Aktuelles 2021 Novellierung des Tatbestands der Verletzung des hoechstpersoenlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)

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06.07.2021: Novellierung des Tatbestands der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)


Die zuletzt mit Wirkung zum 1.1.2021 (BGBl I 2020, S. 2075) nicht unerheblich novellierte und durch Gesetz v. 26.6.2021 redaktionell angepasste Strafnorm des § 201a StGB (im Folgenden sind alle §§ solche des StGB, sofern nicht anders gekennzeichnet) schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich und damit die Intimsphäre i.S.d. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG. Zum höchstpersönlichen Lebensbereich zählen insbesondere Sexualität, Krankheit und Tod (siehe BT-Drs. 15/2466, S. 5), die äußerlich (etwa durch Fotos) in Erscheinung treten. Teilweise wird die Verfassungskonformität der Norm in Frage gestellt mit dem Argument, die Abbildungsfreiheit werde in einer Weise einschränkt, welche für die Medien und die Kommunikation zu einem nicht beherrschbaren Strafbarkeitsrisiko führe. Insofern seien die Informations- und Meinungsfreiheit bedenklich eingeschränkt (BeckOK-Heuchemer, § 201a Rn. 1 mit Verweis auf „maßgebliche Stimmen“, die er jedoch nicht benennt). Dem ist zu widersprechen: Zum einen wird nicht dargelegt, worin die „bedenkliche“ Einschränkung liegen soll, und zum anderen sind auch die Informations- und Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet; sie finden gerade ihre Grenzen im höchstpersönlichen Lebensbereich anderer Menschen. Zudem wahrt die Vorschrift die Informations- und Meinungsfreiheit dadurch, dass sie lediglich das „unbefugte“ Herstellen oder Übertragen sanktioniert und damit Raum für eine Abwägung der widerstreitenden Interessen lässt. Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen, schließen von vornherein den Tatbestand des Abs. 1 Nr. 2-4 – auch i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 oder 6, Abs. 2 und 3 – aus. Und für Eingriffe in Abs. 1 Nr. 3 dürfte es ohnehin keine rechtfertigend wirkenden Interessen geben. Die Verfassungskonformität der Norm ist daher im Ergebnis zu bejahen.
 
Während § 201a I das unbefugte Herstellen, Übertragen und Zugänglichmachen von Bildaufnahmen von Personen, die sich in bestimmten, besonders vulnerablen Situationen befinden, sanktioniert, erfasst § 201a II das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen Dritten gegenüber, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Und nach § 201a III macht sich strafbar, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, (1) herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder (2) sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft. Bei allen drei Absätzen handelt es sich um Vergehen mit identischer Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe). § 201a I enthält fünf Nummern:


  • Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, durch unbefugtes Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme (Nr. 1).


Geschützt ist der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet. Da auf die „Höchstpersönlichkeit“ abgestellt wird, kann hinsichtlich des Wohnungsbegriffs nicht ohne weiteres auf die zu § 244 I Nr. 3 entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, wonach als Wohnungen solche Räumlichkeiten anzusehen sind, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Privat- und Intimsphäre stehen (siehe R. Schmidt, StrafR BT II, Rn. 246; weiter die Definition des BGH, der in ständiger Rechtsprechung Wohnungen lediglich als abgeschlossene und überdachte Räume versteht, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen und nicht bloße Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenräume sind (BGH NStZ 2020, 484; BGH NStZ-RR 2018, 14, 15), also überwiegend, aber nicht zwingend die Höchstpersönlichkeit betreffen). Erst recht kann nicht der Wohnungsbegriff des § 123 herangezogen werden, der noch weiter reicht und lediglich darauf abstellt, dass die Räumlichkeit Menschen (vorübergehend) als Unterkunft zu dienen bestimmt ist, und auch bloße Zubehörflächen erfasst. Geht es bei § 201a I Nr. 1 um den Schutz eines höchstpersönlichen Rückzugsraums, können nur solche Räume erfasst sein, die den Kern der Privat- und Intimsphäre schützen; dies können dann allerdings bspw. auch Hotelzimmer sind. Gegen Einblick besonders geschützte Räume sind ansonsten bspw. Umkleidekabinen, Toilettenkabinen, Solarienbänke, ärztliche Behandlungszimmer etc.


Tathandlung ist das unbefugte Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme. Eine Bildaufnahme wird hergestellt etwa durch Fotografie („Handyfoto“) und umfasst selbstverständlich auch die Speicherung (auf Festplatte oder Wechselspeicher). „Übertragen“ meint die Echtzeitübermittlung von Bildaufnahmen etwa durch sog. Webcams oder Spycams, bei denen es zwar zu einer Zwischenspeicherung, nicht aber zu einer dauerhaften Fixierung des Bildes kommt (Lackner/Kühl-Kühl, § 201a Rn. 5; BeckOK-Heuchemer, § 201a Rn. 17 – jeweils mit Verweis auf BT-Drs. 15/2466, S. 5). Eine Begrenzung des Adressatenkreises der Übertragung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. In Abgrenzung zu § 201a I Nr. 4 und zu § 201a II (jeweils „einer dritten (bzw. anderen) Person zugänglich machen“) muss aber angenommen werden, dass mit „Übertragung“ nur die Übertragung an sich selbst gemeint ist. Vorstellbar ist der Fall, dass der Täter in der Wohnung des Opfers heimlich eine Kamera installiert hat, von der aus die Bildinformationen live auf den Computer des Täters übertragen und von ihm dort angeschaut werden. Gleiches gilt, wenn der Täter Bildaufnahmen fertigt und bspw. via E-Mail an sich selbst verschickt (etwa, um sie auf einen anderen Computer zu übertragen).


Unbefugt ist die Bildaufnahme hergestellt (oder übertragen), wenn der Täter gegen oder ohne den Willen des Opfers handelt. Ist die Zielperson also „einverstanden“, liegt (wie z.B. bei § 238) ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Daraus folgt zugleich, dass es sich bei dem Merkmal „unbefugt“ um ein objektives Tatbestandsmerkmal handelt, nicht um einen bloßen Verweis auf das mögliche Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (davon geht auch der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 19/17795, S. 9 f.).


Die Tathandlung (das unbefugte Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme) muss zur Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person führen, was darauf hindeutet, dass die Tat ein Erfolgsdelikt ist („Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs als Taterfolg“). Jedoch ergibt sich aus dem Wortlaut („dadurch“), dass das unbefugte Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme bereits den Taterfolg beschreiben, wenn es um Bildaufnahmen betreffend Sexualität, Krankheit und Tod geht. Darin liegt dann der Taterfolg.   


  • Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person durch unbefugtes Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit der Person zur Schau stellt (Nr. 2).


Mit dieser Tatvariante werden Verhaltensweisen sanktioniert, die Opfer von Gewalttaten, Verkehrsunfällen oder sonstigen Unglücksfällen zur Schau stellen bzw. bloßstellen. Man denke an Gaffer bei Verkehrsunfällen, die mit ihren Smartphones hilflose Unfallopfer fotografieren bzw. filmen und die Aufnahmen dann ins Internet stellen, was eine besonders erniedrigende Wirkung für die Opfer entfaltet. Der Begriff der Übertragung kann wie bei Nr. 1 verstanden werden, weil auch Nr. 4 („einer dritten Person zugänglich machen“) diesen Fall erfasst.


  • Unbefugtes Herstellen oder Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt (Nr. 3).


Nr. 3 dient dem postmortalen Persönlichkeitsschutz, indem sie nicht minder anstößige Verhaltensweisen wie bspw. das Fotografieren oder Videografieren von getöteten oder tödlich verunfallten Menschen sanktioniert. Der Gesetzgeber nennt als Beispiel für eine grob anstößige Bildaufnahme den Fall, in dem eine Person verunglückt und ihr lebloser Körper verletzt und blutend oder entblößt am Boden liegend mittels Bildaufnahme zur Schau gestellt wird, wodurch der sittliche Geltungswert der Person verletzt wird (BT-Drs. 19/17795, S. 13). Zum Begriff der Übertragung s.o.


  • Gebrauchen oder einer dritten Person Zugänglichmachen einer durch eine Tat nach den Nrn. 1-3 hergestellten Bildaufnahme (Nr. 4).


Die Nr. 4 betrifft „Verwertungshandlungen“ in Bezug auf nach Nr. 1-3 hergestellte oder übertragene Bildaufnahmen. „Gebrauchen“ meint jede Nutzung der Bildaufnahme etwa durch Archivieren, Speichern oder Kopieren (BT-Drs. 15/2466, S. 5). Wie bei § 184k I Nr. 2 (im Verhältnis zu § 184k I Nr. 1) braucht der Täter des § 201a I Nr. 4 nicht auch Täter der „Vortat“, also einer Tat nach § 201a I Nr. 1-3, zu sein, da der Tatbestand eine solche Verknüpfung nicht fordert. Ist aber der Täter des § 201a I Nr. 4 auch Täter des § 201a I Nr. 1-3, stellt sich schließlich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der beiden Tatbestände zueinander. Hierzu kann auf die Ausführungen zu § 184k verwiesen werden (Aktuelles-Beitrag v. 3.1.2021).


Einer dritten Person zugänglich machen bedeutet die Verschaffung einer Verfügungsgewalt der dritten Person über die unbefugt hergestellte oder übertragene Bildaufnahme. Das kann etwa dadurch geschehen, dass der Täter einer anderen Person die Bildaufnahme (via E-Mail) zusendet oder sie schlicht veröffentlicht, insbesondere ins Netz stellt. Denn ins Netz gestellte Bild- oder Videoaufnahmen lassen sich ohne weiteres herunterladen und speichern.


  • Nr. 5 ist kompliziert aufgebaut. Strafbar macht sich, wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nrn. 1-3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nr. 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.


Wie aufgezeigt, geht es zunächst um eine befugt (also i.d.R. mit Einverständnis der betroffenen Person) hergestellte Bildaufnahme der in den Nrn. 1-3 bezeichneten Art. Das ist insoweit strafrechtlich irrelevant. Strafbar ist es aber, wenn diese dann wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich gemacht wird und in den Fällen der Nrn. 1 und 2 dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt wird.


Beispiel: Während einer außerehelichen intimen Liebesbeziehung mit T ließ O von diesem in ihrer Wohnung zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen fertigen, auf denen sie unbekleidet und teilweise bekleidet sowie vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr mit T zu sehen ist. Nachdem O die Beziehung beendet hatte, stellte T die Fotos und Videos ins Internet.


Die Bild- und Filmaufnahmen wurden zunächst befugt hergestellt, da O ihr Einverständnis erteilt hatte. Sodann aber war das Einstellen ins Internet (und damit Dritten Zugänglichmachen) unbefugt, weil man davon ausgehen darf, dass O die Einwilligung zur Fertigung von Nackt-, Intim- und/oder Aktfotos konkludent nur für die Dauer der Beziehung erteilt hatte. Das unbefugte Einstellen ins Internet verletzte den höchstpersönlichen Lebensbereich der O; T ist strafbar gem. § 201a I Nr. 5.


§ 201a II S. 1 stellt es ebenso unter Strafe, wenn der Täter unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt gem. § 201a II S. 2 unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.


  • Unbefugt eine Bildaufnahme von einer anderen Person, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich machen.


Wie aus der Formulierung hervorgeht, muss die Bildaufnahme nicht unbefugt hergestellt worden sein. So können bspw. Partyfotos, die mit Einverständnis der anwesenden Personen gefertigt werden, Situationen zeigen, die nicht der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen, weil sie etwa eine Peinlichkeit oder eine entwürdigende Situation erfassen. Werden diese Fotos dann gleichwohl (ohne Einverständnis der gezeigten Personen) z.B. ins Internet gestellt, können sie (aufgrund der bloßstellenden Wirkung) geeignet sein, dem Ansehen (d.h. dem sozialen Geltungswert) der abgebildeten Person(en) erheblich zu schaden.


  • Unbefugt eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich machen.


Im Fokus dieser Tatvariante steht das Ansehen Verstorbener bzw. die Pietät. 

   

Die gleiche Strafandrohung hat der Gesetzgeber vorgesehen für einen Täter, der eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,


  • herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
  • sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft (§ 201a III).


Die Intention des Gesetzgebers ist klar: Er möchte den Anreiz des Handels mit kinderpornographischen Inhalten unterbinden. Freilich darf trotz des mehr als berechtigten Anliegens nicht übersehen werden, dass ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG) nicht von der Hand zu weisen ist.

Einen
partiellen Tatbestandsausschluss formuliert § 201a IV. Die dort genannten Tatbestände gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen. Als „überwiegende berechtigte Interessen“ nennt der Gesetzgeber Interessen der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnliche Zwecke. Mit dieser Regelungstechnik möchte der Gesetzgeber den genannten Interessen nicht erst im Rahmen des Merkmals „unbefugt“ oder gar der Rechtfertigungsebene Geltung verschaffen.



Rolf Schmidt (06.07.2021)





 



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