüsse, könne ein Tier nachteilig verändert werden (Rn. 36 des Urteils) mit der Folge der Einstufung als „Gebrauchtsache“. In Bezug auf Pferde konstatiert der BGH aber im Ergebnis, dass sich bei der Frage, ob ein noch nicht genutztes Pferd noch als „neu“ oder bereits als „gebraucht“ zu bewerten sei, keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen ließen. Jedenfalls sei ein zum Zeitpunkt des Verkaufs weder gerittener noch angerittener und auch nicht einer sonstigen Verwendung (etwa Zucht) zugeführter knapp zweieinhalb Jahre alter Hengst, der schon seit längerer Zeit von der Mutterstute getrennt sei, infolgedessen über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen habe und seit Längerem geschlechtsreif sei, als „gebraucht“ i.S.v. § 474 II S. 2 BGB bzw. als nicht „neu hergestellt“ i.S.v. § 309 Nr. 8 lit. b ff BGB anzusehen (Rn. 47 des Urteils).

Das heißt also: Da es sich bei dem vorliegenden Kauf um einen Verbrauchsgüterkauf und beim Kaufgegenstand um eine „Gebrauchtsache“ handelt und gem. § 476 II BGB V die Frist für die Ausübung der Gewährleistungsrechte damit auf ein Jahr verkürzen durfte, wäre wegen § 476 II BGB die Ausübung des Rücktrittsrechts gem. § 438 IV S. 1 i.V.m. § 218 BGB in der Tat verjährt.  

b. Europarechtswidrigkeit des § 476 II BGB? 
§ 476 II BGB könnte jedoch mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG unvereinbar und damit in seiner Anwendung gesperrt sein. Die Richtlinie gewährt einen Mindestschutz für Verbraucher. Sie wurde mit Wirkung zum 01.01.2002 in Form des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) in nationales Recht umgesetzt. Die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs und andere verbraucherschützende Vorschriften sind im Rahmen dieser Schuldrechtsmodernisierung in das BGB eingefügt worden. Zweck der Richtlinie ist gem. Art. 1 I der RL die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zur Gewährleistung eines einheitlichen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarkts. Art. 2 der RL statuiert die Anforderungen an eine vertragsgemäße Leistung und Art. 3 der RL nennt die Rechte des Verbrauchers bei Vorliegen einer Vertragswidrigkeit. Im Fall gebrauchter Güter können gem. Art. 7 I UA 2 S. 1 der RL die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftet als in Art. 5 I der RL vorgesehen. Diese kürzere Haftungsdauer darf gem. Art. 7 I UA 2 S. 2 der RL ein Jahr aber nicht unterschreiten.

Damit spricht Art. 7 I der RL also von einer Haftungsdauer, die gem. Art. 5 I S. 1 der RL zwei Jahre ab Lieferung beträgt. Bei Gebrauchtgütern dürfen die Mitgliedstaaten diese Frist auf bis zu ein Jahr verkürzen. Nach der Lesart des EuGH bedeutet „Verkürzung der Haftungsdauer“ aber nicht, dass den Parteien die Möglichkeit eingeräumt ist, die Dauer der in Art. 5 I S. 2 der RL genannten Verjährungsfrist zu begrenzen (EuGH 13.7.2017 – C-133/16 (DAR 2018, 254 ff.): „Begrenzungsmöglichkeit hinsichtlich der Haftungsdauer des Verkäufers bei gebrauchten Gütern verleiht keine Befugnis zur Begrenzung der Verjährungsfrist.“). Auf den ersten Blick erscheint es nicht nachvollziehbar, warum mit Verjährungsfrist etwas anderes gemeint sein könnte als mit Haftungsdauer. Der EuGH differenziert aber mit Blick auf den Wortlaut des Art. 5 I S. 1 der RL (Haftung) und des Art. 5 I S. 2 (Verjährung). Mit diesen Bestimmungen habe die RL zwei verschiedene Fristen eingeführt, nämlich eine Haftungsdauer des Verkäufers und eine Verjährungsfrist. Die Dauer der Verjährungsfrist hänge nicht von der Haftungsdauer des Verkäufers ab:
  • Die Haftungsdauer beziehe sich auf den Zeitraum, in dem das Auftreten einer Vertragswidrigkeit des in Rede stehenden Gutes die in Art. 3 der RL vorgesehene Haftung des Verkäufers auslöse und somit zur Entstehung der Rechte führe, die Art. 3 der RL zugunsten des Verbrauchers vorsehe. Diese Haftungsdauer des Verkäufers betrage grundsätzlich zwei Jahre ab Lieferung des Gutes (Rn. 34 des Urteils, wobei sich dies bereits aus dem Wortlaut des Art. 5 I S. 1 der RL ergibt). Diese Frist (d.h. die Haftungsdauer) könne gem. Art. 7 I UA 2 der RL durch nationales Recht auf ein Jahr verkürzt werden (Rn. 42 des Urteils).
  • Demgegenüber handele es sich bei der Frist, auf die sich Art. 5 I S. 2 der RL beziehe, um eine Verjährungsfrist, die dem Zeitraum entspreche, in dem der Verbraucher seine Rechte, die während der Haftungsdauer des Verkäufers entstanden sind, tatsächlich gegenüber diesem ausüben könne. Da die RL von einer Verkürzung der Verjährungsfrist (anders als bei der Haftungsdauer) nichts sagt, geht der EuGH davon aus, dass diese Frist nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten steht
Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Unterscheidung zwischen Haftungsdauer und Verjährungsfrist nicht stimmig und auch nicht sachangemessen. Dementsprechend hätte auch der EuGH die Vorschrift des Art. 5 I der RL teleologisch auslegen können. Da er aber anders entschieden hat, gilt daher zumindest für die Praxis, dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist nicht zulässig ist. Da § 476 II BGB dem entgegensteht und auch nicht ausgelegt werden kann, ist die Unanwendbarkeit die Folge. Auch für Gebrauchtgüter beträgt damit die Verjährungsfrist zwei Jahre. Da der nationale Gesetzgeber nicht die Haftungsdauer verkürzt hat (was er aber hätte tun dürfen), haftet der Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf also generell zwei Jahre, auch bei Gebrauchtsachen. Vertragsklauseln, die eine kürzere Haftungsdauer bzw. eine kürzere Verjährungsfrist vorsehen, sind demnach unionsrechtswidrig und dürften somit vor Gericht keinen Bestand haben. Auf damit verbundene Folgefragen (wie etwa mögliche Amtshaftungsansprüche gegen den Staat wegen fehlerhafter Richtlinienumsetzung) kann im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen werden. Insgesamt aber ist aus den obigen Ausführungen klar geworden, dass der deutsche Gesetzgeber die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG in mindestens zwei Aspekten (Fristsetzung; Verjährung) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

Anm.: Zu beachten ist, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie demnächst von der Richtlinie (EU) 2019/771 v. 20.05.2019 (Warenkauf-Richtlinie; WKRL) abgelöst wird. Gemäß ihren Erwägungsgründen 1-8 soll die WKRL einen harmonisierten Binnenmarkt zugunsten der Verbraucher und der Unternehmer unterstützen und die Beseitigung der größten Hindernisse für die Entwicklung des grenzüberschreitenden Handels in der Union erreichen. Da der grenzüberschreitende Binnenmarkt ein großes Anwendungsfeld im Online-Handel hat, dürfte die Relevanz der WKRL überaus deutlich werden. Der Anwendungsbereich wird (wie die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU) ausschließlich Verbrauchergeschäfte betreffen (Art. 3 I WKRL). Eine der wohl gravierendsten Änderungen wird die Verlängerung der Beweislastumkehr sein. Diese wird gem. Art. 11 I WKRL ein Jahr ab Zeitpunkt der Lieferung betragen (bislang: 6 Monate) und kann sogar durch nationales Recht auf zwei Jahre ausgeweitet werden (Art. 11 II WKRL). Die WKRL ist gem. Art. 24 I bis zum 1.7.2021 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen; diese wenden die WKRL ab dem 1.1.2022 an. Die WKRL gilt gem. Art. 24 II keinesfalls für vor dem 1.1.2022 geschlossene Verträge. Im Zuge der damit verbundenen Umsetzung sind umfangreiche Änderungen im BGB zu erwarten und damit auch hinsichtlich der Verjährungsfristen.

c. Kauf im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung 
Jedoch könnten die Beschränkungen des Verbrauchsgüterkaufs schon gar nicht anwendbar sein, da K das Pferd bei einer öffentlichen Versteigerung erworben hat mit der Konsequenz, dass es auch auf die Europarechtskonformität des § 476 II BGB nicht ankommt. Denn gem. § 474 II S. 2 BGB gelten die Schutzvorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann. Das war vorliegend der Fall.

d. Verjährung aufgrund vertraglicher Klausel 
Sind die §§ 475-477 BGB also nicht anwendbar, könnte sich die Begründetheit der Verjährungseinrede des V damit letztlich nur noch aus der Vertragsklausel („Verjährungsfrist 3 Monate“) ergeben. Dazu müsste diese aber wirksam sein. In Betracht kommt ein Verstoß gegen das AGB-Recht der §§ 305 ff. BGB.
  • Ein möglicher Verstoß gegen § 309 Nr. 8b BGB scheidet von vornherein aus, da es sich bei dem in Rede stehenden Hengst – wie geprüft – um eine „Gebrauchtsache“ handelt, § 309 Nr. 8b BGB aber an Verträge über Lieferungen neu hergestellter Sachen anknüpft.
  • Auch ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB kommt nicht in Betracht, da der formularmäßige Haftungsausschluss die Haftung bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit sowie wegen grober Fahrlässigkeit unberührt lässt.
  • § 308 BGB ist thematisch nicht einschlägig, sodass ein diesbezüglicher Verstoß ebenfalls nicht angenommen werden kann. 
  • Ein Verstoß gegen § 307 II BGB (hier: Nr. 2) kann ebenfalls nicht angenommen werden, da die Klausel die Haftung nicht gänzlich ausschließt und damit nicht „wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist“.
  • Eine Unwirksamkeit könnte sich daher lediglich aus der Generalklausel des § 307 I S. 1 BGB ergeben. Danach ist eine Formularklausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Gemäß § 307 I S. 2 BGB kann sich die Unangemessenheit der Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der BGH erweitert den „Unangemessenheitsbegriff“ und nimmt eine unangemessene Benachteiligung an, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“ (Rn. 57 des Urteils mit Verweis auf die st. Rspr., etwa BGHZ 217, 1). V habe das Pferd nicht als Eigentümer, sondern als Kommissionär versteigert, sodass ihm der Hengst und dessen „Vorleben“ nicht aus eigener Anschauung bekannt gewesen seien und für ihn aus diesem Grunde bezüglich eventuell vorhandener verdeckter Mängel typischerweise ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko bestanden habe. Nicht für unerkannte bzw. verborgene Schäden haften zu müssen, sei daher ein berechtigtes Anliegen des V, das K nicht unangemessen benachteilige. Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf drei Monate ab Gefahrübergang benachteilige daher die K nicht unangemessen. 
7. Ergebnis und Stellungnahme: Auf der Basis des BGH-Urteils war daher die Einrede der Verjährung wirksam, sodass das Rücktrittsrecht der K nicht durchsetzbar war. Diese Auffassung des BGH überzeugt – jedenfalls mit der Begründung – nicht. Zunächst ist es nachvollziehbar, dass ein Kommissionär bzw. ein Versteigerer nicht für Mängel an der Sache einstehen möchte, die er selbst nicht kennt und auch nicht zu verantworten hat. Jedoch kann es auch nicht richtig sein, dass der Einlieferer, der den Mangel zu verantworten hätte, wenn er selbst als Verkäufer aufgetreten wäre, entlastet wird. Andererseits kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass jemand, der eine Sache im Rahmen einer als Versteigerung ausgestalteten Kommission erwirbt, naturgemäß ein größeres Risiko eingeht, da er die Sache „von Unbekannt“ erwirbt und sich auf das Risiko ja nicht einlassen muss. In jedem Fall erschiene es vorzugswürdiger, dass der Kommissionär mit dem Kommittenten eine Haftungsfreistellungsvereinbarung träfe und das auch in den Versteigerungsbedingungen formulierte, d.h. dies mit dem Erwerber vereinbarte. Dann haftete der Einlieferer gegenüber dem Erwerber so, wie wenn er selbst Vertragspartner wäre. Zwar wäre in diesem Fall seine Anonymität aufgedeckt, aber das wäre dann ja vertraglich so vereinbart. Verzichtete der Kommissionär auf eine solche Haftungsfreistellungsvereinbarung, haftete er nach der hier vorgeschlagenen Vorgehensweise selbst.  


Rolf Schmidt (10.07.2020)




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