Aktuelles 2022 Zur Frage nach der wiederholten Zueignung bei der Unterschlagung

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23.11.2022: Zur Frage nach der wiederholten Zueignung bei der Unterschlagung


BGH, Beschl. v. 13.01.2022 – 1 StR 292/21


Mit Beschluss vom 13.01.2022 hat der 1. Strafsenat des BGH entschieden, dass ein Täter, der sich eine fremde Sache bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat, sich diese in einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal im Sinne von § 246 I StGB zueignen könne, ohne vorher seine Scheineigentümerposition wieder aufgegeben zu haben.


Dem Beschluss lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde (leicht abgewandelt, um die Probleme zu fokussieren): Zur Sicherung eines Darlehens sicherungsübereignete (§§ 929, 930 BGB) T an die Bank A seinen Maserati 450 S aus dem Jahre 1956. In der Sicherungsabrede wurde vereinbart, dass T den Wagen „sorgfältig und sachgemäß für A“ verwahrt. Den Fahrzeugbrief forderte A nicht ein. Kurze Zeit später übereignete T unter wahrheitswidriger Zusicherung, der Wagen sei frei von Rechten Dritter, diesen an B, um auch ein von B erhaltenes Darlehen (Höhe: 4,5 Mio. €) zu sichern. T übergab den Wagen nebst Fahrzeugbrief (heute: Zulassungsbescheinigung II) an B. Dieser hatte keinen Grund, an den Angaben des T zu zweifeln, gerade weil der Fahrzeugbrief vorgelegt wurde.  Ein paar Tage später brachte T den Wagen mit Zustimmung des B in die Werkstatt des W zum Service. Gegenüber W trat er als Eigentümer auf und schloss mit ihm einen Werkvertrag im eigenen Namen. Noch während sich der Wagen bei W befand, verkaufte T den Wagen – ohne B (und A) darüber zu informieren – zum Preis von 6,2 Mio. € an C. Zur Erfüllung seiner kaufvertraglichen Pflichten einigte sich T mit C über den Eigentumsübergang und trat sämtliche Ansprüche aus dem Werkvertrag an diesen ab, und zwar aufschiebend bedingt durch die vollständige Bezahlung des Kaufpreises. C leistete kurz darauf eine Anzahlung i.H.v. 3,1 Mio. € an T. Indes ließ T den reparierten Wagen zu B verbringen und offenbarte anschließend C, dass das Fahrzeug im Eigentum des B stehe. Daraufhin löste C, der am Kaufvertrag festhielt, den Wagen durch Rückzahlung des Darlehens (4,5 Mio. €) nebst Zinsen aus.


Das LG Stuttgart hatte T wegen veruntreuender Unterschlagung schuldig gesprochen. Der BGH hat die Revision des T verworfen. Ob die Entscheidung des BGH überzeugt, soll im Folgenden herausgearbeitet werden.



A. Einführung


I. Rechtliche Grundlagen


Die Unterschlagung (§ 246 StGB) ist wie der Diebstahl (§ 242 StGB) ein Eigentumsdelikt. Im Mittelpunkt der Unterschlagung steht die Zueignung einer fremden beweglichen Sache. Ein Vergleich mit § 242 StGB ergibt, dass der Tatbestand des Diebstahls die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in Zueignungsabsicht voraussetzt, wohingegen der Tatbestand der Unterschlagung die Zueignung als objektives Tatbestandsmerkmal charakterisiert. Während beim Diebstahl die Zueignung also lediglich beabsichtigt sein muss, muss der Täter einer Unterschlagung sich die Sache tatsächlich zueignen. Zueignung ist gegeben, wenn der Täter die Sache wenigstens vorübergehend der eigenen Vermögenssphäre (oder der eines Dritten) einverleibt (Aneignungskomponente) und sie der Verfügungsgewalt des Berechtigten dauerhaft entzieht (Enteignungskomponente).


Daraus folgt, dass jeder vollendete Diebstahl (das Gleiche gilt auch für alle anderen Zueignungsdelikte), bei dem der Täter die Sache sich oder einem Dritten tatsächlich zugeeignet hat, gleichzeitig eine Unterschlagung darstellt. Der Gesetzgeber hat daher dem § 246 StGB den Charakter eines Auffangtatbestands beigemessen, „der alle Formen rechtswidriger Zueignung fremder beweglicher Sachen umfasst, die nicht einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand verwirklichen“ (formelle Subsidiarität).


Eigenständige Bedeutung hat der Unterschlagungstatbestand jedenfalls bei rechtsgeschäftlichen Handlungen wie dem Verkauf und der Veräußerung fremder Sachen unter Anmaßung der Eigentümerrechte, wobei u.U. schon das Angebot oder der Auftrag zum Verkauf der (individualisierten) Sache genügt. Aber auch bei der sog. Fundunterschlagung, also bei einer Handlung, bei der der Täter eine Sache findet und diese behält (statt sie abzugeben), ist § 246 I StGB ohne weiteres denkbar. 


Hierin wird zugleich die verfassungsrechtliche Problematik deutlich: Da § 246 StGB in der seit 1998 geltenden Fassung keinen Gewahrsam des Täters an der Sache voraussetzt, sind hinsichtlich der objektiv zu verwirklichenden Zueignung theoretisch auch Tathandlungen erfasst, die zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Täter keinen Gewahrsam mehr hat oder einen solchen niemals hatte. Ob die hier geschaffene tatbestandliche Weite gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 II GG verstößt oder mit Hilfe einer restriktiven Auslegung des Begriffs „Zueignung“ kompensiert werden kann, soll im Folgenden geklärt werden.


Um dem verfassungsrechtlichen Postulat einer engen Auslegung des Zueignungsbegriffs nachzukommen, wird verlangt, dass der Täter eine „nicht völlig untergeord­nete Herrschaftsbeziehung“ (Sch/Sch-Bosch, StGB, § 246 Rn. 10 f.) bzw. eine „Nähebeziehung“ (Fischer, StGB, § 246 Rn. 10a) zur Sache hat, in deren Rahmen er die Sache dann sich (oder einem Dritten) zueignet. Ob eine solche „Herrschaftsbeziehung“ bzw. „Nähebeziehung“ in einer bloßen Besitzdienerschaft i.S.v. § 855 BGB liegen kann, erscheint zweifelhaft, da ein Besitzdiener nur ebenjene untergeordnete Herrschaftsbeziehung (aber immer eine „Nähebeziehung“) zur Sache hat. Denn Besitzdiener ist gem. § 855 BGB, wer die Sachherrschaft lediglich für einen anderen ausübt und dabei weisungsabhängig, d.h. bei der Herrschaftsbeziehung zur Sache dem Besitzer untergeordnet ist (BGH NJW 2020, 3711, 3713 mit Verweis auf BGH NJW-RR 2017, 818; BGHZ 199, 227). Allenfalls die genannte „Nähebeziehung“ könnte man unter die Besitzdienereigenschaft subsumieren. Forderte man aber eine mittelbare Besitzereigenschaft (§ 868 BGB), also eine Besitzart, bei der jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Ver­hältnis besitzt, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist (Wortlaut § 868 BGB), nivellierte man den Unterschied zur veruntreuenden Unterschlagung gem. § 246 II StGB, die da­durch gekennzeichnet ist, dass der Täter eine Sache unterschlägt, die er vom Eigentümer oder von einem Dritten mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, aufzubewahren oder auch nur zurückzugeben (BGHSt 9, 90, 91; 16, 280, 282; BGH NStZ-RR 2014, 13; Fischer, StGB, § 246 Rn. 16). Für den Grundtatbestand bliebe, wenn man das Erfordernis einer mittelbaren Besitzereigenschaft zugrunde legte, dann nur ein geringer Anwendungsbereich. Diese Folge wäre zwar dem Erfordernis einer engen Auslegung ge­schuldet, sie würde aber den Geschädigteninteressen nicht gerecht. Von daher erscheint es im Ergebnis verfassungsrechtlich gerechtfertigt, beim Grundtatbestand des § 246 I StGB eine „Nähebeziehung“ zu verlangen, aber auch ausreichen zu lassen. Eine solche „Nähebeziehung“ ist bei einer Besitzmittlereigenschaft des Täters anzunehmen. Ein Besitzmittler ist demnach tauglicher Täter des § 246 I StGB. Das Gleiche muss gelten, wenn der Täter eine rein faktische Nähebeziehung zur Sache hat, etwa als Finder, der sich entschließt, die gefundene Sache zu behalten. Die Problematik kann aber dahinstehen, wenn – wie überwiegend – der Täter mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB) ist und sich die Sache zueignet, etwa als Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis zum Berechtigten, vermöge dessen er diesem gegenüber zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist. Das kann bei T angenommen werden. Er hatte im Verhältnis zu A die vertragliche Verpflichtung, den Wagen „sorgfältig und sachgemäß“ zu verwahren. Darin ist nicht lediglich eine Besitzdienerschaft zu sehen, sondern eine Besitzmittlung. Und auch im Verhältnis zu B war T Besitzmittler.


Der Besitzmittler ist also tauglicher Täter einer Unterschlagung, etwa, wenn er die Sache, die sich bei ihm befindet, unter Anmaßung einer Eigentümerstellung oder Verfügungsbefugnis auf einen Dritten überträgt. In diesem Übertragungsakt ist die Zueignung zu sehen: In dem Veräußerungsangebot, konkret in der dinglichen Einigung mit dem Dritten zur Eigentumsübertragung (§ 929 S. 1 BGB), besteht die Zueignung. Ist der Dritte dann auch gutgläubig (§ 932 BGB), d.h. geht von der Eigentümereigenschaft des Veräußerers aus oder zumindest von dessen Ermächtigung (§ 185 BGB), erwirbt dieser das Eigentum der Sache.


Der gute Glaube ist – für alle Tatbestände einheitlich – in § 932 II BGB legal­definiert. Danach scheidet ein Gutglaubenserwerb aus, wenn dem Erwerber bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Aufgrund der negativen Formulierung in § 932 I BGB („…wird Eigentümer, … es sei denn…“) geht das Gesetz in der Regel davon aus, dass der Erwerber gutgläubig ist. Die Beweislast für die Bösgläubigkeit liegt damit beim (vorherigen) Eigentümer. Eine Be­weislastregelung enthält zudem § 1006 I S. 1 BGB, wonach widerleglich vermutet wird, dass der Besitzer (hier: der Veräußerer) auch Eigentümer der Sache ist, was auch bei der Frage nach der Gutgläubigkeit des Erwerbers Berücksichtigung finden kann. Bei gestohlenen oder sonst abhandengekommenen Sachen ist wegen § 935 I BGB ein gutgläubiger Erwerb aber ausgeschlossen (es sei denn, es liegt wiederum eine Gegen-Gegenausnahme nach § 935 II BGB vor).


Beim Gebrauchtwagenkauf stellt die gesetzliche Eigentumsvermutung in § 1006 I S. 1 BGB (Besitz des Veräußerers am Wagen als Rechtsscheinträger) nach der Rechtsprechung aber nur ein sehr schwaches Indiz für einen guten Glauben i.S.d. § 932 II BGB dar. Denn es gehört regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für den gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens, dass sich der Er­werber die Zulassungsbescheinigung (ZB) II (früher: Kfz-Brief) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2013, 1946, 1947; BGH NJW 2020, 3711, 3714). Zwar verbrieft die ZB II nicht das Eigentum am Kfz, sondern ist eine öffentliche Urkunde über die Einzelbetriebserlaubnis des Fahrzeugs, gleichwohl ist aber anhand der Eintragungen die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Veräußerers nachzuprüfen (BGH NJW 2013, 1946, 1947; siehe auch BGH NJW 2020, 3711, 3714). Vor diesem Hintergrund wird eine grobe Fahrlässigkeit z.B. angenommen, wenn jemand (von privat) einen Gebrauchtwagen kauft und vom Veräußerer keine – oder eine auf einen fremden Namen lautende – ZB II ausgehändigt bekommt und keine weiteren Nachforschungen anstellt (BGH NJW 1975, 735, 736; NJW 2006, 2226, 2227; NJW 2006, 3488; NJW 2013, 1946, 1947).



II. Problem der wiederholten Zueignung bei der Unterschlagung 


Nach einer Unterschlagung kommt es häufig zu Verwertungshandlungen wie beispielsweise zum Veräußern oder Zerstören einer bereits früher unterschlagenen Sache. Ebenso ist es denkbar, dass ein Täter nach einer bereits erfolgten Zueignung durch Diebstahl (vgl. auch Raub, Erpressung, Betrug und Untreue) Verwertungshandlungen begeht, sich die Sache also erneut zueignet. Damit stellt sich die Frage nach der rechtlichen Behandlung einer wiederholten Zueignung („Zueignung nach der Zueignung“). Nach Auffassung des BGH (BGHSt 14, 38, 46 f.; 16, 280, 281 f.; BGH NStZ 2022, 611, 612) kann sich ein Täter, der sich die Sache bereits zugeeignet hat, diese nicht noch einmal zueignen, ohne vorher seine Scheineigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (keine wiederholte Selbstzueignung). In diesem Fall sei schon der Tatbestand des § 246 I nicht anwendbar, denn diese Vorschrift setze tatbestandlich voraus, dass sich der Täter die fremde Sache nicht bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat (sog. Tatbestandslösung). Die Gegenstimmen sehen bei jeder Verwertungshandlung bezüglich der zugeeigneten Sache eine erneute tatbestandliche Zueignung, lassen diese aber auf der Konkurrenzebene zurücktreten (sog. Konkurrenzlösung, vertreten etwa von BeckOK-Wittig, StGB, § 246 Rn. 8; Sch/Sch-Bosch, StGB, § 246 Rn. 19; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, StrafR BT 2, Rn. 341 ff.; Eckstein, JA 2001, 25, 30). Kein Fall der wiederholten Zueignung liegt aber vor, wenn die spätere Zueignung nicht die erste Zueignung wiederholt, sondern sich als neue Zueignung darstellt. Ob das im zu besprechenden Fall anzunehmen ist, muss anhand einer Prüfung festgestellt werden.




B. Prüfung des Falls


Durch das beschriebene Verhalten könnte T sich u.a. wegen veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 I, II StGB zum Nachteil des B strafbar gemacht haben. Dazu müsste er eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zugeeignet haben.

 

Zunächst müsste es sich bei dem Maserati um eine für T fremde Sache gehandelt haben. Zu klären ist diesbezüglich daher die Eigentumslage. Mit der Sicherungsübereignung an A verlor T gem. §§ 929, 930 BGB das Eigentum am Wagen. Sodann erwarb B gutgläubig gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB das Eigentum an dem Wagen. Die Gutgläubigkeit war trotz § 932 II BGB anzunehmen, weil der BGH – in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte – die Vorlage des Fahrzeugbriefs als starkes Indiz für die Eigentümereigenschaft ansieht.

 

Schließlich könnte T das Eigentum am Maserati gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Var. 1 BGB an C übertragen haben. Gemäß § 934 Var. 1 BGB wird, wenn eine nach § 931 BGB veräußerte Sache nicht dem Veräußerer gehört, der Erwerber mit der Abtretung des Anspruchs Eigentümer der Sache, wenn der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist, es sei denn, dass er zur Zeit der Abtretung oder des Besitzerwerbs nicht in gutem Glauben ist. Diese auf den ersten Blick recht kompliziert erscheinende Regelung setzt zunächst voraus, dass der Grundtatbestand der §§ 929 S. 1, 931 BGB – in Gestalt eines Verkehrs­geschäfts – erfüllt ist. Dazu müssen wiederum die Einigung i.S.d. § 929 BGB und eine wirksame Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB vorliegen. Weiterhin darf keine Berechtigung des Veräußerers bestehen. All dies ist vorliegend gegeben: T und C haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt; T trat den gegen W bestehenden Herausgabeanspruch an C ab; eine Berechtigung des T fehlte. 

 

§ 934 Var. 1 BGB verlangt weiter, dass der Veräußerer mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB) ist. Dass der Erwerber dabei nur den mittelbaren Besitz erhält (vgl. § 870 BGB), ist unschädlich. Denn dadurch, dass sich der Veräußerer seines mittelbaren Besitzes durch die Abtretung entäußert, ist die den Rechtsschein begründende und für den Gutglaubenserwerb erforderliche Besitzlage gegeben. T war mittelbarer Besitzer. Er mittelte den Besitz des B, weil er lediglich befugt war, den Wagen in die Werkstatt zu verbringen. T eignete sich den Wagen als jemand zu, der zum Berechtigten in einem Verhältnis stand, vermöge dessen er diesem gegenüber zum Besitz berechtigt oder verpflichtet war.

 

Schließlich verlangt § 934 BGB auf Seiten des Erwerbers Gutgläubigkeit. Damit ist Gutgläubigkeit i.S.d. § 932 II BGB gemeint. Ob das bei C wegen Nichtvorlage eines Eigentumsdokuments oder zumindest des Fahrzeugbriefs angenommen werden kann, ist fraglich und müsste auf den ersten Blick wohl verneint werden. Möglicherweise kann dies jedoch in Bezug auf den Unterschlagungstatbestand dahinstehen. Der BGH hat hierzu entschieden, der Tatbestand der Unterschlagung setze nicht voraus, dass die Handlung des Täters das Eigentum des Sicherungsnehmers rechtlich beseitigt oder beeinträchtigt; die Übereignung müsse daher nicht wirksam sein (BGH NStZ 2022, 611, 612 m.w.N.).


Womöglich scheidet der Unterschlagungstatbestand jedoch aus, wenn T bereits durch die Veräußerung an B eine Unterschlagung zulasten der A verwirklicht hat. Denn wie der BGH ausführt, kann sich ein Täter, der sich eine fremde Sache bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat, diese in einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal i.S.v. § 246 I StGB zueignen, außer, er hatte zwischenzeitlich seine Scheineigentümerposition aufgegeben (BGH NStZ 2022, 611, 612 m.w.N.).


T beging bereits mit der Veräußerung an B eine (veruntreuende) Unterschlagung zulasten der A. Denn durch das Veräußerungsangebot an B eignete sich T den Wagen zu (er gerierte sich bei der Veräußerung an B als Eigentümer, der zur Übereignung befugt war) und durch die Gutgläubigkeit des B verlor A ihr Sicherungseigentum. Durch die wirksame Übereignung an B und die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an diesen hat T nach Auffassung des BGH aber seine angemaßte Verfügungsmacht aufgegeben (BGH NStZ 2022, 611, 612). Daher stelle die Veräußerung an C keine wiederholte Zueignung dar, sondern eine neue, weshalb sich die Frage nach der wiederholten Zueignung nicht stelle. Das überzeugt. Denn durch die mit der wirksamen Übereignung an B und der Übertragung des unmittelbaren Besitzes einhergehende Aufgabe der angemaßten Verfügungsmacht verlor T seine Scheineigentümereigenschaft. Eine nach Aufgabe der angemaßten Verfügungsmacht erfolgte weitere Zueignung kann daher keine wiederholte Zueignung sein, sondern nur eine neue.  

 

Ergebnis: Die durch die Veräußerung an C verwirklichte Unterschlagung zum Nachteil des B ist also nicht deswegen tatbestandlich ausgeschlossen, weil T bereits eine Unterschlagung zum Nachteil der A begangen hatte. T hat den Tatbestand der veruntreuenden Unterschlagung verwirklicht.

 

Sollte man einen Betrug zulasten des C annehmen (was dessen Gutgläubigkeit voraussetzt), träfe er tatbestandlich mit der Unterschlagung zusammen, was die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis eröffnete. Da die veruntreuende Unterschlagung eine niedrigere Strafandrohung vorsieht als der Betrug im besonders schweren Fall (hier: § 263 I, III S. 2 Nr. 2 StGB: Vermögensverlust großen Ausmaßes), griffe die Subsidiaritätsanordnung. Dann wäre T ausschließlich nach § 263 I, III S. 2 Nr. 2 StGB strafbar. Sollte Betrug zu verneinen sein (weil C bösgläubig gewesen sein könnte), griffe nur die veruntreuende Unterschlagung.

 


C. Bewertung


Im Ergebnis („Unterschlagung zum Nachteil des B nicht deswegen tatbestandlich ausgeschlossen, weil T bereits eine Unterschlagung zum Nachteil der A begangen hatte“) ist der Entscheidung des BGH beizupflichten. Aus rechtsmethodischer Sicht wäre wünschenswert gewesen, wenn der BGH dezidierter, d.h. systematisch und damit nachvollziehbarer die Eigentumslage geprüft hätte, gerade bei Bestehen eines Mehrpersonenverhältnisses. Auch die Prüfung des Umstands, dass § 934 Var. 1 BGB auf Seiten des Veräußerers eine mittelbare Besitzereigenschaft (§ 868 BGB) verlangt mit der Folge, dass der Erwerber nur den mittelbaren Besitz erhalten kann (vgl. § 870 BGB), hätte durchaus zum Verständnis beigetragen.

     


Rolf Schmidt (23.11.2022)



 



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