Aktuelles 2021 Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen (§ 184k StGB)

Beiträge 2021


03.01.2021: Downblousing und Upskirting Der neue Straftatbestand der Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen (§ 184k StGB)


Mit dem neunundfünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs (Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bild­aufnahmen) v. 09.10.2020 (BGBl I 2020, S. 2075) hat der Gesetzgeber die Strafnorm des § 184k StGB erlassen. Sie gilt seit dem 01.01.2021. Hintergrund, Anwendungsbereich und Rechtsfolgen sollen im Folgenden dargestellt werden. Zudem werden verfassungsrechtliche Defizite aufgezeigt.


I. Einführung

Die mit Wirkung zum 01.01.2021 eingeführte Vorschrift des § 184k StGB schützt den körperlichen Intimbereich und damit mittelbar die Intimsphäre i.S.d. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG vor unbefugten Bildaufnahmen, indem sie eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe androht für den Fall, dass jemand absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind (§ 184k I Nr. 1 StGB). Mit ihr wollte der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke schließen, die darin bestand, dass Fälle, in denen jemand heimlich derartige Bildaufnahmen hergestellt oder übertragen hat, die ins­besondere den Blick in den Ausschnitt (sog. Downblousing) und unter den Rock oder unter das Kleid einer Frau zeigen (sog. Upskirting), weder vom StGB noch von Vorschriften des Nebenstrafrechts erfasst wurden.


Tatsächlich waren derartige Verhaltensweisen nicht oder nur ansatzweise von den geltenden Strafnormen erfasst. So ist das inkriminierte Verhalten zunächst nicht (vollständig) von § 33 I KUG erfasst, da die von der Vorschrift in Bezug genommenen §§ 22, 23 KUG nur das Verbreiten und das Öffentlich-zur-Schau-Stellen erfassen, nicht jedoch auch das Anfertigen von Bildnissen. Zudem ist zweifelhaft, ob es sich bei den Fotos um „Bildnisse“ handelt, jedenfalls dann, wenn lediglich der Genital- oder Brustbereich zu erkennen ist, nicht aber die Person als solche (siehe Kötz, IPRB 2020, 143, 144). Eine Strafbarkeit nach § 184i StGB scheitert an der fehlenden, jedoch nach § 184i I StGB erforderlichen „körperlichen Berührung“ (siehe bereits R. Schmidt, Strafrecht Besonderer Teil I, 21. Aufl. 2019, Rn. 945 – zu § 184i StGB). § 184i StGB wäre lediglich einschlägig, wenn der Täter dem (weiblichen) Opfer bspw. an die Brust, den Po oder in den Schritt fasste, da in diesen Fällen die in der Vorschrift geforderte unmittelbare körperliche Einwirkung gegeben wäre. § 185 StGB ist von vornherein nicht einschlägig, da die Beleidigungsdelikte nicht als Auffangtatbestände für sexualbezogene Handlungen dienen können. Auch deckt § 201a I StGB derartige Fälle der Verletzung des Intimbereichs nicht ab, da die Vorschrift nur vor unbefugten Bildaufnahmen schützt, wenn sich die be­troffene Person in einer Wohnung oder einem gegen Ein­blick besonders geschützten Raum befindet, etwa in einem (ärztlichen) Behandlungszimmer, einer Umkleidekabine oder einer sanitären Anlage. Diese Art der Ver­letzung des Intimbereichs nahm – jedenfalls von der Prämisse des Gesetzgebers aus – seit etlichen Jahren zu, da es moderne Kameratechnik (Miniaturkameras mit hoher Auflösung, auch in Handys) erlaubt, solche Auf­nahmen vom Opfer oft unbemerkt zu fertigen.


Ob aber die Notwendigkeit bestand für den Erlass der Strafvorschrift, erscheint zweifelhaft. So weist Kötz (IPRB 2020, 143, 146) darauf hin, dass (in Deutschland) noch nicht einmal eine Empirie existiere (Ergänzung: eine das Phänomen quantitativ und qualitativ untersuchende Forschung). Und Gramlich/Lütke (MMR 2020, 662, 665) weisen darauf hin, dass der Gesetzgeber ausschließlich auf Studien aus England und Wales Bezug genommen habe und lediglich vermute, auch in Deutschland gebe es ein beachtliches Dunkelfeld. Einen Straftatbestand lediglich auf Vermutungen zu stützen, ohne auf empirische Daten zurückgreifen zu können, überzeugt in der Tat nicht.   


Unabhängig davon weisen die beschriebenen Verhaltensweisen Sexualbezug auf (obwohl der Täter durchaus auch andere Tatmotive haben kann wie schlicht die Absicht, das Opfer zu demütigen bzw. zu kompromittieren), weshalb sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die Tat in den 13. Ab­schnitt des StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) aufzunehmen und nicht – wie ursprünglich vorgesehen – durch eine Änderung des § 201a StGB zu normieren (siehe dazu BT-Drs. 19/20668, S. 13). Zur Vorschrift im Einzelnen:


II. Der neue Straftatbestand des § 184k StGB


1. Tatbestand des § 184k I Nr. 1 StGB

Tatobjekt sind Genitalien, das Gesäß, die weibliche Brust oder die diese Körperteile be­deckende Unterwäsche der betroffenen Person, soweit sie gegen Anblick geschützt sind. Daher macht sich nicht nur strafbar, wer nackte Genitalien, das nackte Gesäß oder die nackte weibliche Brust fotografiert, sondern auch derjenige, der die Körperteile in beklei­detem Zu­stand fotografiert, was die Verhältnismäßigkeit der Strafvorschrift in Frage stellt. Zudem stellen sich Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit der Norm mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 II GG, da unklar ist, wann lediglich eine (straflose) Körperaufnahme und wann eine fokussierte und damit strafbare Aufnahme der Genitalien, des Gesäßes oder der weiblichen Brust vorliegt. Denn dank moderner, hochauflösender Kameras sind Fotos von derart guter Qualität, dass auch „neutrale“ Fotos die Genitalien, das Gesäß und die weibliche Brust überaus deutlich darstellen können.


Fraglich ist auch die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 I, III S. 1 GG: Dadurch, dass sich das Adjektiv „weiblich“ lediglich auf die Brust bezieht, die Strafnorm sich also lediglich auf die Brust einer Frau bezieht, sind die Genitalien, das Gesäß und die Unterwäsche auch von Männern und Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen (also eine binäre Zuordnung ablehnen und damit dem „dritten Geschlecht“ angehören), tatbestandlich erfasst, nicht aber deren Brust (da nicht „weiblich“). Tatbestandslos ist daher das Fotografieren der Brust einer Person des dritten Geschlechts (die Strafbarkeit des Versuchs ist nicht angeordnet), was dem Schutzbedürfnis dieses Personenkreises nicht gerecht wird und zudem die Frage nach der Verfassungskonformität (Vereinbarkeit mit Art. 3 I, III S. 1 GG) der Regelung aufwirft. Denn es ist kein Sachgrund erkennbar, warum (auf die Brust bezogen) nur Personen des weiblichen Geschlechts, nicht aber auch Personen des dritten Geschlechts geschützt sein sollen. Bei einer Transgender-Person ist die Frage nach der „Weiblichkeit“ der Brust ungleich schwieriger zu beantworten, sodass ein Verstoß der Strafnorm gegen Art. 3 III S. 1 GG nur durch eine teleologische Auslegung abgewendet werden kann, indem man den Begriff der „weiblichen Brust“ losgelöst vom weiblichen Geschlecht versteht und auch Personen des dritten Geschlechts und Transgender-Personen einbezieht (womit man dann allerdings wieder in Konflikt mit Art. 103 II GG geriete).   


Tathandlung des § 184k I Nr. 1 StGB ist das unbefugte Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme. Mit „Herstellen“ ist schlicht das Fotografieren gemeint, mit „Übertragung“ das Versenden des Bildes via E-Mail oder App, aber auch das Speichern auf einem externen Medium (USB-Stick etc.). Wie aus der Konjunktion „oder“ klar wird, muss der Täter, der die Bildaufnahme überträgt, diese zuvor nicht selbst hergestellt haben.

 

Beispiel: A fotografiert heimlich mittels Handykamera den (mit einem Slip bedeckten) Genitalbereich der einen Rock tragenden O, als diese ihm gegenüber am Tisch sitzt. Später zeigt er die Aufnahme dem B, der das Foto auf sein Handy überträgt.

 

In diesem Fall ist A strafbar gem. § 184k I Nr. 1 wegen Herstellens einer Bildaufnahme und B ist strafbar gem. § 184k I Nr. 1 in der Variante des Übertragens.


Unbefugt ist die Bildaufnahme hergestellt (oder übertragen), wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des Opfers handelt. Ist die Zielperson also „einverstanden“, liegt (wie z.B. bei § 238 StGB) ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Daraus folgt zugleich, dass es sich bei dem Merkmal „unbefugt“ um ein objektives Tatbestandsmerkmal handelt, nicht um einen bloßen Ver­weis auf das mögliche Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (davon geht auch der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 19/17795, S. 9 f.; zur (weiteren) Bedeutung dieser Einstufung vgl. R. Schmidt, Strafrecht Besonderer Teil I, 21. Aufl. 2019, Rn. 858 sowie allgemein R. Schmidt, Strafrecht Allgemeiner Teil, 21. Aufl. 2019, Rn. 212 ff.). Das bedeutet:


  • Der Täter muss gegen oder ohne den Willen des Opfers handeln. Ausdrückliches oder stillschweigendes (d.h. konkludentes) Einverständnis des Opfers schließt somit bereits die Tatbestandsverwirklichung aus (BT-Drs. 16/575, S. 7 – zu § 238 StGB).
  • Das Merkmal „unbefugt“ muss vom Tatbestandsvorsatz des Täters umfasst sein. Ein Irrtum hinsichtlich der Befugnis schließt den Tatbestand aus (§ 16 I S. 1 StGB); eine fahrlässige Begehung (die wegen § 16 I S. 2 StGB zur Strafbarkeit führen würde) ist mangels Strafbarkeitsanordnung nicht strafbar.


Subjektiv muss der Täter „absichtlich oder wissentlich“ handeln. Die Vorsatzform „Absicht“ (dolus directus 1. Grades) ist dadurch gekennzeichnet, dass es dem Täter gerade darauf ankommt, den Taterfolg herbeizuführen (Sch/Sch-Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 StGB, Rn. 66; siehe auch BGH NStZ-RR 2017, 238). Maßgeblich ist der zielgerichtete Erfolgswille. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Täter die Erreichung des Taterfolgs für sicher oder nur für möglich hält (BGH NStZ-RR 2017, 238). Entscheidend beim dolus directus 1. Grades ist also das voluntative Element mit der Folge, dass hinsichtlich des kognitiven Elements ein bloßes Für-möglich-Halten genügt. Demgegenüber kennzeichnet „wissentlich“ den direkten Vorsatz (dolus directus 2. Grades): Der Täter weiß oder setzt als sicher voraus, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands führt („sicheres Wissen“), lässt sich aber trotzdem nicht davon abbringen, die Tathandlung auszuführen, möge ihm der Taterfolg auch noch so unerwünscht sein (st. Rspr. seit BGHSt 18, 246, 248; 21, 283, 285; vgl. auch Fischer, § 15 StGB, Rn. 7; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 976, 977). Die Begrenzung auf „absichtlich“ und „wissentlich“ führt immerhin dazu, dass eine Handlung, die lediglich mit dolus eventualis begangen wird, nicht tatbestandlich ist.


2. Tatbestand des § 184k I Nr. 2 StGB

§ 184k I Nr. 2 StGB sanktioniert den Fall, dass jemand eine durch eine Tat nach § 184k I Nr. 1 StGB hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht. Mit „Gebrauchen“ dürfte der Fall gemeint sein, dass der Täter die von ihm gefertigte Bildaufnahme anschaut, kopiert oder das Bild bearbeitet. Einer dritten Person zugänglich gemacht wird die Bildaufnahme, wenn die dritte Person die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält oder – erst recht – die Verfügungsgewalt über sie erlangt, was im Fall des Ein­stellens des Bildes ins Internet (entweder durch direkten Upload oder mit Verlinkung auf den Upload) durch den Täter des § 184k I Nr. 2 StGB ohne weiteres anzunehmen ist. Strafbar macht sich somit (noch) nicht, wer – ohne „Vortäter“ nach § 184k I Nr. 1 StGB zu sein – z.B. (jeweils ohne vorheriges Anschauen) eine einschlägige Bilddatei lediglich empfängt oder speichert oder – ohne Zugriffsmöglichkeit für Dritte – in der „Cloud“ hochlädt.


Wie durch die Tatbestandsformulierung in § 184k I Nr. 2 StGB deutlich wird, braucht der Täter des § 184k I Nr. 2 StGB nicht auch Täter der „Vortat“, also einer Tat nach § 184k I Nr. 1 StGB, zu sein. Das kann dazu führen, dass jemand, der eine Bildaufnahme anschaut oder bearbeitet, nicht aber mit der Person identisch ist, die die Bildaufnahme hergestellt hat, und auch über die Herkunft des Bildes nichts weiß, ebenso strafbar ist (nach Nr. 2) wie der „Vortäter“ (nach Nr. 1). Da – wie aufgezeigt – das Tatobjekt noch nicht einmal nackt zu sein braucht, um die Strafbarkeit auszulösen, stellt sich (auch) in dieser Konstellation nicht nur die Frage nach der Strafwürdigkeit eines solchen Handelns, sondern auch nach der Verhältnismäßigkeit.


Ist der Täter des § 184k I Nr. 2 StGB auch Täter des § 184k I Nr. 1 StGB, stellt sich schließlich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der beiden Tatbestände zueinander.


  • Geht man davon aus, dass der Täter die Bildaufnahme fertigt oder überträgt, um sie anschließend zu gebrauchen oder einer dritten Person zugänglich zu machen, wird man, da die Tat nach § 184k I Nr. 1 StGB gerade auf das spätere Gebrauchen oder Zugänglichmachen abzielt, richtigerweise von einer tatbestandlichen Handlungseinheit ausgehen müssen (einheitliche Tat im Rechtssinne). Hier wird die mit dem Herstellungs- bzw. Übertragungsakt vollendete Straftat erst mit dem Gebrauchen bzw. dem Zugänglichmachen beendet. Es liegt dann nur ein einheitliches Delikt der Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen vor. Sollte man diesem Gedanken nicht folgen, wird das Fertigen bzw. Übertragen der Bildaufnahme als mitbestrafte Vortat zum späteren Gebrauchen bzw. Zugänglichmachen (Nachtat) verdrängt (Fall der Konsumtion). Denn der Unrechtsgehalt liegt schwerpunktmäßig auf der Nachtat.


  • Beruht das Gebrauchen bzw. Zugänglichmachen jedoch auf einem neuen, selbstständigen Tatentschluss, ist dagegen Realkonkurrenz anzunehmen. Das ist insbesondere immer dann anzunehmen, wenn bei der Herstellung oder dem Übertragen das spätere Gebrauchen bzw. Zugänglichmachen nicht beabsichtigt war oder es zu einer anderen Art des Gebrauchens oder Zugänglichmachens kommt als geplant. Mehrere Fälle des Gebrauchens bzw. Zugänglichmachens einer unbefugt hergestellten Bildaufnahme bilden grundsätzlich mehrere selbstständige Handlungen (= Realkonkurrenz). Der Täter ist dann realkonkurrierend aus Nr. 1 und Nr. 2 strafbar. Für die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs ist nach der Rechtsprechung des Großen Senats (BGH GSSt 40, 138, 144; BGH NStZ-RR 1998, 269, 270) nahezu kein Raum mehr, ein solcher kann aber im Einzelfall zu bejahen sein.


3. Tatbestand des § 184k I Nr. 3 StGB

Schließlich erfasst § 184k I mit einer Nr. 3 den Fall, dass eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in der Nr. 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich gemacht wird. § 184k I Nr. 3 setzt also zunächst voraus, dass die Bildaufnahme befugt (etwa mit Einverständnis) hergestellt wurde, dann aber unbefugt einer dritten Person zugänglich gemacht wird.

 

Beispiel: Während einer intimen Liebesbeziehung mit seiner Freundin O fertigte T von dieser u.a. zahlreiche Nahaufnahmen ihres Brust- und Genitalbereichs. Nachdem die Beziehung beendet worden war, stellte T die Fotos ins Internet.

 

Hier wurden die Fotos befugt hergestellt, da O insoweit ihr Einverständnis gegeben hatte. Ist dieses Einverständnis (was i.d.R. anzunehmen ist, auch wenn dies nicht explizit ausgesprochen wurde) aber bspw. persönlich begrenzt auf einen spezifischen Nutzerkreis (i.d.R. – nur – auf den Beziehungspartner) und zeitlich begrenzt (bspw. Dauer der Beziehung), erlischt das Einverständnis mit der absprachewidrigen Nutzung bzw. mit der Beendigung der Beziehung und der Bildnisschutz lebt wieder auf. Das gilt insbesondere für die Intimsphäre. Wie der BGH in Zivilsachen zutreffend ausführt, wird die zur Anregung des gemeinsamen Sexuallebens erbrachte Entblößung als demütigend wahrgenommen, wenn das gemeinsame Erleben entfällt, die Entblößung aber dauerhaft sichtbar bleibt und die abgebildete Person gegen ihren Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird. Das damit verbundene Ausgeliefertsein und die Fremdbestimmung führten dazu, dass die Menschenwürde betroffen sei und damit der unantastbare Kernbereich des Persönlichkeitsrechts verletzt werde (BGH NJW 2016, 1094, 1096 – Löschungsanspruch in Bezug auf Intimfotos).

 

Diese Konstellation hat nunmehr mit § 184k I Nr. 3 StGB auch eine strafrechtliche Sanktion erhalten. Obwohl T zunächst straflos die Intimaufnahmen gefertigt hat, stellt das anschließende – nicht mehr vom Einverständnis der O gedeckte – Einstellen ins Internet ein unbefugtes Zugänglichmachen gegenüber Dritten dar.

 

Problematisch ist der Bezug in § 184k I Nr. 3 auf Nr. 1 StGB durch die spezifische Formulierung „befugt hergestellte Bildaufnahme der in der Nr. 1 bezeichneten Art“, weil dadurch nicht der Fall erfasst wird, dass die dem Dritten zugänglich gemachte Bildaufnahme zu­vor von der abgebildeten Person – befugt – selbst gefertigt wurde. Denn die Inbezugnahme des § 184k I Nr. 1 StGB (wo von „einer anderen Person“ die Rede ist) in § 184k I Nr. 3 StGB lässt eindeutig erkennen, dass § 184k I Nr. 3 StGB nur den Fall erfasst, dass die fragliche Bildaufnahme von einer anderen Person (also nicht von der abgebildeten Person selbst) hergestellt wurde. Es stellt sich also die Frage, ob der „Zugänglichmacher“ i.S.v. § 184k I Nr. 3 StGB sich auch dann strafbar macht, wenn zuvor die Bildaufnahme von der abgebildeten Person selbst hergestellt wurde. Da der Wortlaut diese Konstellation nicht erfasst, riskierte man einen Verstoß gegen das in Art. 103 II GG statuierte Analogieverbot, legte man den Tat­bestand entsprechend aus; anderenfalls müsste man eine Strafbarkeitslücke hinnehmen.

 

Beispiel: O des obigen Beispiels fertigte die Nahaufnahmen ihres Brust- und Genitalbereichs selbst an und schickte die Fotos anschließend T per E-Mail zu. Nachdem die Beziehung beendet worden war, stellte T die Fotos ins Internet.

 

Hier wurden die Fotos von O selbst hergestellt, sodass bei der für T in Betracht kommenden Strafbarkeit nach § 184k I Nr. 3 StGB der Bezugspunkt fehlt. Denn gemäß dem in § 184k I Nr. 3 StGB in Bezug genommenen § 184k I Nr. 1 StGB muss die hergestellte oder übertragene Bildaufnahme eine andere Person abbilden als den Hersteller/Übertragenden. Verneint man daher eine Strafbarkeit des T mangels Einschlägigkeit des § 184k I Nr. 3 StGB, ist dessen Verhalten straflos. Freilich ist mit dieser Lesart eine eklatante Strafbarkeitslücke verbunden, weil es aus Sicht der O keinen Unterschied macht, ob sie T die Fertigung der Intimfotos gestattete oder die Fotos selbst fertigte und dann T überließ. In beiden Fällen hat T die Fotos unbefugt Dritten zugänglich gemacht. Sind also die Schutzbedürftigkeit auf Seiten der O und der Unrechtsgehalt der Tat auf Seiten des T nicht vom geregelten Fall (dass also O dem T die Fertigung der Aufnahmen gestattet hätte) zu unterscheiden, wäre es kriminalpolitisch verfehlt, die vorgenannte Konstellation nicht zu erfassen. Wegen des bestehenden Analogieverbots (Art. 103 II GG) ist dieser Weg aber versperrt.

 

Im Ergebnis ist T also straflos.   



4. Tatbestandsausschluss nach § 184k III StGB

Die Rechtsnatur des § 184k III StGB, wonach § 184k I StGB unter den genannten Voraussetzungen nicht gilt, erschließt sich auf den ersten Blick möglicherweise nicht. Ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund liegt offensichtlich nicht vor, sonst hätte es z.B. heißen müssen: „handelt nicht rechtswidrig“, „ist nicht rechtswidrig“ bzw. „handelt nicht schuldhaft“ oder „han­delt ohne Schuld“. Auch ein Strafausschließungsgrund (wie etwa § 218 IV S. 2, § 218a IV S. 1 oder § 257 III S. 1 StGB) liegt nicht vor, sonst hätte es lauten müssen: „ist straffrei“, „ist nicht strafbar“ oder „wird nicht bestraft“. Schließlich liegt kein Fall des Ab­sehens von Strafe vor, weil der Gesetzgeber hierfür entsprechende Formulierungen wie in §§ 60 S. 1, 83a I Var. 2, 306e I Var. 2, 314a II Var. 2, 320 II Var. 2 oder 330b I S. 1 Var. 2 StGB verwendet. Aber auch gegen die Annahme eines Tatbestandsausschlusses spricht, dass der Gesetzgeber sonst Formulierungen verwendet wie: „Der Tatbestand des ... ist nicht verwirklicht“ (siehe etwa § 218a I StGB). Dennoch sollte § 184k III StGB (wie das vom Verfasser bei § 86 III StGB vertreten wird – dazu R. Schmidt, Strafrecht Besonderer Teil I, 21. Aufl. 2019, Rn. 1394) als Tatbestandsausschluss angesehen werden. Anders kann die Formulierung „gilt nicht“ nicht er­klärt werden. Inhaltlich sagt § 184k III StGB, dass § 184k I StGB nicht gilt für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. Hierbei handelt es sich um eine „generische“ Formulierung, die oft verwendet wird, wenn (Grund-)Rechte anderer Personen (insbesondere aus Art. 5 I, III GG) zu berücksichtigen sind. Der konkrete Anwendungsbereich dieses Tatbestandsausschlusses wird bspw. im Biologieunterricht, im Biologiestudium, im Medizinstudium oder in künstlerischen Darbietungen liegen.


5. Bedingtes (unechtes) Antragsdelikt, § 184k II StGB

§ 184k II StGB erklärt die Tat zum bedingten bzw. unechten Antragsdelikt (relatives Antragsdelikt). Anders als bei unbedingten bzw. echten Antragsdelikten, bei denen die Anklageerhebung zwingend einen Strafantrag voraussetzt (absolutes Antragsdelikt), handelt es sich um bedingte bzw. unechte Antragsdelikte, wenn eine Anklage auch ohne Antrag möglich ist, d.h. wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung muss von der Staatsanwaltschaft festgestellt werden; die Feststellung kann auch konkludent durch Erhebung der Anklage erfolgen.

 

Freilich offenbaren die Feststellung des öffentlichen Interesses und die mögliche spätere gerichtliche Beweisaufnahme weitere, den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffende Probleme: Denn stellt ein Tatopfer, das sich auf einem (im Internet veröffentlichten) Foto des Genitalbereichs, des Gesäßes oder der Brust wiederzuerkennen glaubt, einen Strafantrag, müssen die auf dem Foto abgebildeten Körperteile der Antrag stellenden Person auch zugeordnet werden. Anderenfalls wäre die Antrag stellende Person auch gar nicht antragsbefugt (siehe § 77 StGB) und das Delikt könnte keinem Opfer zugeordnet werden. Wie in der Literatur zu Recht aufgezeigt wird, müsste dann durch richterlichen Augenschein oder Sachverständigengutachten (ergänze: durch Exploration des Opfers und Vergleich der Genitalien, des Gesäßes oder der Brust mit den auf dem Foto abgebildeten Körperteilen) Beweis erhoben werden, ob es sich um die Genitalien/Körperteile des/der Geschädigten handelt (Gramlich/Lütke, MMR 2020, 662, 665). Diese erneute Entblößung und der dadurch gegebene erneute Eingriff in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts wird sogar noch viel intensiver wirken, weil dadurch die auf dem Foto abgebildeten Intimbereiche/Körperteile einer ganz konkreten Person zugeordnet werden (könnten).



6. Einziehung von Tatmitteln, § 184k IV StGB

Gemäß § 184k IV StGB können die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, nach Maßgabe des § 74a StGB ein­gezogen werden. Durch die damit geschaffene Möglichkeit der Einziehung unter erweiterten Voraussetzungen dürfen die Tatmittel, auf die sich eine Tat nach § 184k I StGB bezieht, eingezogen werden, wenn diejenigen, denen diese Tatmittel gehören oder zustehen, wenigstens leichtfertig dazu beigetragen haben, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind (§ 74a Nr. 1 StGB). Folge der Einziehung ist der Übergang des Eigentums auf den Staat (§ 75 I StGB), was den betroffenen Täter bzw. Teilnehmer stark belasten kann, gerade wenn es sich bei dem Bildaufnahmegerät um ein teures Smartphone handelt. Da es sich bei § 74a StGB aber um eine Kann-Vorschrift handelt, wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass bei Unverhältnismäßigkeit von der Einziehung abgesehen werden muss (§ 74f StGB).



Rolf Schmidt (03.01.2021)




 



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