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Beiträge 2020


27.06.2020: Sachmangel bei Kfz, wenn bei Zubehör(felgen) Betriebserlaubnis fehlt

BGH, Urteil v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18 (NJW 2020, 1287)

Mit Urteil v. 11.12.2019 hat der BGH entschieden, dass die Angabe „Allgemeine Betriebserlaubnis“ (im Folgenden: ABE) hinsichtlich mitverkaufter Zubehörteile (hier: Zubehörfelgen) eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 I S. 1 BGB in Bezug auf das Kfz darstellt. Fehle es daran, sei das Kfz mangelbehaftet und Gegenstand von Mängelrechten (hier: Rücktritt vom Vertrag). Ob das Urteil angesichts der Tatsache überzeugt, dass der Mangel eigentlich nur ein Zubehörteil betrifft und der Wagen als solcher ja mangelfrei ist, soll – gerade mit Blick auf die gravierenden Folgen eines Rücktritts – im Folgenden untersucht werden.

I. Sachverhalt:
K schloss als Verbraucher mit dem Autohändler V einen Kaufvertrag über einen fünf Jahre alten Pkw der Marke BMW zum Preis von 31.750 €. Im schriftlichen Kaufvertrag findet sich u.a. der folgende Zusatz: „Inkl. 1 x Satz gebrauchte Winterräder auf Alufelgen (ABE [= Allgemeine Betriebserlaubnis] für Winterräder wird nachgereicht).“ Das Fahrzeug wurde K nach Zahlung des Kaufpreises noch am selben Tag mit achtfacher Bereifung übergeben, wobei (wegen der winterlichen Jahreszeit) die Winterräder montiert waren. Die Felgen der Winterräder stammten nicht vom Hersteller des Fahrzeugs; vielmehr waren sie lediglich mit einem BMW-Emblem versehen und für das verkaufte Pkw-Modell nicht zugelassen. Im Frühling stellte K fest, dass bei seinem Fahrzeug die hintere Federung nicht funktionierte. Er unterrichtete V hierüber, übertrug diesem aber nicht die Behebung des gerügten Mangels, sondern ließ die Luftfederung zwei Tage später bei einem Kfz-Meisterbetrieb seiner Wahl austauschen. Hierfür fielen Kosten i.H.v. 981,45 € an, deren Erstattung V ablehnte. Wieder einige Monate später trat am Pkw ein Defekt am Turbolader auf. Dieser wurde von V ersetzt. K macht geltend, V habe einen leistungsstärkeren und älteren Turbolader eines anderen Herstellers eingebaut, weswegen eine ordnungsgemäße Nachbesserung nicht erfolgt sei. Nachdem eine Einigung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen war, erklärte K unter Bezugnahme auf den bisherigen Schriftverkehr den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte V auf, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis i.H.v. 31.750 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 793,75 €, mithin 30.956,25 €, zurückzuzahlen sowie ihm die An- und Abmeldekosten von insgesamt 120 € und die angefallenen Kosten für die Erneuerung der Luftfederung i.H.v. 981,45 € zu erstatten.

Später – nach Klageerhebung bzgl. des Streits um die defekte Luftfederung und den Turbolader – setzte K dem V per E-Mail eine Frist zur Aushändigung der ABE für die Felgen der Winterräder und verlangte Zahlung von 32.057,70 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

II. Vorüberlegung: Zunächst erscheint das Vorgehen des K wenig konsistent und nachvollziehbar, wenn er nach einem erklärten Rücktritt einen weiteren „hinterherschiebt“. Das mag einem „Absicherungsbestreben“ geschuldet sein, weil K später der Auffassung gewesen sein könnte, die zunächst vorgebrachten Gründe würden für einen erfolgreichen Rücktritt nicht genügen. Damit kommen für einen Rücktritt insgesamt folgende Gründe in Betracht:
  • defekte Luftfederung
  • defekter Turbolader
  • fehlende ABE der Zubehörfelgen
Wenn man aber bedenkt, dass der Defekt an der Luftfederung bereits behoben wurde und es dabei lediglich um die Übernahme der Fremdreparaturkosten geht, wird deutlich, dass ein Rücktritt diesbezüglich nicht gegeben sein kann, sondern ausschließlich ein möglicher Aufwendungsersatzanspruch (nach § 439 II BGB oder nach § 437 Nr. 3 Var. 2 BGB). Und hinsichtlich des Turboladers ist unklar, ob ein Rücktritt erfolgreich wäre, da dieser ja ausgetauscht wurde und K lediglich behauptet, es sei ein leistungsstärkerer und älterer Turbolader eines anderen Herstellers verbaut worden, zumal K ohnehin bei einem fünf Jahre alten Gebrauchtwagen keinen Anspruch darauf hätte, dass im Rahmen einer Mangelbeseitigung nur Neuteile und Originalteile des Herstellers verbaut werden. Damit fokussiert sich die Rücktrittsprüfung auf die fehlende ABE der Zubehörfelgen.

III. Prüfung: Die Voraussetzungen für einen kaufrechtlichen Rücktritt ergeben sich aus §§ 437 Nr. 2 Var. 1, 323, 326 V BGB. Diese sind:
  • Wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB)
  • Leistung ist fällig (§ 323 I BGB)
  • Kaufgegenstand weist einen Sach- oder Rechtsmangel (§§ 434, 435 BGB) bei Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) auf
  • Fristsetzung durch Käufer (ggf. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung beachten – etwa nach § 323 II BGB, nach § 326 V BGB oder wegen Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs)
  • Verkäufer hat seine in angemessener Frist (oder Zeit) vorzunehmende Nacherfüllung nicht geleistet
  • Käufer hat Rücktritt erklärt (§ 349 BGB)
  • Nichteingreifen von Ausschlussgründen (wie z.B. bei wirksamem Ausschluss der Mängelrechte, Verjährung oder bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 V S. 2 BGB)

1. Wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB)
V und K haben einen Kaufvertrag über einen fünf Jahre alten Pkw der Marke BMW zum Preis von 31.750 € geschlossen. Einwendungen wie Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), Verstoß gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) oder Anfechtung (§ 142 I BGB, §§ 119 ff. BGB) sind nicht erkennbar. Ein wirksamer Kaufvertrag liegt vor.

2. Leistung ist fällig (§ 323 I BGB)
Um einen Rücktritt auszuüben, muss die Leistung fällig sein. § 323 I BGB stellt dies klar. Die Fälligkeit ergibt sich aus § 271 BGB. Gemeint ist der Zeitpunkt, an dem der Schuldner spätestens leisten muss. Vor Fälligkeit ist ein Rücktritt grundsätzlich nicht möglich, außer, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Dann kann gem. § 323 IV BGB der Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten. Vorliegend steht die Fälligkeit außer Zweifel.

3. Kaufgegenstand weist einen Sach- oder Rechtsmangel (§§ 434, 435 BGB) bei Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) auf
Kaufgegenstand ist der fünf Jahre alte BMW nebst Zubehörfelgen. Am Kaufgegenstand müsste zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sach- oder Rechtsmangel vorgelegen haben. Vorliegend kommt allein ein Sachmangel in Betracht. Das richtet sich nach § 434 BGB. Nach § 434 I S. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Das heißt: Ein Mangel liegt demnach vor, wenn die Ist-Beschaffenheit zum Nachteil des Käufers von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht. Auf die Kriterien des § 434 I S. 2 BGB ist nur dann einzugehen, wenn nach § 434 I S. 1 BGB kein Mangel festgestellt werden kann. Die (prüfungstechnische) Nachrangigkeit der Kriterien des § 434 I S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB ergibt sich aus der Formulierung: „Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn...“.

a. Defekte Luftfederung und defekter Turbolader
Hinsichtlich der Luftfederung und des Turboladers ist keine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB ersichtlich. Ein Sachmangel kann sich daher lediglich aus § 434 I S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB ergeben. Jedenfalls darf ein Käufer eine funktionierende Luftfederung und einen funktionierenden Turbolader bei Autos, die mit diesen Teilen ausgestattet sind, erwarten. Ein Sachmangel liegt gem. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB vor.

b. Zubehörfelgen ohne ABE
Hinsichtlich der Zubehörfelgen könnte indes eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB vorliegen. Dagegen spricht aber, dass die Zubehörfelgen nicht Gegenstand eines separaten Kaufgegenstands waren. Kaufgegenstand war vielmehr der BMW, der neben den Werksfelgen lediglich über einen zweiten Satz Felgen (die Zubehörfelgen) verfügte. Der BMW selbst (i.V.m. den Werksfelgen) ist ja nicht von der fehlenden ABE der Zubehörfelgen betroffen. Daher meinte die Revision (OLG Stuttgart 13.11.2018 – 10 U 46/18, folgend auf LG Heilbronn, 16.02.2018 – 11 O 144/17), die vertragliche Abrede betreffe nur die Beschaffenheit des Wagens als „eigentlichen“ Kaufgegenstand und erstrecke sich nicht auf die mitgelieferten Zubehörfelgen. Der BGH ist dem entgegengetreten. Die Parteien hätten im Kaufvertrag vereinbart, dass auch ein Satz gebrauchter Winterräder auf Alufelgen Kaufgegenstand sei und dass V die ABE für die Winterräder nachreiche. Diese Abrede habe bei der gebotenen interessengerechten Auslegung zum Inhalt, dass V für das Vorhandensein einer ABE der Felgen für das verkaufte Fahrzeug in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr übernehme und damit seine Bereitschaft zu erkennen gebe, für alle gewährleistungsrechtlichen Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (Rn. 35 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW 2017, 2817 Rn. 13; BGH NJW 2019, 1937 Rn. 22). Zudem werde ein Käufer, der – wie hier – Wert auf die Nutzung zugelassener Räder legt, bei objektiver Betrachtung im Fall der Kenntniserlangung von dem Nichtvorliegen einer Betriebserlaubnis für die Felgen das Fahrzeug nicht in einer den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Form (also unter Verwendung der mitgelieferten Zubehörfelgen) nutzen wollen und dürfen (Rn. 36 des Urteils). Außerdem liege der Regelung des § 434 I BGB nach der Rechtsprechung des BGH ein weiter Beschaffenheitsbegriff zugrunde. Danach seien als Beschaffenheit einer Sache i.S.v. § 434 I BGB sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhafteten, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache hätten (Rn. 37 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW 2016, 2874 Rn. 10; BGH NJW 2013, 1948 Rn. 15; BGH NJW 2013, 1671 Rn. 10).

Danach umfasse die Beschaffenheitsvereinbarung auch die – bei Gefahrübergang montierten – Zubehörfelgen. Seien diese (wegen Fehlens einer ABE) mangelbehaftet, sei auch der Wagen mangelbehaftet. Diesem fehle damit die vereinbarte Beschaffenheit nach § 434 I S. 1 BGB.

Ist damit ein Sachmangel unter dem Aspekt der für K negativen Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der vertraglichen vereinbarten Soll-Beschaffenheit (§ 434 I S. 1 BGB) gegeben, erübrigt sich ein Eingehen auf die Kriterien des § 434 I S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB (Subsidiarität der Hilfskriterien, s.o.). Gleichwohl prüft der BGH relativ ausführlich, ob das Fehlen einer ABE bezüglich der Felgen (vgl. § 22 StVZO) zu einem Sachmangel des Wagens unter dem Aspekt des § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB führt, wonach eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln ist, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dieser Prüfung liegt der Gedanke zugrunde, dass das Fehlen einer ABE der Zubehörfelgen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis (BE) des Fahrzeugs führen könnte. Wäre dies der Fall, bestünde durchaus ein Mangel (auch) i.S.d. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB.

Anm.: Die Prüfung des BGH ist dem Umstand geschuldet, dass das Berufungsgericht den Sachmangel unter diesem Aspekt geprüft (und bejaht) hat. Daher war eine Auseinandersetzung in der Revision wegen des geltend gemachten Rechtsfehlers angezeigt.

Im Einzelnen führt der BGH hierzu aus, dass das Fehlen einer ABE bezüglich der Felgen, für die auch keine Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 21, 22 II S. 4 StVZO oder ein Nachtrag zur BE des Fahrzeugs nach §§ 22 III, 19 III Nr. 1 Buchst. b StVZO vorlegen hätten, nicht ohne Weiteres dazu führe, dass gem. § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO (Erlöschen der BE des Fahrzeugs, wenn durch vorgenommene Änderungen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist) die BE für das Fahrzeug erlösche. Vielmehr setze dies voraus, dass die – mit der Nutzung nicht zugelassener Felgen verbundene – nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursache (Rn. 30 des Urteils mit Verweis u.a. auf VGH Mannheim NJOZ 2012, 904 Rn. 27 u. 29). Damit nimmt der BGH also eine teleologische Interpretation des Merkmals „Erlöschen der BE des Fahrzeugs, wenn durch vorgenommene Änderungen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist“ vor. Die „Erwartung der Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer“ muss also auf konkreten Anhaltspunkten basieren und darf nicht generalisierend angenommen werden. So lässt sich nach Auffassung des BGH das Maß der für ein Erlöschen der BE erforderlichen Gefahr nicht abstrakt und absolut bestimmen. Denn der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad hänge von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und dem Ausmaß des möglichen Schadens ab (Rn. 31 des Urteils mit Verweis auf VGH Mannheim NJOZ 2012, 904 Rn. 32). Behörden und Gerichte hätten daher für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung – sei es durch unsachgemäßen Anbau eines an sich ungefährlichen Fahrzeugteils, sei es durch den Betrieb eines sachgerecht angebauten, aber gefährlichen Teils – eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lasse (Rn. 31 des Urteils mit Verweis auf VGH Mannheim NJOZ 2012, 904 Rn. 31 f.; OLG Köln NZV 1997, 283, 284).

Die vereinzelt von Zivilgerichten vertretene Auffassung, die Voraussetzungen des § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO seien regelmäßig erfüllt, wenn Änderungen vorgenommen würden, die das Fahrverhalten beeinflussten, was bei Änderungen an Reifen, Felgen und Fahrwerk ohne Weiteres der Fall sei (OLG Bamberg DAR 2005, 619), treffe daher nicht zu (Rn. 32 des Urteils). Es möge zwar sein, dass bei Veränderungen an den Rädern eines Fahrzeugs ein Indiz für eine zu erwartende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern bestehe, weil sie für die Verkehrssicherheit von besonderer Bedeutung seien (hier erfolgt der Verweis auf KG, Urt. v. 27.3.1998 – 2 Ss 341/97, 3 Ws [B] 76/98 Rn. 9). Gleichwohl setze die erforderliche Prognose der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der Verkehrsteilnehmer Feststellungen zu Art und Typ der geänderten Bereifung, zu Art und Umfang der Abweichung vom Originalzustand und zu dem Einfluss der Abweichung auf die Verkehrssicherheit voraus (hier erfolgt der erneute Verweis auf KG, Urt. v. 27.3.1998 – 2 Ss 341/97, 3 Ws [B] 76/98 Rn. 9).

Sein Ergebnis untermauert der BGH mit den Gesetzesmaterialien zur StVZO. Danach sei weder die Veränderung von Fahrzeugteilen, deren Beschaffenheit vorgeschrieben sei, noch die bloße Möglichkeit einer Gefährdung ausreichend, um die BE gem. § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO erlöschen zu lassen (Rn. 31 des Urteils mit Verweis auf BR-Drs. 629/93, 17 und u.a. auf VGH Mannheim NJOZ 2012, 904 Rn. 31). Dem Genügenlassen der bloßen Möglichkeit einer Gefährdung stehe auch schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen (Rn. 31 des Urteils mit Verweis auf BR-Drs. 629/93, S. 17). Erforderlich sei daher, dass durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen werde.

Fazit: Mithin fasst der BGH sein Ergebnis mit folgendem Leitsatz zusammen: „Die Betriebserlaubnis für ein Fahrzeug erlischt im Falle nachträglicher Veränderungen (hier: Montage nicht zugelassener Felgen) nur dann, wenn diese mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursachen. Dabei haben Behörden und Gerichte für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt.“

Stellungnahme: Den Ausführungen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis gem. § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO ist beizupflichten. Die Gefährdung für andere Straßenverkehrsteilnehmer muss konkret sein und ggf. mittels Sachverständigengutachten festgestellt werden. Die Montage von Zubehörfelgen, die an sich genehmigungsfähig sind (weil sie die materiellen Prüfkriterien erfüllen), bei denen aber die (formale) Zulassung fehlt, führt daher nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs. Nicht genehmigungsfähige Felgen begründen demgegenüber stets eine konkrete Gefährdung und führen zum Erlöschen der BE des Fahrzeugs. Da dies im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht nicht festgestellt wurde, kam der BGH zu dem zutreffenden Ergebnis, dass sich ein Sachmangel (am Fahrzeug) nicht mit der fehlenden ABE der Zubehörfelgen herleiten ließ.   

Im Ergebnis ist damit mit dem BGH ein Sachmangel gegeben. Der Sachmangel lässt sich zwar nicht auf eine etwaig erloschene BE des Fahrzeugs stützen, weil die für ein Erlöschen der BE nach § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO erforderliche konkrete Gefährdung für andere Straßenverkehrsteilnehmer nicht festgestellt wurde (es blieb unklar, ob die Zubehörfelgen genehmigungsfähig waren), sondern darauf, dass die mitverkauften, zum Zeitpunkt der Übergabe am Fahrzeug montierten Zubehörfelgen nicht über eine ABE verfügten, das Vorliegen einer ABE aber Bestandteil der Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB war. Da die ABE bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs fehlte, liegt der Sachmangel auch zum maßgeblichen Zeitpunkt gem. § 446 BGB vor.

4. Fristsetzung durch Käufer (ggf. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung beachten – etwa nach § 323 II BGB, nach § 326 V BGB oder wegen Vorliegens eines Verbrauchsgüterkaufs)
Weiterhin müsste gem. § 323 I BGB K grundsätzlich eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben. K setzte dem V per E-Mail eine Frist zur Aushändigung der ABE für die Felgen der Winterräder und verlangte Zahlung von 32.057,70 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Dadurch, dass K gleichzeitig das Rückzahlungsbegehren geltend machte, hat er keine – und damit auch keine angemessene – Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

Möglicherweise war eine Fristsetzung aber entbehrlich. Geht es um einen Verbrauchsgüterkauf, also um einen Kauf, bei dem – wie vorliegend – der Käufer einer beweglichen Sache Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist und der Verkäufer ein Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB, sind die Vorgaben des Art. 3 V der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) zu beachten, wonach bei einem Verbrauchsgüterkauf der Rücktritt des Verbrauchers (bereits dann) zulässig ist, wenn er innerhalb einer angemessenen Zeit erfolgt (vgl. Art. 3 V RL 1999/44/EG, wo es in der englischen Fassung heißt: „within a reasonable time“, also „innerhalb einer angemessenen Zeit“, und wo von einer „Fristsetzung“ nichts zu lesen ist). Das Erfordernis einer Fristsetzung in § 323 I BGB widerspricht also dieser Regelung. Jedoch hätte K auch danach eine angemessene Zeit abwarten müssen und hätte nicht gleichzeitig mit der Mangelbeseitigungsaufforderung den Rücktritt erklären dürfen.

Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung könnte sich aber gem. § 326 V BGB unter dem Aspekt „Ausschluss der Leistungspflicht gem. § 275 I BGB“ ergeben. Wird dem Verkäufer die Nacherfüllung (in beiden Varianten des § 439 I BGB!) unmöglich, greift § 275 I BGB mit der Folge der Befreiung von der Leistungspflicht. Muss der Verkäufer demnach also nicht mehr nacherfüllen, würde eine Fristsetzung keinen Sinn machen. Der Käufer kann sofort zurücktreten, § 326 V BGB. Zu prüfen ist daher, ob eine Nacherfüllung in beiden Varianten, also in der Variante der Nachbesserung und in der Variante der Nachlieferung, unmöglich war.
  • Nachbesserung: Mit dieser Variante ist Reparatur bzw. Ausbesserung gemeint, die sowohl bei einer Gattungsschuld als auch bei einer Stückschuld denkbar ist. Geht man davon aus, dass eine ABE für die mitverkauften Zubehörfelgen nicht beschaffbar ist (weil es sie nicht gibt), kann V nicht nachbessern. Die Möglichkeit der Legalisierung der Felgen durch Erteilung einer Einzelbetriebserlaubnis nach § 21 StVZO wurde – soweit ersichtlich – von V nicht angeboten.
  • Nachlieferung: Diese Variante beschreibt die Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache, wobei der BGH nicht deutlich genug herausarbeitet, ob die Nachlieferung in der Aushändigung der ABE für die mitverkauften Zubehörfelgen oder in der Lieferung anderer, gleichartiger Felgen mit ABE besteht. Allerdings ist von Letzterem auszugehen.
Möglicherweise ist die Nachlieferung aber von vornherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen. Denn bei einer sog. Stückschuld (Speziesschuld), d.h. bei einem Schuldverhältnis, bei dem die geschuldete Sache nach individuellen Merkmalen konkret bestimmt (und daher nicht austauschbar) ist, ist der Erfüllungsanspruch im Ausgangspunkt der Systematik auf die konkrete Sache begrenzt. Typische Fälle einer Stückschuld sind der Kauf von neuen Einzelstücken und von allen gebrauchten Sachen, da hier die Individualität im Vordergrund steht. Ein Anspruch auf Lieferung einer Ersatzsache kommt grds. nicht in Betracht, weil sich die Verbindlichkeit des Schuldners i.d.R. gerade auf diesen individualisierten Gegenstand beschränkt. Kann die Primärpflicht nicht erfüllt werden, tritt nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts grds. Unmöglichkeit (§ 275 I BGB) ein mit der Folge, dass der Schuldner frei wird von seiner Leistungsverpflichtung. Eine Ersatzlieferung scheidet damit grds. aus.

Jedoch ist im Kaufrecht auch bei einer Stückschuld Nachlieferung nicht von vornherein ausgeschlossen. Kann der Verkäufer eine vergleichbare (d.h. gleichartige und gleichwertige) Sache beschaffen bzw. liefern, ist nach Auffassung des BGH von Erfüllungstauglichkeit der Ersatzsache auszugehen, wenn dies dem durch Auslegung zu ermittelnden (objektivierten) Willen (§§ 133, 157 BGB) der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht (BGHZ 168, 64, 71 ff. unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform 2002 BT-Drs. 14/ 6040, S. 232). Bei Gebrauchtwagen z.B. dürften maßgebliche Kriterien Alter, Farbe, Ausstattung, Zustand, Laufleistung, Anzahl der Vorhalter, bisherige Einsatzbedingungen etc. sein. Ist danach von einer Nacherfüllungstauglichkeit auszugehen und kann der Verkäufer nachliefern, tritt keine Unmöglichkeit ein.

Auch im vorliegenden Fall ist nach Auffassung des BGH eine Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob eine Ersatzbeschaffung vorliegend möglich und geschuldet war/ist, hänge davon ab, ob nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) bei Vertragsschluss eine Nachlieferung von gleichartigen und gleichwertigen Felgen, die für das Fahrzeug zugelassen sind, in Betracht kommen sollte. Eine solche Ersatzbeschaffung scheide nicht schon deshalb aus, weil es sich bei dem Erwerb des gebrauchten Fahrzeugs inklusive Zubehörfelgen um einen Stückkauf handele (Rn. 41 des Urteils mit Verweis auf BGHZ 168, 64; BGHZ 170, 86; BGH NJW 2019, 1133 Rn. 31). Vielmehr sei der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsmodernisierung davon ausgegangen, dass das Interesse des Käufers, eine mangelfreie Sache zu erhalten, „in den meisten Fällen“ – auch beim Stückkauf – durch Nachbesserung oder Lieferung einer anderen, gleichartigen Sache befriedigt werden könne (hier erfolgt der Verweis auf BT-Drs. 14/6040, S. 89, 220, 230). Entscheidend sei letztlich, ob und in welchem Umfang der Verkäufer eine Beschaffungspflicht übernommen habe (Rn. 41 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW 2019, 1133 Rn. 31 ff.). Maßgeblich sei, ob nach den Vorstellungen der Parteien die Kaufsache im Fall ihrer Mangelhaftigkeit nach dem Vertragszweck und ihrem erkennbaren Willen durch eine gleichartige und gleichwertige Sache ersetzt werden könne, also austauschbar sei (Rn. 42 des Urteils mit Verweis auf BGHZ 168, 64; BGH NJW 2019, 1133 Rn. 34; BGH NJW 2018, 789). Dies könne insbesondere im Hinblick darauf, dass im Streitfall nicht das Fahrzeug selbst, sondern nur ein zusätzlich veräußerter Satz gebrauchter Zubehörfelgen mit Winterreifen von der Nacherfüllung betroffen sei, nicht schon im Ansatz verneint werden.

Allerdings macht der BGH auch deutlich, dass trotz abstrakter Nachlieferungsmöglichkeit die Nachlieferung durchaus ausgeschlossen sein kann, wenn der Käufer das Fahrzeug zuvor persönlich besichtigt habe und es ihm ausschließlich um dieses konkrete, mit der konkreten Ausstattung und mit individuellen Merkmalen versehene Auto gegangen sei und daher davon ausgegangen werden könne, das Fahrzeug solle in seiner Gesamtheit nicht gegen ein anderes austauschbar sein (BGHZ 168, 64, 71 ff.).

Da das Berufungsgericht zu alledem keine Feststellung getroffen hatte, konnte der BGH diese nicht auf Rechtsfehler hin überprüfen, sodass der BGH seine Rechtsprüfung auf das Fehlen der erforderlichen Feststellungen beschränken musste. Im Ergebnis bleibt daher offen, wie das Berufungsgericht, an das der BGH den Streit zurückverwiesen hat (Rn. 58 des Urteils), nach erneuter Beweisaufnahme entscheiden wird. Es wird u.a. zu ermitteln haben, ob es K insbesondere um die mitverkauften Felgen gegangen war. Sodann wird es festzustellen haben, ob nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) bei Vertragsschluss eine Nachlieferung von gleichartigen und gleichwertigen Felgen, die für das Fahrzeug zugelassen sind, in Betracht kommen sollte. Nach Auffassung des Bearbeiters ist das anzunehmen. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, dass K den Wagen allein oder überwiegend deswegen kaufte, weil diese konkreten Zubehörfelgen mitumfasst waren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er die fehlende ABE vorschob, um sich des Wagens durch Rücktritt einigermaßen schadlos zu entledigen.

Im Ergebnis ist daher von der Nacherfüllungstauglichkeit auszugehen: V kann durch Lieferung von anderen, gleichartigen und gleichwertigen (und zugelassenen bzw. zulassungsfähigen) Felgen nacherfüllen. Sollte V sich weigern, bleibt K der Weg über Kaufpreisminderung, nicht aber der Rücktritt.

5. Verkäufer hat seine in angemessener Frist (oder Zeit) vorzunehmende Nacherfüllung nicht geleistet
V hat trotz Aufforderungen keine ABE für die Felgen nachgeliefert und damit nicht die in angemessener Frist (oder Zeit) vorzunehmende Nacherfüllung geleistet.

6. Käufer hat Rücktritt erklärt (§ 349 BGB)
Die Rücktrittserklärung könnte darin gesehen werden, dass K infolge nicht erzielter Einigung über die Übernahme der Reparaturkosten des Luftfahrwerks (Luftfederung) und des verbauten Austauschturboladers unter Bezugnahme auf den bisherigen Schriftverkehr den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte und V aufforderte, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu erstatten. Weiterhin könnte die Rücktrittserklärung darin gesehen werden, dass K später V per E-Mail eine Frist zur Aushändigung der ABE für die Felgen der Winterräder setzte und Zahlung von 32.057,70 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangte.

Die jeweilige Rücktrittserklärung betrifft also den in Bezug genommenen Mangel.

7. Nichteingreifen von Ausschlussgründen (wie z.B. bei wirksamem Ausschluss der Mängelrechte, Verjährung oder bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 V S. 2 BGB)
Ein Ausschluss der Mängelrechte wurde ersichtlich nicht vereinbart. Einem Ausschluss stünde aber auch § 476 I S. 1 BGB entgegen, wonach eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers u.a. von den §§ 433-435, 437, 439-443 BGB abweicht, unwirksam ist. Bei einem Verbrauchsgüterkauf, also in erster Linie bei einem Kaufvertrag über eine neue oder gebrauchte bewegliche Sache, bei dem auf Verkäuferseite ein Unternehmer (§ 14 I BGB) und auf Käuferseite ein Verbraucher (§ 13 BGB) steht (vgl. § 474 I S. 1 BGB), ist ein Ausschluss der Gewährleistung schlicht unwirksam. Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, wäre also eine etwaige Vereinbarung über einen Gewährleistungsausschluss unwirksam.

Eine Verjährung liegt ebenfalls nicht vor. Mängelansprüche nach § 437 Nr. 1 BGB (Nacherfüllung) und § 437 Nr. 3 BGB (Schadensersatz, Aufwendungsersatz) unterliegen der Verjährung des § 438 BGB, die bei beweglichen Sachen (z.B. Autos, Smartphones, Computer etc.) 2 Jahre nach Ablieferung der Sache (§ 438 I Nr. 3, II BGB) beträgt und beim Kauf einer gebrauchten Sache auf ein Jahr verkürzt werden darf (§ 476 II BGB).
Da sich – wie aufgezeigt – die Verjährungsfristen gem. § 438 I BGB nur auf die Ansprüche aus § 437 Nr. 1 und 3 BGB beziehen (also auf Nacherfüllung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz) und es sich beim Rücktritt nicht um einen Anspruch, sondern um ein Gestaltungsrecht handelt (mit seiner Hilfe „gestaltet“ der Käufer das Schuldverhältnis neu), kann ein Rücktritt auch nicht der Verjährung unterliegen. Das heißt aber nicht, dass ein Rücktritt unbefristet ausgeübt werden könnte. Denn der Gesetzgeber hat die Frist zur Ausübung dieses Rechts an die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gekoppelt. Ein Rücktritt ist also nicht mehr möglich, wenn der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt ist und der Verkäufer sich hierauf beruft (§ 438 IV i.V.m. § 218 BGB). Nach den Sachverhaltsangaben ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärungen der Anspruch auf Nacherfüllung verjährt war.

Möglicherweise ist aber der von K erklärte Rücktritt wegen § 323 V S. 2 BGB unwirksam. Denn dadurch, dass die Rücktrittsfolgen für den Verpflichteten mitunter sehr weit reichend sind, hat der Gesetzgeber angeordnet, dass der Rücktritt ausgeschlossen ist, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 323 V S. 2 BGB), wobei es im Kaufrecht auf die Erheblichkeit des Sachmangels ankommt. Bei behebbaren Mängeln bei Neuwagen hat der BGH die Erheblichkeitsschwelle bei 5% angesiedelt (Rn. 47 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW 2014, 3229, 3230 f.; BGH NJW 2017, 153 Rn. 27; BGH DAR 2018, 78), aber gleichzeitig betont, dass diese Grenze nicht absolut gelte, sondern (wie) stets eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sei (Rn. 46 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW 2014, 3229, 3230 f.; BGH DAR 2018, 78). Jedoch werde es dem Käufer bei Sachmängeln unterhalb dieser Schwelle i.d.R. zuzumuten sein, am Vertrag festzuhalten und sich – nach erfolglosem Nachbesserungsverlangen – mit einer Minderung des Kaufpreises oder mit der Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes zu begnügen, weil anderenfalls der Verkäufer nicht hinreichend vor den für ihn wirtschaftlich meist nachteiligen Folgen eines Rücktritts wegen geringfügiger Mängel geschützt wäre (BGH NJW 2014, 3229, 3230 f.). Aber auch unterhalb der genannten Geringfügigkeitsschwelle kann durchaus eine Erheblichkeit der Pflichtverletzung angenommen werden. So indiziert ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung i.d.R. die Erheblichkeit einer Pflichtverletzung (Rn. 46 des Urteils mit Verweis auf BGH NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23; BGH NJW 2013, 1365 Rn. 16). Auch im Fall eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers ist nach dem BGH in aller Regel eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung zu verneinen (Rn. 46 des Urteils mit Verweis auf BGHZ 167, 19).

Da vorliegend – auch und gerade nach dem BGH – ein Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, greift an sich die genannte Indizwirkung. Gleichwohl betont der BGH das Erfordernis einer umfassenden Interessenabwägung (Rn. 51 f. des Urteils) und nimmt Bezug auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Dieses hatte festgestellt, dass lediglich ein geringfügiger Mangel vorliege, und dabei – so der BGH – entscheidend darauf abgestellt, dass die Möglichkeit bestanden habe, das Fahrzeug „problemlos mit zugelassenen, im optischen Erscheinungsbild ähnlichen Felgen zu versehen“. Daher könne nicht von einer erheblichen Funktionsstörung ausgegangen werden. Die Kosten des Erwerbs neuer, vergleichbarer Felgen und des Aufziehens der Reifen hierauf beliefen sich inklusive des Montageaufwands auf weniger als fünf Prozent des Kaufpreises.

Damit greift der BGH die bereits erläuterte Rechtsprechung auf, wonach auch bei einem Stückkauf eine Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache nicht von vornherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, sondern nach der Vorstellung der Parteien möglich sei, wenn die Kaufsache im Fall ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden könne (BGHZ 168, 64 ff.). Zur Begründung verweist der BGH auf den Wortlaut des § 439 I BGB, der einen Anspruch auf Nachlieferung nicht ausdrücklich auf eine Gattungsschuld beschränkt. Zudem ergebe sich dies aus den Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform 2002 (vgl. die Regierungsbegründung: „Nacherfüllung ist nicht bei jedem (!) Stückkauf möglich“ und „bei dem Kauf einer bestimmten gebrauchten Sache … eine Nachlieferung zumeist (!) von vornherein ausscheiden wird“ (BT-Drs. 14/6040, S. 209 und 232). Damit gehe auch der Gesetzgeber davon aus, dass eine Nachlieferung bei einem Stückkauf nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Schließlich sei die Ersetzbarkeit auch Art. 3 III i.V.m. dem Umkehrschluss aus Erwägungsgrund Nr. 16 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 – dazu R. Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 2019 Rn. 464b ff. und 969 ff.) zu entnehmen (BGHZ 168, 64, 71 ff. – und in der Folge BGH WM 2019, 424, 425 ff.; OLG Karlsruhe 6.12.2018 – 17 U 4/18; OLG Köln 6.3.2018 – 16 U 110/17; OLG Bamberg DAR 2018, 143; LG Heidelberg 30.6.2017 – 3 O 6/17; OLG Naumburg 22.11.2018 – 1 U 57/18; zuvor schon LG Ellwangen NJW 2003, 517; OLG Braunschweig NJW 2003, 1053, 1054; OLG Hamm NJW-RR 2005, 1220; OLG Schleswig NJW-RR 2005, 1579; Gsell, JuS 2007, 97 ff.; Roth, NJW 2006, 2953 ff.; Kitz, ZGS 2006, 419 ff.; Ball, NVZ 2004, 217, 220; Canaris, JZ 2003, 831, 835; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2119; Ellenberger, in: Palandt, § 91 Rn 4; Weidenkaff, in: Palandt, § 439 Rn 15; siehe auch Lorenz, in: MüKo, Vor § 474 Rn 17 – in Abkehr von JZ 2001, 742, 743; Lorenz/Arnold, JuS 2014, 7, 8).

Ergebnis: Mithin scheitert die Nachlieferung anderer, mangelfreier Felgen nicht an der Einordnung des Kaufs als Stückkauf. Folge wäre demnach die Unwirksamkeit des Rücktritts wegen § 323 V S. 2 BGB, zumal der BGH formuliert, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung wohl nicht zu beanstanden gewesen wäre, wenn sich hierin (womit insbesondere das Nichterreichen der Erheblichkeitsschwelle von 5% gemeint ist, s.o.) die Folgen der Verwendung von für das Fahrzeugmodell nicht zugelassenen Felgen erschöpften. Davon sei im Revisionsverfahren jedoch mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Das Berufungsgericht habe nicht in den Blick genommen, dass die Montage nicht zugelassener Felgen unter den Voraussetzungen des § 19 II S. 2 Nr. 2 StVZO – sofern kein Ausnahmefall nach § 19 III StVZO gegeben sei – zum Erlöschen der Betriebserlaubnis für das Fahrzeug führt, und habe es infolgedessen versäumt, Feststellungen dazu zu treffen, ob hierdurch eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten stehe.

Bewertung: Das verwundert, da der BGH bei der Feststellung des Sachmangels das Erlöschen der BE (zu Recht) nicht annehmen mochte. Ist also eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht hinreichend dargelegt und war damit insoweit ein Sachmangel zu verneinen, kann nunmehr nicht unter demselben Aspekt die Erheblichkeit der Pflichtverletzung bejaht werden. Vielmehr war der Mangel durch Lieferung anderer, mangelfreier Zubehörfelgen zu beheben. Die Weigerung des V, nachzuliefern, hätte ausschließlich zur Gewährung des Minderungsrechts (bzw. des Anspruchs auf Schadensersatz) führen dürfen. Die Auffassung des BGH überzeugt daher nicht. Ihr ist nicht zu folgen.   


Rolf Schmidt (27.06.2020)



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